Berlin. FDP und AfD wollen Skandal um Asyl-Entscheide im Bundestag aufklären lassen, die Grünen zögern noch.

In der Linkspartei wächst die Bereitschaft, im Bundestag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Asyl-Affäre in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zuzustimmen. „Es geht offenkundig um organisierte Kriminalität und schwerwiegenden Betrug. Diese Vorgänge müssen schleunigst aufgeklärt werden“, sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht unserer Zeitung. Innenminister Horst Seehofer (CSU) stehe in der Verantwortung, unverzüglich für Klarheit zu sorgen, „ansonsten müssen auch andere Maßnahmen diskutiert werden“.

Der Forderung der FDP, die Affäre um mutmaßlich manipulierte Asylbescheide in einem Untersuchungsausschuss aufzuklären, hat sich bisher lediglich die AfD angeschlossen; Grüne und Linke zögern. Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, müssen
25 Prozent der Bundestagsabgeordnete dafür stimmen. AfD und FDP kommen gemeinsam auf
23,3 Prozent. Die AfD will einen Ausschuss auch nutzen, um die gesamte Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den Prüfstand stellen. Der Untersuchungsausschuss solle sich mit der „Flüchtlingspolitik im weitesten Sinne“ befassen, einschließlich der Bamf-Problematik, sagte die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch der „Welt am Sonntag“. Der aktuelle Skandal um massenhaft unrechtmäßige Asylbescheide in der Bremer Außenstelle lasse sich nicht isoliert betrachten. Weil dies „im Zusammenhang mit der Massenmigration und dem Flüchtlingsdesaster seit 2014“ ständen, dürfe es nicht „um Bauernopfer“ gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass andere Fraktionen den AfD-Schwerpunkt unterstützen, ist gering.

Auslöser für die Rufe nach Aufklärung sind die Vorgänge in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Dort sollen Mitarbeiter nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt haben. Auch aus anderen Bundesländern sind Verdachtsfälle bekannt geworden. Wie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus internen E-Mails hervorgeht, hatte ein Asyl-Entscheider der Bamf-Außenstelle im rheinland-pfälzischen Bingen bereits vor Monaten bei Vorgesetzten in Nürnberg Alarm geschlagen, weil ihm die stark vom Bundesdurchschnitt abweichenden Schutzquoten für einige Nationalitäten auffällig erschienen.

Den Aufzeichnungen zufolge erhielten in Bingen zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres 97 Prozent der Iraner Flüchtlingsschutz oder eine Asylanerkennung. 90 Prozent der Antragsteller aus Afghanistan erhielten in der einen oder anderen Form Schutz. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 lag die Gesamtschutzquote für Iraner bundesweit bei knapp 50 Prozent. Von den Antragstellern aus Afghanistan erhielten rund 44 Prozent Schutz. Innenminister Seehofer, erst seit zwei Monaten im Amt, will den Bamf-Skandal zügig aufarbeiten.

Seehofer hat aber auch auf einer anderen Baustelle Scherereien. So gibt es unverändert erhebliche Widerstände gegen die von ihm vorangetriebenen sogenannten Ankerzentren. Jeweils tausende Asylbewerber sollen darin zentral untergebracht werden, bis ihr Asylverfahren entschieden ist – und bei Ablehnung des Antrags sollen von dort gleich die Abschiebungen eingeleitet werden . Seehofer will bis September bundesweit bis zu sechs Zentren eröffnen.

Neben zahlreichen, vor allem SPD-geführten Ländern warnen mehr als 20 Familien- und Flüchtlingsverbände vor den Ankerzentren. Sie halten die geplanten Einrichtungen für ungeeignet, gerade für Kinder und Familien. Seehofer ficht der Widerstand nicht an. „Die Gespräche mit den Bundesländern zeigen, dass es durchaus die Bereitschaft gibt, sich an den Piloten zu beteiligen und die Ankerzentren so auch mitzugestalten“, sagt der CSU-Vorsitzende der „Bild am Sonntag“. „Das wird auch die Zweifler überzeugen.“