Berlin. Die Ampel führt auch nach der Sommerpause ihre Sandkastenspiele fort und zankt sich. Warum das gefährlich für ganz Deutschland ist.

In die Sommerpause waren sie gegangen mit dem festen Vorhaben, alle mal durchzuatmen und ab dem Herbst konstruktiver, freundlicher, vor allem: geräuscharmer zusammenzuarbeiten. Aus der Sommerpause heraus kommen die Ampel-Parteien mit einem Knall – und das Publikum hat ein Déjà-vu.

Dieses Mal war es Familienministerin Lisa Paus (Grüne), die ein Eimerchen Sand ins Regierungsgetriebe gekippt hat, und, unterstützt von Umweltministerin Steffi Lemke (SPD), Christian Lindners (FDP) Steuererleichterungen für Unternehmen kurzfristig von der Tagesordnung gekegelt hat. Der Seele des linken Grünen-Flügels mag sie damit einen Gefallen getan haben und vielleicht auch dem ein oder anderen bei der SPD. Aber ob ihr Vorzeigeprojekt Kindergrundsicherung damit wahrscheinlicher wird, darf man bezweifeln – schon weil Paus offenbar versäumt hat, sich die Rückendeckung ihrer ganzen Partei zu holen.

Wäre Paus‘ Last-Minute-Intervention ein Einzelfall, könnte man die Verzögerung bei Lindners Gesetz – das aller Wahrscheinlichkeit trotzdem kommen wird – als üblichen Reibungsverlust verbuchen. Gerade die waidwunde Empörung der FDP nach dem Crash relativiert sich als Beobachter ein bisschen, wenn man kurz überlegt, bei wem sich Paus in dieser Legislaturperiode Kunststücke dieser Art abgeschaut haben könnte.

Auch Schwarz-Gelb und die Großen Koalitionen haben Nerven gekostet

Politik-Korrespondentin Theresa Martus
Politik-Korrespondentin Theresa Martus © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Und einmal die Erinnerung an die Große Koalition vor dieser Regierung oder sogar das schwarz-gelbe Bündnis in Angela Merkels zweiter Amtszeit entstaubt: Auch da war der Verschleiß an Nerven hoch, bei den Koalitionären, aber auch in der Öffentlichkeit. Dass eine Bundesregierung mit mehr Partnern mehr Konfliktpunkte bietet, überrascht ebenfalls nicht.

Das alles kann man als mildernde Umstände durchgehen lassen. Es ändert aber nichts daran, dass der jüngste Streit auf ein größeres Problem hinweist. Das Kabinetts-Chaos in dieser Woche ist Teil eines Musters, aus dem die Ampel-Koalition einfach nicht herauszufinden scheint – und mit dem sie Schaden anrichtet weit über die eigene Agenda und das Nervenkostüm ihrer eigenen Mitglieder hinaus.

Mit der AfD steht eine Partei, die die Menschenfeindlichkeit und Gegnerschaft zur Demokratie zum Programm gemacht hat, derzeit bei rund 20 Prozent. Laut Umfragen ist das Vertrauen der Menschen in den Staat auf einem Rekordtief. Der Druck auf das demokratische Fundament der Gesellschaft ist erheblich – und die Risse sind bereits gut zu sehen.

Die Ampel müsste den Gegenentwurf zum Zynismus zum Strahlen bringen

Gerade da müsste eine Regierung es nicht nur schaffen, immer mal wieder einen Punkt von der To-Do-Liste abzuhaken, was ja durchaus gelingt. Sondern sie müsste den Gegenentwurf zu den Zynismus-Profiteuren vom rechten Rand zum Strahlen bringen – wenigstens ein bisschen. Sie müsste zeigen, dass es bei allen inhaltlichen Unterschieden möglich ist, nicht nur fair miteinander umzugehen, sondern auch gemeinsam Projekte tatsächlich durchzuziehen. Und zwar nicht nur die, von denen man glaubt, dass sie der eigenen Partei ein paar Prozentpunkte bringen.

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Stattdessen ist unter den Ampel-Partnern auch der letzte Vertrauensvorschuss aufgebraucht und das Zusammenspiel der Parteien zeichnet ein Bild von Demokratie als Maschine der Frustproduktion. Vor diesem Hintergrund möchte man den Koalitionären zurufen: Reißt euch zusammen! Wenn das jetzt noch zwei Jahre so weiter geht, ruiniert ihr nicht nur den eigenen Parteien die mentale Robustheit und die Wahlergebnisse, sondern den Zusammenhalt des Landes.