Geld oder Sachbezüge – was sollten Asylbewerber bekommen? Die Debatte ist da. Sie darf nicht mit Totschlagargumenten erstickt werden.

Geld oder Sachleistung für Asylbewerber? In der Debatte um die Grenzen von legaler und illegaler Migration gerät diese Frage immer stärker in den Mittelpunkt. Besonders die Liberalen, politisch am stärksten unter Druck, machen bei diesem Thema Dampf und fordern jetzt sogar mit einem „Ultimatum“ an die Länder für eine Umstellung des Systems.

Ob dieses Vorgehen mit der Brechstange politisch klug ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Debatte um die Sachleistungen ist wichtig und richtig und man fragt sich, warum sie nicht längst intensiv geführt wurde. Denn man ist kein Fremdenfeind, wenn man nüchtern feststellt, dass besonders Menschen, die wirtschaftlicher Not entfliehen wollen, auch der Spur des Geldes folgen.

Großzügige Sozialsysteme Grund für ungerechte Verteilung von Migranten in Europa

Natürlich sind leistungsstarke und großzügige Sozialsysteme wie das deutsche interessanter als andere. Das ist menschlich und darf keinem, der flüchtet, zum Vorwurf gemacht werden. Aber sie sind auch ein Grund für ungerechte Verteilung von Migranten in Europa. Daher muss die Praxis der Bargeldleistung einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

Die am meisten vorgebrachten Argumente gegen Sachleistungen lauten: Bei einer Umstellung auf konkrete Sachleistungen wie Kleidung und Nahrung hat die Verwaltung zu viel zu tun, so argumentiert unter anderem der Städte- und Gemeindetag. Sachleistungen statt Bargeldzahlungen seien für Asylbewerber diskriminierend, so sehen es Asylverbände.

Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

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Umstellung zu Sachbezügen braucht das richtige Augenmaß

Beide Argumente sind schlecht. Bei der Bekämpfung von illegaler Migration darf es nicht das Hauptziel sein, die Behörden stärker zu entlasten. Wenn Sachleistungen weniger attraktiv sind für Menschen, die ohne Schutzgrund gemäß unserer Verfassung zu uns kommen wollen, dann wäre dies ein hilfreicher Effekt, egal ob die Bürokratie damit stärker belastet wird. Und es ist allemal besser, die Verwaltung stärker zu fordern als komplizierte und teure Abschiebeflüge mit Polizeibegleitung zu organisieren.

Dass sich Flüchtlinge in Deutschland diskriminiert fühlen könnten, mag richtig sein. Aber hier gilt es abzuwägen, ob eine überschaubare Zumutung wirklich so schwer wiegt, wie die große Sicherheit, die Deutschland im Gegenzug bietet. Wer aus einem Land flieht, in dem ihm nach dem Leben getrachtet wird, der wird die Ausgabe von Sachleistungen womöglich selbst als akzeptable Einschränkung seiner Menschenwürde empfinden.

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Grundsätzlich wäre eine solche Umstellung weg vom reinen Bargeld natürlich mit Augenmaß einzuführen. Selbstverständlich brauchen Menschen im Jahr 2023 auch Geld. Auch Asylbewerber müssen in der Lage sein, kleine Beträge selbst zu bezahlen. Niemand darf um einen Euro für den Gang auf die öffentliche Toilette betteln müssen. Und selbstverständlich sollen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, Lebensmittel zu wählen, die für sie vertraut und bekömmlich sind.

Das ist alles die Frage einer klugen Ausgestaltung, an der sich Asylverbände konstruktiv beteiligen sollten. Aber die Debatte um die Sachleistungen mit Totschlagargumenten im Keim zu ersticken wäre ein großer Fehler. Das Thema Migration ist in Teilen außer Kontrolle geraten und wird für die Deutschen von Umfrage zu Umfrage drängender.

Eine Politik, die den Kopf in den Sand steckt, führt zu keiner Lösung, sondern zu politischen Verhältnissen, die die Mehrheit der Deutschen zum Glück nicht will und die für Menschen in echter Not ganz sicher mehr kalte Ablehnung statt Fürsorge parat hätte.

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