Göttingen. Der Medizinprodukte-Hersteller Medtronic ruft Herzschrittmacher zurück, die zwischen März 2017 und Januar 2019 implantiert worden sind.

Der Medizinprodukte-Hersteller Medtronic ruft Herzschrittmacher zurück, die zwischen März 2017 und Januar 2019 implantiert worden sind. Betroffen sind auch Hunderte Patienten der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Evangelischen Krankenhauses Göttingen-Weende (EKW).

Bei den betroffenen Herzschrittmachern kann es zu einem Fehler im Schaltkreis kommen, der dazu führt, dass das Gerät erst wieder arbeitet, bis es eine Herzaktion des Patienten wahrgenommen hat. Bisher sind bei weltweit etwa 155.000 implantierten betroffenen Herzschrittmachern bei zwei Patienten Probleme aufgetreten, die aber nicht lebensbedrohlich waren. Eine Fehlfunktion ist zudem nur bei bestimmten Patienten und nur unter bestimmten Bedingungen möglich.

Patienten, egal ob betroffen oder nicht, werden per Post informiert

„Vor diesem Hintergrund schätzen wir das Risiko für den einzelnen Patienten als niedrig ein“, sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda, Chefarzt der Abteilung Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am EKW. Etwa 200 Patienten wurden in dem betreffenden Zeitraum im EKW mit einem Zweikammer-Herzschrittmacher der Firma Medtronic versorgt.

„Bei etwa 20 Patienten lässt sich nach Aktenlage nicht sicher ausschließen, dass eine Umprogrammierung des Schrittmachers notwendig sein wird. Diese Patienten werden nächste Woche einbestellt“, berichtet Schmidt-Schweda, der bereits Anfragen von Patienten erhalten hat und versichert: „Die Patienten, egal ob betroffen oder nicht, werden von uns per Post benachrichtigt.“

EKW-Chefarzt für bundesweites Implantatregister

Als akute Problemlösung sieht der Mediziner eine Umprogrammierung, bis ein Software-Update zur Verfügung stehe. „In seltenen Fällen, in denen der Patient mit dem programmierten Modus nicht zurechtkommt, müssen wir ein neues Aggregat einsetzen“, sagt Schmidt-Schweda, der die Tatsache, dass bereits Probleme bei zwei von 155.000 Patienten zu einer Überprüfung und Rückrufaktion geführt haben, zeige, dass bei den Herstellerfirmen ein hohes Risikobewusstsein vorhanden sei.

Der EKW-Chefarzt spricht sich für das im Zusammenhang mit dieser Rückrufaktion geforderte bundesweite Implantatregister aus. „Es könnte die Identifikation und Information der Patienten erleichtern. In der konkreten Situation wäre es aber nicht hilfreich für die Identifikation der wenigen Patienten, bei denen tatsächlich Handlungsbedarf besteht.“

Auch Patienten der Universitätsmedizin Göttingen betroffen

„An der Universitätsmedizin Göttingen wurden aus den Angaben des Herstellers zu den Seriennummern der Herzschrittmacher für den Zeitraum März 2017 bis Januar 2019 230 betroffene Patienten identifiziert“, erklärt UMG-Sprecher Stefan Weller auf Anfrage. Prof. Markus Zabel, Leiter des Schwerpunkts Klinische Elektrophysiologie in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, sieht für die betroffenen Herzschrittmacherpatienten nicht die Gefahr akut lebensbedrohlicher Konsequenzen.

„Dennoch müssen sicherheitshalber alle Patienten mit diesen speziellen Schrittmachern kontrolliert werden“, sagt Zabel. „Es ist wichtig, dass die Patienten auf ihre Herzschrittmacher vertrauen können.“

Zabel: Keine akut lebensbedrohlichen Konsequenzen

Die UMG habe „alle notwendigen Schritte eingeleitet: Alle betroffenen Patienten werden zurzeit von der zuständigen Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG mit Einschreibebrief angeschrieben“, sagt Weller. Bislang habe es etwa 30 Anfragen von Patienten gegeben. „Die UMG empfiehlt den betroffenen Patienten, ihren zuständigen Kardiologen aufzusuchen, und informiert sie über das vorgesehene Software-Update der Firma. Zudem bietet sie den betroffenen Patienten Termine zur Überprüfung ihres Herzschrittmachers sowie eine ausführliche Beratung und Umprogrammierung des Gerätes an“, so Weller.

Notwendigkeit einer Operation eher unwahrscheinlich

Zabel geht davon aus, dass, sobald ein Software-Update verfügbar ist, „in den meisten Fällen eine Umprogrammierung und/oder eine weitere Kontrolle ausreichend sein wird. Die Notwendigkeit einer Operation erscheint eher unwahrscheinlich und wird – wenn überhaupt – nur in ganz wenigen Fällen erforderlich sein.“

Aus Sicht der Klinik für Kardiologie sei die aktuelle Rückrufaktion die bislang größte in der Kardiologie, erklärt Weller. Daher unterstützten auch die Kardiologen aus der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG grundsätzlich die Einrichtung eines bundesweiten Implantatregisters. „Das aktuelle Beispiel der Rückrufaktion zeigt, dass man ein Register benötigt“, sagt UMG-Sprecher Stefan Weller .