St. Andreasberg. Noch geht es den Harz-Salamandern gut. Doch ein tödlicher Pilz breitet sich in Deutschland aus. Wanderer können einen Beitrag zum Schutz leisten.

Kathleen Preißler ist eine Spezialistin für Salamander. Die Wissenschaftlerin erforscht schon seit einiger Zeit die Ausbreitung des tödlichen Hautpilzes Batrachochytrium salamandrivorans (kurz „Bsal“), der Anfang der 2000er Jahre erstmals an Feuersalamandern in den Niederlanden entdeckt wurde und dort verheerende Wirkung unter den Amphibien entfaltet hat. Und der Pilz breitet sich aus: 2015 wurde er erstmals in Deutschland nachgewiesen, zuerst in der Eifelregion, seit 2017 wurden auch immer mehr tote Feuersalamander im Ruhrgebiet gefunden. Kathleen Preißler hat eine Doktorarbeit über Bsal verfasst. Im Rahmen ihrer Studien hat sie auch den Salamanderbestand im Harz untersucht (wir berichteten).

Salamander-Expertin Kathleen Preißler.
Salamander-Expertin Kathleen Preißler. © HK | Privat

Die gute Nachricht: Bislang fanden sich keine Hinweise darauf, dass der „Salamanderfresser“ genannte Pilz bereits hier angekommen ist. „Wir haben keine Meldungen über tote oder kranke Salamander“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung vor einigen Tagen. Doch eine Entwarnung sei das nicht, mahnt die Wissenschaftlerin: Dass bislang keine befallenen Tiere im Harz entdeckt wurden heiße nicht mit Sicherheit, dass Bsal noch nicht in das Mittelgebirge vorgedrungen ist. Gerade wegen der versteckten Lebensweise der Feuersalamander seien bisher unentdeckte Sterbeereignisse, insbesondere in abgelegenen Regionen, nicht auszuschließen, schreibt sie in einem Beitrag für die Schriftenreihe des Nationalparks Harz.

„Deutschland beherbergt einen bedeutenden Teil der Weltpopulation des Feuersalamanders, wodurch eine besondere Verantwortung für dessen Erhaltung besteht“, betont Preißler in dem Beitrag. „Der Nationalpark Harz stellt einen idealen Lebensraum für den Feuersalamander dar. Dies spiegelt sich im großflächigen Vorkommen der Art wider, welches sich über den gesamten Harz erstreckt. Dementsprechend wäre ein Nachweis von Bsal im Nationalpark katastrophal und würde die gesamten Vorkommen im Harz bedrohen. Die bisher beprobten Populationen im Ilsetal und an der Eckertalsperre wurden glücklicherweise negativ auf Bsal getestet, jedoch können Bestandseinbrüche leicht unbemerkt bleiben.“

Feuersalamander im Nationalpark Harz
Feuersalamander im Nationalpark Harz © Wilfried Störmer

Der Pilz und seine verheerende Wirkung auf die Amphibien stellt die Forscher derzeit noch vor Rätsel: „Es gibt keine Hinweise auf eine Immunität oder Resistenz“, sagt Preißler, die derzeit an der Universität Leipzig tätig ist. „Sobald der Erreger in einem Vorkommen ist, sterben die Tiere.“ Im Ruhrgebiet sei die Lage mittlerweile sehr bedrohlich und der Pilz breite sich offenbar weiter in der Region aus. Erst vor wenigen Tagen habe sie die Meldung erreicht, dass Bsal in Nordbayern gefunden wurde. Ähnliches könnte sich auch im Harz vollziehen, wenn der Pilz hier erst einmal angekommen ist.

Nationalpark lässt tote Feuersalamander auf den Pilz testen

„Zum derzeitigen Wissensstand ist zu erwarten, dass die Vorkommen des Feuersalamanders im gesamten Harz aufgrund der Verbreitungsdichte gut vernetzt sind und sich eine Bsal-Infektion rasant ausbreiten würde“, erläutert sie in ihrem Bericht. „In Anbetracht der kritischen Lage und scheinbar rasanten Ausbreitung von Bsal ist besondere Aufmerksamkeit geboten.“ Es wäre deshalb wichtig, schreibt sie, ausgewählte Salamandervorkommen im Nationalpark genau zu beobachten. „Dies ermöglicht es, mögliche schleichende Populationsrückgänge oder auch rasante Massensterbeereignisse innerhalb des Nationalparks zu dokumentieren und so eine Gefährdungsbeurteilung für den Feuersalamander in der Region und darüber hinaus zu erhalten. Der Nationalpark lässt bereits tote Feuersalamander auf einen Bsal-Befall testen und nimmt darüber hinaus stichprobenhaft Hautabstriche vor, die in unserem Labor getestet werden.“

