Washington. US-Regierung erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an und will ihre Botschaft in die Heilige Stadt verlegen.

Gegen massive internationale Warnungen und Kritik hat US-Präsident Donald Trump in der Nahostpolitik neue Saiten aufgezogen. Er hat in einer historischen Rede Jerusalem als Hauptstadt Israels offiziell anerkannt. Zudem soll die amerikanische Botschaft ab Sommer 2018 in einem Prozess von mehreren Jahren von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden. Die Vorbereitungen dafür sollen sofort beginnen.

Die Entscheidung, die Trump am Mittwoch im Weißen Haus erläuterte, sei kein Abschied von einer Zweistaatenlösung. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um eine Friedenslösung zu ermöglichen, die für Israelis und Palästinenser annehmbar ist“, sagte Trump. Dennoch birgt die Kehrtwende großen politischen Sprengstoff. Sie könnte den stockenden Friedensprozess zwischen Israel und Palästinensern, die gleichermaßen Jerusalem für sich beanspruchen, nachhaltig zurückwerfen.

Was hat Trump gesagt?

Es sei Zeit, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen. Dass Vorgängerregierungen dies verzögert hätten, habe den Friedensbemühungen nicht gedient. Amerika versuche mit seiner Entscheidung einen neuen Ansatz im Nahostkonflikt. Er sei sich bewusst darüber, dass seine Entscheidung auch auf Ablehnung treffe. Jerusalem müsse ein heiliger Ort für die drei Weltreligionen Islam, Christentum und Judentum bleiben. Mit seiner Entscheidung sei keine Festlegung auf den Ausgang von Friedensverhandlungen verbunden, inklusive Fragen der Grenzziehung. Amerika stehe als Unterstützer einer Zweistaatenlösung weiter zur Verfügung, wenn die beiden Parteien dies wollten. Er rufe dazu auf, dass nun die besonnenen Stimmen die Oberhand behalten anstatt solche, die Hass propagieren. Zur Unterstützung werde er in den nächsten Tagen Vize-Präsident Mike Pence zu Gesprächen in den Nahen Osten schicken.

Was treibt Trump an?

Der US-Präsident will ein oft gegebenes, hochkontroverses Wahlkampfversprechen einlösen. Das zielte weniger auf die weiße Arbeiterschicht als vielmehr auf tiefgläubige, evangelikale Wählerschichten, für die Jerusalem eine besondere Bedeutung hat. Zweiter Adressat: die starke jüdische Gemeinde in den USA. Jüdische Geldgeber haben über „Super-Pacs“, Wahlhelfervereine, zweistellige Millionenbeträge in Trumps Wahlkampf gesteckt. Es gilt als Gewissheit, dass Trumps Schwiegersohn Jared Kushner eine zentrale Rolle bei der Entscheidung gespielt hat. Der orthodoxe Jude Kushner hat die Sonderaufgabe, im Nahen Osten eine Friedenslösung vorzubereiten, die Israel und Palästinenser zufriedenstellt. Der vom Schwiegervater einseitig angekündigte Botschaftsumzug könne nicht Teil einer Verhandlungslösung mit den Palästinensern sein und laufe damit Kushners Mission „de facto entgegen“, schreiben US-Kommentatoren. Das sehen zwei wichtige Satelliten in Trumps Orbit
anders. Sein früherer Berater Steve Bannon sowie der erzkonservative US-Botschafter in Israel, David Friedman, drängen Trump seit Monaten, er müsse gegenüber dem Verbündeten Israel Wort halten.

Warum ist der Schritt so ungewöhnlich?

Bisher befindet sich die diplomatische Vertretung der Supermacht Amerika – wie aller anderen Staaten – in Tel Aviv. Obwohl der US-Kongress 1995 den „Embassy Act“ verabschiedet hatte. Der besagt, dass bis zum 31. Mai 1999 Jerusalem der Schwerpunkt der diplomatischen Aktivitäten Amerikas sein muss. Geschehen ist gleichwohl nie etwas. Alle vorherigen Präsidenten von Clinton über Bush jr. bis Obama haben von ihrem Sonderrecht Gebrauch gemacht und den Umzug immer wieder verschoben.

Wie reagieren der Nahe Osten und die arabische Welt?

Die radikalislamische Hamas-Bewegung drohte mit einem erneuten Aufstand (Intifada) in den Palästinensergebieten. Mehrere palästinensische Gruppierungen riefen zu „Tagen des Zorns“ auf. In der Nähe von Bethlehem kam es zu einer Konfrontation zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. In Gaza zündeten am Mittwoch Hunderte Demonstranten Trump-Bilder und US-Flaggen an. Die Arabische Liga befürchtet „Fanatismus und Gewalt“. „Tief besorgt“ äußerte sich auch der wichtigste US-Verbündete in der arabischen Welt:
Saudi-Arabiens König Salman bin Abdul Aziz sagte, Trumps Schritt sei eine „eklatante Provokation für Muslime weltweit“.

Warum ist Jerusalem ein so sensibler Ort?

Drei Weltreligionen – Juden, Christen und Muslimen – ist die Stadt gleichermaßen heilig. Der Tempelberg in der Altstadt ist für Juden und Muslimen von höchster Bedeutung. Nach dem Islam ritt Prophet Mohammed von dort aus in den Himmel. An dieser Stelle steht der berühmte Felsendom mit goldener Kuppel. Daneben liegt die Al-Aksa-Moschee, drittwichtigstes islamisches Heiligtum. Für die Juden ist der Ort ebenfalls hochemotional aufgeladen.

Gibt es andere Lösungsvorschläge für den Konflikt?

Die Vereinten Nationen wollten Jerusalem nach dem Ende des britischen Mandats 1947 unter internationale Verwaltung stellen. Im ersten Nahostkrieg 1948 annektierten die Jordanier Ost-Jerusalem. Im Sechstagekrieg 1967 eroberten israelische Soldaten das arabische Stadtgebiet zurück. Damit war die Stadt de facto geteilt. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem unverändert als Hauptstadt eines unabhängigen Staates ausrufen. Israel beansprucht die ganze Stadt für sich. Konsequenz: International wird Jerusalem nicht als Hauptstadt anerkannt.

Wie reagiert Israel auf Trump?

Regierungschef Benjamin Netanjahu rühmt sich nach dem Wechsel Obama/Trump eines hervorragenden Verhältnisses zum Weißen Haus. „Die US-Unterstützung für Israel ist sehr stark, die Kurve steigt immer weiter an“, sagte er jetzt. Sein Erziehungsminister wird konkreter. „Jerusalem war und wird immer die ewige jüdische Hauptstadt bleiben“, so Naftali Bennett.