Washington. Wegen Verleumdung seines Vergewaltigungsopfers muss Trump 83 Millionen Dollar zahlen. Er wird nicht die eigene Brieftasche zücken.

Für seine fortgesetzte Verleumdung der von ihm gerichtsaktenkundig sexuell missbrauchten Journalistin E. Jean Carroll muss Donald Trump nun noch viel tiefer in die Tasche greifen.

Nach der Fünf-Millionen-Dollar-Strafe im vergangenen Mai sprach eine Geschworenen-Jury in New York der 80-jährigen am Freitag weitere 83 Millionen Dollar zu.

Die sieben Männer und zwei Frauen folgten damit dem Schluss-Plädoyer von Shawn Crowley und Roberta Kaplan. Die Anwältinnen Carrolls hatten sich in der Verhandlung den Mund darüber fusselig geredet, dass der Ex-Präsident trotz aller Appelle und Ermahnungen des Gerichts seine rufschädigenden Attacken gegen die frühere „Elle“-Kolumnistin unvermindert fortsetzt – und dass dem nur durch einen schmerzhaften Griff an sein Portemonnaie endlich Einhalt geboten werden könne.

Trumps Anwältin Alina Habba drang mit ihrem „Spin“, nach dem Carroll eine böswillig erfundene Geschichte benutzt habe, um Geld und Aufmerksamkeit zu erhalten, nicht durch. Selbst während des Prozesses ließ Trump über sein Kommunikations-Portal Truth Social herabwürdigende Bemerkungen über Caroll fallen.

Trumps Anwältin Alina Habba warf Frau Carroll vor, aus Gier nach Geld und Aufmerksamkeit eine Lügengeschichte erfunden zu haben
Trumps Anwältin Alina Habba warf Frau Carroll vor, aus Gier nach Geld und Aufmerksamkeit eine Lügengeschichte erfunden zu haben © AFP | Charly Triballeau

Allein darum forderten die Verteidigerinnen neben 24 Millionen Dollar Entschädigung zur Wiederherstellung der gerade durch soziale Medien wie X (früher Twitter) zerrütteten Reputation der 80-Jährigen, die als geldgierige Lügnerin dargestellt wird und sogar Todesdrohungen erhält, einen nicht näher bezifferten „Strafzuschlag“. Diese Forderung erfüllte die Jury mit 65 Millionen Dollar. Sie soll den Ex-Präsidenten ein für alle Mal von weiteren Attacken abhalten.

Donald Trump kann nicht verlieren. Donald Trump akzeptiert keine Autorität

Das wird, wer den 77-Jährigen seit Jahren beobachtet, weiß das, ein frommer Wunsch bleiben. Donald Trump kann nicht verlieren. Donald Trump akzeptiert keine Autorität. Donald Trump steht nach eigenem Empfinden über dem Gesetz, ist prinzipiell immer unschuldig und lässt sich von nichts und niemandem stoppen.

Richter Lewis Kaplan ließ sich von Trump nicht provozieren. Er drohte dem Ex-Präsidenten mit Rauswurf.
Richter Lewis Kaplan ließ sich von Trump nicht provozieren. Er drohte dem Ex-Präsidenten mit Rauswurf. © JEFFERSON SIEGEL/The NewYorkTimes/Redux/laif | JEFFERSON SIEGEL/The NewYorkTime

Für ihn, dass zeigten seine flegelhaften Visiten im Carroll-Prozess, sind Gerichtssäle am Ende auch nur Bühnen, auf denen er seinen Geltungsdrang auslebt. (Am Freitag verließ er mitten in den Verhandlung ohne Rücksprache mit dem Richter vorübergehend den Saal). Für Trump sind Regeln und Konventionen, etwa die, dass man als Beschuldigter nicht regelmäßig dazwischen nörgelt, den Kopf schüttelt und Ankläger wie Richter verunglimpft, nur dazu da, um übertreten zu werden.

Mehrfach versuchte Trump den erfahrenen Lewis Kaplan, nicht verwandt mit der Anwältin Carrolls, so zu provozieren, dass der Richter ihn nicht nur maßregelt („Mäßigen Sie Ihre Stimme“), sondern des Saales verweist. Oder, noch spektakulärer, sogar temporär in Haft steckt. Die Gesetze lassen das zu. Und es darf als gesichert gelten, dass Otto Normalangeklagten niemals mit so viel Langmut begegnet worden wäre wie bei Trump.

Trump wird bei seinen Anhängern um Spenden betteln, um die Strafe zu bezahlen

Richter Kaplan, der nie verbarg, was er von den unverschämten Allüren des Milliardärs und der juristisch erschreckend unterphilosophierten Strategie seiner Verteidigerin Alina Habba hält, tat Trump diesen Gefallen nicht.

Der Ex-Präsident hätte umgehend seine Anhänger alarmiert und sich als Opfer einer schlimmen Gesinnungsjustiz geriert. So bleibt es dabei, dass Trump seine Fans „nur“ mit den einschlägigen Spenden-Aufrufen behelligen wird. Der trotz aller wirtschaftliche Misserfolge reiche Mann denkt gar nicht daran, die ihm auferlegten Strafen selber zu bezahlen.

Sie wird voraussichtlich im Frühjahr im Prozess um Trumps Versuche, die Wahl von 2020 nachträglich zu manipulieren, mit dem Ex-Präsidenten zu tun haben: Bundesrichterin Tanya Chutkan.
Sie wird voraussichtlich im Frühjahr im Prozess um Trumps Versuche, die Wahl von 2020 nachträglich zu manipulieren, mit dem Ex-Präsidenten zu tun haben: Bundesrichterin Tanya Chutkan. © HAIYUN JIANG/The NewYorkTimes/Redux/laif | HAIYUN JIANG/The NewYorkTimes/Re

Schon gar nicht wird Trump aufhören, den von einer Geschworenen-Jury attestierten sexuellen Missbrauch Carrolls, als Lügengeschichte zu qualifizieren. Er kann nicht anders.

Für die anstehenden und in der Sache viel schwerer wiegenden Strafverfahren wegen der Zahlung von Schweigegeld an einen Porno-Star, Hinterziehung von Staatsgeheimnissen und versuchter Manipulation der Präsidentschaftswahl 2020, hat Trumps Aufführung im Gerichtssaal jedoch wichtige Erkenntnisse geliefert.

Will die Justiz nicht zum Zirkus verkommen, muss sie den unberechenbaren Egomanen an der ganz kurzen Leine halten. Trump nutzt jede ihm sich bietende Gelegenheit für Ablenkung, Desinformation und Störmanöver. Erst ein langes Wochenende in Beuge-Haft könnte Donald Trump vielleicht zur Räson bringen. Aber auch das ist nicht gesichert.