Berlin. Bundesverkehrsminister Wissing hat sich vehement gegen Fahrtauglichkeitstest für Senioren positioniert. Was stattdessen denkbar ist.

Angesichts der neu entfachten Debatte um verpflichtende Fahrtauglichkeitstest für Senioren hat der Sozialverband Deutschland (SoVD) den zügigen Ausbau des barrierefreien, verlässlichen und kostengünstigen ÖPNV vor allem in ländlichen Regionen gefordert. „Nur so kann gewährleistet werden, dass gerade Ältere auch die Möglichkeit haben, beim Auftreten von Einschränkungen ohne Zwang den Führerschein abzugeben und auf andere Verkehrsmittel umzusteigen“, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier unserer Redaktion.

Eine gesetzlich verpflichtende Fahrtauglichkeitsprüfung allein am Alter festzumachen, hält Engelmeier für diskriminierend. Dies sage wenig über die körperliche und psychologische Fahreignung aus. Gesundheitliche Einschränkungen, die die Fahrtauglichkeit einschränken, könnten auch Jüngere betreffen, so die SoVD-Chefin weiter.

ADAC nimmt ältere Autofahrer in Schutz

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte sich Anfang der Woche gegen verpflichtende Tauglichkeitsprüfungen für Autofahrer über 70 ausgesprochen und damit gleichzeitig auch Pläne der EU abgelehnt. Wissing verwies auch auf die Unfallstatistik. Bei schweren Unfällen sei keine signifikant hohe Beteiligung von Senioren zu verzeichnen, so der Minister.

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Unterstützung dafür gab es am Donnerstag auch vom Allgemeinen Deutsche Automobil-Club (ADAC). „Gerade ältere Verkehrsteilnehmende zeichnen sich in der Regel durch einen situationsangepassten Fahrstil sowie vorausschauendes Fahren aus. Riskante Manöver meiden sie“, sagte eine ADAC-Sprecherin dieser Redaktion. Aus Sicht des ADAC sei es aber wichtig, dass alle Personen, die am Straßenverkehr teilnehmen, ihre Fahrfähigkeiten regelmäßig und vor allem selbstkritisch hinterfragten, so die Sprecherin weiter.

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Welcher Vorschlag jetzt von der Versicherungswirtschaft kommt

Widerspruch gab es vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Volker Wissing sagt nicht die ganze Wahrheit. Unsere Statistiken zeigen, dass das Unfallrisiko für Senioren bezogen auf die Fahrleistung ähnlich hoch ist wie bei der Hochrisikogruppe der jungen Fahrer“, sagte Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer, dieser Redaktion. Der plädiert statt für Fahrtauglichkeitstest für sogenannte Rückmeldefahrten. „Bei dieser Art Fahrt würde der Senior dann gemeinsam mit einem professionellen Fahrlehrer unterwegs sein und danach ein ausführliches Gespräch zur eigenen Fahrleistung erhalten“, erklärte Brockmann. Ihm zufolge sollte das Ergebnis der Fahrt nicht mit der Führerscheinstelle geteilt werden müssen. Es gehe vielmehr um Selbsterkenntnis.

Laut Unfallforscher Brockmann sollten solche Rückmeldefahrten ab dem 75. Lebensjahr obligatorisch sein. „Die Zahlen zeigen, dass ab dem Alter kognitive Probleme zunehmen. Dafür aber braucht es eine Verordnung oder ein Gesetz. Wenn man sagt, es gäbe kein Problem, kann man aber nicht mal darüber diskutieren“, sagte er weiter.