Washington. Im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur sorgt Nikki Haley für Furore. Trump beleidigt sie – und lässt tief blicken.

Wenn Donald Trump jemanden ernst nimmt, dann beleidigt er die betreffende Person, macht sich über sie lustig und widmet ihr herabwürdigende Spitznamen. „Fleischklops Ron” (Meatball Ron) war darum über Wochen ein gängiges Etikett, das der frühere US-Präsident und unangefochtene Favorit auf die republikanische Kandidatur 2024 seinem Umfragen-Verfolger Ron DeSantis anklebte. Weil der Gouverneur von Florida von etwas gedrungener Gestalt ist und anfangs mit leichten Gewichtsproblemen zu tun hatte.

Seit der Stern von Ron DeSantis ausweislich der Meinungsforschung über den Sommer drastisch gesunken ist und seine Auftritte in bisher zwei TV-Debatten Zweifel an seinem präsidialen Format nicht ausräumen konnten, hat Trump seine Zielfernrohre neu ausgerichtet.

USA: Trump ist bei Haley sensibilisiert, da könnte was kommen

Seine Verbal-Injurien treffen jetzt seine ehemalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Die Ex-Gouverneurin von South Carolina machte nach Meinung des US-Kommentariats bei den Fernseh-Schauduellen mit ihren männlich Konkurrenten (außer Trump, der schwänzte) eine zwischen Angriffslust und Seriosität pendelnde Figur.

Der Lohn: Die als Nimarata Nikki Randhawa geborene Tochter indischer Einwanderer steigt in den Umfragen. In wichtigen Vorwahl-Bundesstaaten wie New Hampshire und South Carolina hat sie DeSantis bereits überholt. Ohne natürlich den Prozentpunkte-Ozean, der zwischen ihr und Trump liegt, zu verkleinern.

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Aber Trump ist sensibilisiert, da könnte was kommen. Darum hat er die 51-Jährige in bekannter Machomännchen-Manier just massiv angegriffen. Trump nennt sie „Spatzenhirn” und spricht ihr das „Talent” wie das „Temperament” ab, um Präsidentin zu werden. Um die Herabsetzung abzurunden, schickte Trumps Wahlkampagne Haley einen Vogelkäfig – samt Vogelfutter.

„Liebe es”, kommentierte sie die Trump-Attacken

All das weiß man, weil die Mutter zweier Kinder es selber in einer Mischung von Angewidert- und Stolzsein öffentlich gemacht hat. „Liebe es”, kommentierte sie die Attacken ihres früheren Chefs. Weil es zeige, dass ihre Kampagne gute Arbeit mache und sie Trump langsam näher rücke. Das dem Medien-Tycoon und Trump-Gegner Rupert Murdoch gehörende Boulevard-Blatt New York Post sprang Haley mit einem Kommentar zur Seite: „Je öfter republikanische Wähler Nikki Haley sehen, desto mehr wird sie gemocht”.

2018 verstanden sie sich noch prächtig: Nikki Haley, damalige amerikanische UN-Botschafterin, und der damalige Präsident Donald Trump im Weißen Haus.
2018 verstanden sie sich noch prächtig: Nikki Haley, damalige amerikanische UN-Botschafterin, und der damalige Präsident Donald Trump im Weißen Haus. © AFP | Olivier Douliery

In sozialen Medien erntete Trump für seine Angriffe Chauvinismus-Vorwürfe. Haleys Kampagnen-Strategen erklärten nach der Vogelkäfig-Lieferung, Trump sei „verzweifelt, weil er den Druck spürt”. Das scheint angesichts eines Vorsprungs von circa 40 Prozentpunkten weit hergeholt. Aber Haley hat Steher-Qualitäten.

Sollte Trump wegen seiner mannigfachen juristischen Baustellen – gerade läuft gegen ihn der erste Prozess wegen Betrugs seines Konzerns in New York – in den ersten Vorwahlen ab Januar in Schwierigkeiten geraten oder später sogar aus dem Bewerber-Rennen ausscheiden, hätte Haley aus heutiger Sicht Chancen auf das Präsidentschaftsticket, das im Sommer offiziell in Milwaukee vergeben wird.

Haley über Trump: „Er ist der unbeliebteste Politiker in Amerika“

Dass Haley, die sich noch vor wenigen Jahren schwor, niemals gegen Trump anzutreten, an Format gewonnen hat, war in den Fernsehdebatten unverkennbar. Haley war es, die republikanischen Mitbewerbern wie Ron DeSantis oder Mike Pence vorhielt, aktiv daran beteiligt gewesen zu sein, dass während der Trump-Präsidentschaft die Staatsschulden um acht Billionen Dollar gestiegen waren. Sie war es auch, die den alerten Jung-Star Vivek Ramaswamy (38) mit einem kalten Lächeln abservierte: „Jedes Mal, wenn ich dir zuhöre, fühle ich mich etwas dümmer.”

Haley hatte auch die Urheberschaft für die brachialste und prägnanteste Begründung, warum die republikanische Partei Trump endlich zu den Akten zu legen müsse: „Er ist der unbeliebteste Politiker in Amerika. Mit ihm werden wir keine Wahlen gewinnen.” Und: Er ist alt, 77 Jahre genau. Haley verlangt für alle Mitglieder von Parlament und Regierung verbindliche Kompetenz-Tests ab einem Alter von 75 Jahren.

Dritte TV-Debatte ist vermutlich im November in Miami

Apropos Kompetenz: Mit Senator Tim Scott liegt Haley besonders im Clinch. Der einzige Afro-Amerikaner im Bewerberfeld ist ein alter Weggefährte. Beide kommen aus South Carolina. Er verdankt ihr den Posten im Senat. Scott ließ sich dazu herab, Haley im Stile von Herr-Lehrer-ich-weiß-was wegen einer Petitesse Verschwendung von Steuergeldern vorzuhalten. Hintergrund: Als Haley 2018 in New York Amerikas UN-Botschafterin war, ließ man in ihrer Residenz Vorhänge im Wert von 50.000 Dollar aufhängen. Haleys Blick, als sie „Lass es raus, Tim” sagte, war Gold wert.

Auch Ron DeSantis bekam sein Fett weg. Der unablässig auf amerikanische Energie-Unabhängigkeit pochende Regionalpolitiker hat an Floridas Küsten die Gasgewinnung per Fracking verboten. Wie passt das zusammen, kartete Haley nach und brachte den Gouverneur in Verlegenheit.

Vor der dritten TV-Debatte, die vermutlich im November in Miami stattfinden wird, hat sich Nikki Haley das Interesse diverser Multi-Millionäre gesichert, die mit großen Schecks den Bewerber oder die Bewerberin unterstützen wollen, der/die am ehesten in der Lage wäre, Trump als Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl zu verhindern. Noch im Frühsommer rangierte Haley unter ferner liefen. Inzwischen hat sich die einzige Frau im Wettbewerb deutlich vorgearbeitet. „Haley hat eben Köpfchen“, sagen ihre Fans. Das Spatzenhirn, das sei bei Donald Trump zu finden.

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