Berlin. Nach CDU und CSU legt sich die SPD bei ihrem Personal für das Kabinett fest. Wird Hubertus Heil neuer Arbeitsminister?

Glückliche sozialdemokratische Frauen am Weltfrauentag. Das Ballhaus Rixdorf in BerlinNeukölln platzt aus allen Nähten. Die Frauen in der SPD haben zum Empfang geladen. Und ganz nebenbei, so will es die vor Wochen festgelegte Regie, gibt es plötzlich einen aufsteigenden Stern am Himmel der Sozialdemokratie zu sehen. Franziska Giffey, die mit 39 Jahren von der Bezirksbürgermeisterin des Problemkiez Neukölln zur neuen Bundesfamilienministerin aufsteigt, fällt Nahles in die Arme. Daneben steht Katarina Barley und strahlt. Die bisherige Familienministerin wird in der Großen Koalition ihre rasante Karriere fortsetzen – entweder als Arbeits- oder als Justizministerin.

Aber trotz der demonstrativ guten Laune auf der Bühne im Ballhaus Rixdorf, wirklich rund ist die Personalfindung unter Nahles’ Federführung nicht gelaufen. Während die designierte Parteivorsitzende über die Fortschritte in der Frauenpolitik referiert, laufen bei anderen Spitzengenossen am Donnerstagabend noch die Telefone heiß.

Am Freitagmorgen wollen Nahles und ihr Vizekanzler Olaf Scholz den Parteigremien die fertige Ministerliste vorstellen. Vergleichsweise einfach waren diese Stellen zu besetzen: Scholz wird Finanzminister und Vizekanzler. Er wird in der Bundesregierung das sozialdemokratische Kraftzentrum und die Arbeit der sechs SPD-Ministerien koordinieren. Bereits am übernächsten Wochenende bricht Scholz zu seiner ersten großen Auslandsreise auf. Beim G20-Finanzministertreffen im argentinischen Buenos Aires wird es vor allem um einen drohenden Handelskrieg gehen, den US-Präsident Donald Trump mit Strafzöllen auf Stahl und Autos vom Zaun brechen will.

Die zweite Top-Personalie zeichnete sich seit einigen Tagen immer klarer ab. Der bisherige Justizminister Heiko Maas beerbt Sigmar Gabriel als Außenminister. Über den stets adrett gekleideten Triathleten aus dem Saarland heißt es in der SPD, die Position des Chefdiplomaten sei durchaus „maasgeschneidert“ für ihn.

Maas war seit 2013 ein fleißiger Minister mit guter Werbung in eigener Sache. Sein Internet-Gesetz gegen Hasskommentare aber gilt als handwerklich schlecht gemacht und ist hoch umstritten. Als Chefdiplomat dürfte der Saarländer aber eine ordentliche Besetzung sein. Zwischenzeitlich hatte sich auch Katarina Barley Hoffnungen gemacht, als erste Außenministerin Deutschland in der Welt vertreten zu dürfen. Doch dann wäre die sehr selbstbewusste Rheinland-Pfälzerin womöglich aus Nahles’ Sicht zu populär geworden.

Doch zwei Teile im SPD-Ministerpuzzle waren bis zuletzt offen. Wer wird Justizminister als Gegenspieler von CSU-Heimatminister und Sicherheitssheriff Horst Seehofer? Dafür waren Barley, Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius im Gespräch. Und wer führt das gewaltige Arbeits- und Sozialministerium mit einem Budget von 130 Milliarden Euro? Auch hier war die selbst ernannte „Universalwaffe“ Barley im Rennen. Chancen wurden daneben dem niedersächsischen Ex-Generalsekretär Hubertus Heil, dem Vorsitzenden des SPD-Bezirks Braunschweig, zugeschrieben. Heil ist zwar noch keine 50, aber gefühlt schon immer dabei. Der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitiker wähnte sich schon oft in einem Kabinett – am Ende ging er immer leer aus. Zuletzt war er beim Posten des Fraktionsmanagers ausgebootet worden. Vielleicht belohnt jetzt Nahles die Treue des „Parteisoldaten“ Heil.

Svenja Schulze galt in NRW als überfordert

Eigentlich wollte die SPD nach dem Vorbild der Kanzlerin die Kabinettsliste bis zum Schluss geheim halten. Doch anders als die Union ist die SPD ein sehr geschwätziger Laden. So durften am Donnerstag erst einmal jene sich öffentlich zu Wort melden, die rausfliegen. Sigmar Gabriel beendete mit einer persönlichen Erklärung über Twitter und Facebook seine schillernde Karriere. Kurz danach meldete sich Umweltministerin Barbara Hendricks ab. Besonders um ihre Nachfolge wurde in der SPD erbittert gerungen.

So wollte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil den niedersächsischen Umweltpolitiker Matthias Miersch unbedingt zum Bundesumweltminister machen. Miersch, einflussreicher Anführer des linken SPD-Flügels im Bundestag, kennt sich in der Atompolitik aus. Dort muss die neue Bundesregierung die Suche nach einem Endlager starten, ein Thema, das in Niedersachsen aufgrund der leidvollen Erfahrung mit strahlendem Atommüll in Gorleben, Asse und Schacht Konrad unter den Nägeln brennt.

Doch Nordrhein-Westfalen stellte sich quer. So dürfte nicht Miersch, sondern die frühere NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze Hendricks in Berlin ersetzen. Dabei galt Schulze in ihrer Düsseldorfer Ministerzeit regelmäßig als überfordert. Sie hatte Riesenärger wegen der Hochschulreform. Ihre Kommunikation bei den angeblich verschwundenen Brennelemente-Kugeln im Versuchsreaktor Jülich war pannenreich. Dem Vernehmen nach soll die im Vorjahr abgewählte Landesmutter Hannelore Kraft davon abgeraten haben, Schulze zur Bundesministerin zu machen. Kraft setzte sich für die frühere Landesfamilienministerin Christina Kampmann ein. Nahles aber will Schulze, die sie aus Juso-Zeiten gut kennt.

Härte zeigte Nahles im heiklen Fall Gabriel. Ihren langjährigen Rivalen, der als Außenminister ungemein populär wurde, schickt sie in die Rente. Das ist eine Zäsur für die SPD – und Nahles signalisiert ihrer nach dem Ja zur Groko gespaltenen Partei, dass sie hart führen kann.

Beim „Frauensalon“ in Neukölln erzählt Nahles, wie in ihrer Eifel zwei Genossen sie zum Start ihrer SPD-Karriere wegmobben wollten. Damals habe ihr eine Frauenrunde im Unterbezirk geholfen: „Ich weiß genau, ohne Bestärkung der Frauenrunde hätte ich damals hingeschmissen“, sagt Nahles. Dem überwiegend weiblichen Berliner Publikum erzählt sie, dass daheim in der Eifel die Frauen immer die Hosen angehabt hätten, ohne Feministinnen zu sein. „Das hat mich geprägt.“ Die Kerle hätten nicht viel zu melden, „die hacken Holz und machen Sport“. Am 22. April will Nahles als erste Frau in 154 Jahren die SPD-Führung übernehmen. Sie habe sich einen kooperativen Führungsstil vorgenommen – eine klare Absage an die Basta-Politik der Ära Gabriel.