Göttingen. Der Göttinger Insektenforscher Professor Rainer Willmann sieht dringenden Handlungsbedarf.

Aussterben werden die Insekten zwar nicht, das Insektensterben ist aber in vollem Gang und kann zu dramatischen Auswirkungen auf Mensch und Natur führen. Das meint der Göttinger Insektenforscher Prof. Rainer Willmann, der weitere Anstrengungen für den Naturschutz und eine ökologische Wende in der Landwirtschaft anmahnt. Mit dem Rückgang der Insektenvielfalt befasst sich auch die vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebene aktuelle Schwerpunktausgabe der Fachzeitschrift „Natur und Landschaft“.

„Den negativen Entwicklungen muss endlich mit konkretem Handeln begegnet werden – auch wenn die Datenlage weiter verbessert werden kann“, sagt BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. Als Hauptursache für das Artensterben sieht Willmann, der bis 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie gewesen ist, die Industrialisierung der Landwirtschaft mit homogenen Wirtschaftsflächen, Monokulturen, Überdüngung und zu häufiger Mahd von Wiesen. Ackerbegleitkräuter würden fehlen, Hecken und Randstreifen seien oft zu schmal und dem Einsatz von Pestiziden ausgesetzt. „Deren Wirkung ist selbstverständlich verheerend“, widerspricht Willmann Aussagen des Göttinger Agrarwissenschaftlers Prof. Andreas von Tiedemann: „Das Aussterben von Insektenarten hat weltweit unfassbare Dimensionen angenommen.“ Herbizide seien keine Pflanzenschutzmittel, sondern würden Pflanzen abtöten und nur wenige Arten übrig lassen, Insektizide keineswegs nur die Schädlinge in einer Kultur umbringen. Wie auch der Göttinger Agrarökologe Prof. Teja Tscharnke verweist Willmann auf die Wahrscheinlichkeit subletaler bis tödlicher Effekte. Verhaltensstörungen durch lange im Boden bleibende wasserlösliche Neo­nicotinoide seien nachgewiesen, die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern werde erhöht.