Kathleen Preißler untersucht einen Salamander. Beim sogenannten „swabbing“ wird mit einem Wattestäbchen über die Unterseite des Salamanders gestrichen, um zu testen, ob Sporen des Chytridpilzes Bsal an dem Tier haften.
Kathleen Preißler untersucht einen Salamander. Beim sogenannten „swabbing“ wird mit einem Wattestäbchen über die Unterseite des Salamanders gestrichen, um zu testen, ob Sporen des Chytridpilzes Bsal an dem Tier haften. © Privat

Wie genau der Pilz wandert, sei derzeit noch unklar: „Die Ausbreitungswege sind vielfältig“, sagt sie. Wie die Bsal-Sporen übertragen werden, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Jedoch sei bekannt, dass eine direkte Übertragung der Sporen von Feuersalamander zu Feuersalamander z.B. während der Paarung oder Überwinterung erfolgt. Darüber hinaus gelten gegen den Pilz resistente Amphibien, wie Frösche und Kröten, als „Reservoirs“, die Bsal-Sporen in einem Lebensraum halten und auch in neue Gebiete tragen können.

Doch auch andere Tierarten kommen als Überträger infrage – ebenso wie der Mensch. Denkbar sei eine Verschleppung in weitere Gebiete durch Huftiere oder Wasservögel. „Doch eine Übertragung von Bsal-Sporen ist bei weitem nicht auf Wildtiere limitiert“, so Preißler: Auch wir Menschen können den Pilz unbewusst und ungewollt verbreiten, und zwar bei einer Vielzahl von Aktivitäten in der freien Natur: beim Wandern, Jagen oder bei Waldarbeiten. Die Sporen können nämlich an unseren Schuhen haften, wenn Bodenmaterial daran hängen bleibt und dann in andere Gebiete weitergetragen wird. Auch im Profil von Fahrradreifen könnte auf diese Weise der Pilz verschleppt werden. Sie appelliert darum insbesondere an Wanderer und Touristen, auf Hygiene zu achten: „Jeder sollte seine Schuhe nach dem Wandern ordentlich reinigen, vor allem bevor man in ein anderes Gebiet reist.“ Das gelte natürlich auch für Wissenschaftler: „Wir desinfizieren unsere Schuhe mit einem Fungizid oder mit Brennspiritus“, erklärt Preißler.

Die Mithilfe aller Besucher des Nationalparks ist gefragt

Zwar kann man einzelne erkrankten Tiere mittels einer Wärmebehandlung sehr gut heilen, doch ist dies keine Methode, die man auf ein ganzes Vorkommen in freier Wildbahn anwenden kann, besonders weil die Sporen weiter im Lebensraum vorhanden sind. Deshalb komme es besonders darauf an, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern: „Das beste Mittel gegen Bsal ist die Prävention, das heißt, die Risikominimierung, dass der Erreger in den Lebensraum gelangt“, schreibt sie. „Doch in einem von Touristen stark frequentierten Gebiet wie dem Harz ist die Mithilfe aller gefragt. Jeder Tourist, der sich im Wald bewegt, ob zu Fuß, zu Rad oder mit dem Auto, sollte alle Materialien, die mit dem Waldboden oder Bächen in Berührung gekommen sind (Schuhe, Reifen, etc.), gründlich säubern, bevor er weitere Gebiete aufsucht.“ Darüber hinaus können Wanderer und Besucher des Nationalparks einen Beitrag zu Erforschung der Krankheit leisten, wenn sie auf kranke oder tote Feuersalamander achten und derartige Funde melden. „Bürger sind unverzichtbare Helfer im Kampf gegen den Chytridpilz und sollten ermutigt werden, achtsam durch die Natur zu gehen.“

Feuersalamander im Nationalpark Harz
Feuersalamander im Nationalpark Harz © Wilfried Störmer

Die Krankheit äußert sich in Läsionen (Verletzungen) und Geschwüren der Haut, weshalb sie auch als Salamanderpest bezeichnet wird. Es treten häufig exzessive Häutungen,Trägheit und Appetitlosigkeit auf, bevor infizierte Tiere schließlich verenden. Im Fall des Feuersalamanders zeigt sich eine außerordentlich hohe Anfälligkeit und Sterblichkeit, die durch einen besonders schnellen Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist. Die Individuen sterben oftmals binnen ein bis zwei Wochen nach Infektion mit dem Erreger. Zurzeit werde fieberhaft nach Möglichkeiten gesucht, den Feuersalamandern zu helfen. „Allerdings existiert aktuell keine praktisch anwendbare Strategie/Methode, um infizierte Populationen zu behandeln und die Ausbreitung des Pilzes so zu verringern bzw. zu stoppen.“ Die Wissenschaftler stellen sich deshalb sogar bereits auf die schlimmste denkbare Folge ein: Das Aussterben der Feuersalamander in freier Wildbahn. Denn wo der Pilz bislang aufgetaucht ist, hat er zumeist in kurzer Zeit das gesamte Salamandervorkommen ausgelöscht. Das sei jedesmal ein unersetzlicher Verlust, sagt die Amphibien-Expertin: „Wir verlieren damit genetische Vielfalt und Anpassung.“

Idee: Eine „Salamander-Arche“ als Schutz vor dem Aussterben

Eine Überlegung, die Art zumindest am Leben zu erhalten, ist deshalb eine „Salamander-Arche“: In Terrarien könnten die Amphibien von zoologischen Einrichtungen gehalten und dann zukünftig vielleicht wieder ausgewildert werden. Doch das ist ein fast utopisch anmutendes Vorhaben, das laut Preißler extrem hohe Standards etwa bei der Biosicherheit erfordere -- und es ist wohl auch eher ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Die Tiere müssten möglicherweise über Jahrzehnte in Gefangenschaft gezüchtet werden. Gleichwohl laufen erste grundsätzliche Vorbereitungen für ein solches Rettungsprojekt, schildert Preißler. Und für andere bedrohte Amphibienarten wird derartiges bereits praktiziert, etwa durch die internationale Naturschutzorganisation „Frogs and Friends“, berichtet sie.

Der erste Schritt für eine Salamander-Arche ist eine genetische Bestandsaufnahme der Salamandervorkommen in Deutschland. Hierfür wurden auch einige Populationen des Harzes untersucht. Die Untersuchung der Genstrukturen der Salamandervorkommen in Deutschland ist Thema von Preißers Doktorarbeit. Drei genetische Gruppen konnte sie dabei identifizieren. Die Salamander im Harz bilden ein Bindeglied zwischen zwischen der westlichen und der nordöstlichen Gruppe.

Für ein Arche-Projekt müsste man auf eine große genetische Vielfalt achten, sagt sie. „Salamander sind in Deutschland weit verbreitet. Man könnte nicht alle Vorkommen künstlich erhalten.“

Feuersalamander am Waldboden.
Feuersalamander am Waldboden. © Privat | Gisela Ahrens

Der typische Lebensraum der Feuersalamander besteht aus feuchten, quellbachdurchzogenen Laubmischwäldern, welche genügend Versteckmöglichkeiten (Totholz, Steine) für die Tiere bieten. Der Nationalpark Harz stellt einen idealen Lebensraum für die Salamander dar. Wie bei allen Amphibien hängt die Aktivität u.a. stark von den Wetterbedingungen ab. In kalten Wintermonaten verweilen Feuersalamander in ihren Winterquartieren (Höhlen, Stollen, etc.) und werden erst mit steigenden Temperaturen und Niederschlagsmengen aktiv. Gut beobachten lassen sich Feuersalamander vor allem in feuchten Nächten im Frühjahr und Herbst.

Feuersalamander weisen bei ihrer Fortpflanzung eine Besonderheit auf, die sogenannte Larviparie, d.h. das Absetzen lebender Larven durch das Weibchen. Die Ablage der entwickelten Larven erfolgt vornehmlich in strukturierten, fischfreien Bächen.

Charakteristisches Kennzeichen ist die auffällige, individuelle schwarz-gelbe Körperfärbung. Die Tiere produzieren ein Giftsekret, welches ihnen als Schutz vor Hautinfektionen dient und gleichzeitig Fressfeinde abschreckt. Das Sekret, hauptsächlich bestehend aus Alkaloiden, Peptiden und Sterolen, kann bei Gefahr durch Muskelkontraktionen aus Giftdrüsen, welche sich beidseitig am Kopf sowie entlang der Wirbelsäule befinden, abgesondert werden und tödlich auf kleinere Säugetiere wie etwa Hunde wirken. Feuersalamander verfügen dementsprechend über wenige natürliche Feinde.

Der Feuersalamander ist eine besonders geschützte Art. Wenngleich er bundesweit als noch ungefährdet eingestuft wird, steht er in mehreren Bundesländern auf der Roten Liste als gefährdet (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt,Thüringen), stark gefährdet (Hessen, Sachsen) oder ausgestorben (Hamburg).

In den vergangene Jahren haben sich schnell ausbreitende invasive Krankheitserreger zu einer dramatischen und zum Teil unkontrollierbaren Gefahr für Amphibien allgemein und auch den Feuersalamander im Speziellen entwickelt. Die Chytridpilze Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) und der erst kürzlich entdeckte B. salamandrivorans (Bsal) haben das gefährliche Potenzial, im globalen Maßstab Amphibienarten zum Aussterben zu bringen; teilweise ist dies bereits geschehen. Es wird vermutet, dass Bsal aus Asien stammt und in Europa über den Tierhandel mit exotischen Amphibien unbemerkt eingeschleppt wurde.