Washington/Atlanta. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wird auch in Georgia angeklagt. Ein Geschworenengremium gab dem Klagebegehren jetzt statt.

Es ist die vierte Anklage gegen Ex-US-Präsident Donald Trump. Und wieder geht es um seine massiven Versuche, nachträglich die Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu kippen. Aber diesmal ist die Rechtsgrundlage eine besondere: Im US-Bundesstaat Georgia hat die verantwortliche Bezirksstaatsanwältin in der am späten Montagabend veröffentlichten 96-seitigen Anklageschrift Trump zum informellen Boss einer kriminellen Vereinigung erklärt. Dabei wurde der sonst nur bei Organisierter Kriminalität in Mafia-Kreisen eingesetzte "RICO-Act" bemüht (Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act).

Danach haben Trump und seine 18 Mitangeklagten, denen über 160 Einzelstraftaten vorgeworfen werden, über Bundesstaatsgrenzen hinweg in Arizona, Michigan, Nevada, New Mexico, Pennsylvania, Wisconsin und in Washington DC zwischen November 2020 und Januar 2021 ein gemeinsames Ziel verfolgt: "Sie haben sich geweigert zu akzeptieren, dass Trump verloren hat. Und sie haben sich wissend und mit voller Absicht einer Verschwörung angeschlossen, das Ergebnis der Wahl auf ungesetzliche Weise zum Vorteil Trumps zu verändern."

Trumps Gefolgsleute erstellten gefälschte Wahlmänner-Listen

So hatte Trump persönlich den obersten Wahlbeamten des Südstaates, Brad Raffensperger, Anfang Januar 2021 dazu aufgefordert, rund 12.000 Stimmen "zu finden", um den Wahlsieg von Joe Biden im Nachhinein zu neutralisieren. Raffensperger weigerte sich. Fani Willis sieht daran den Versuch, einen Beamten dazu zu bewegen, seinen Amtseid zu brechen.

Außerdem bastelten Trumps Gefolgsleute, darunter die Mitangeklagten Rudy Giuliani, John Eastman, Sidney Powell, Jenna Ellis und Kenneth Chesebro (allesamt Trumps Anwälte damals) an gefälschten Wahlmänner-Listen für das "electoral college", das den amerikanischen Präsidenten bestimmt. Darüber hinaus bezichtigte Trump auf haltlose Weise kommunale Wahl-Mitarbeiter in Georgia, sie hätten auf illegale Weise Stimmen für Biden organisiert. Ein Mutter-Tochter-Paar erhielt daraufhin Todesdrohungen.

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Anklage beschreibt acht Wege des versuchten Wahlbetrugs

Willis hat zweieinhalb Jahre ermittelt und fast 80 Zeugen vernommen, bevor sie einer Geschworenen-Jury die Ergebnisse präsentierte. Dort wurde nun dem Klagebegehren stattgegeben. In einer kurzen Presse-Konferenz erklärte die Afro-Amerikanerin, dass sie einen Prozessbeginn binnen sechs Monaten anstrebt (heißt: bis Februar 2024) und alle 19 Angeklagten gemeinsam vor Gericht bringen will.

Das ist allerdings aus Expertensicht schier unmöglich und kollidiert außerdem mit den drei anderen Verfahren, die bisher mit vorläufigen Startterminen zwischen Anfang Januar und Mitte Mai versehen sind. Ob Willis sich mit dem auf Bundesebene gegen Trump als Ankläger auftretenden Sonder-Ermittler Jack Smith abgesprochen hat, wollte sie nicht sagen.

Ihre Anklage beschreibt acht Wege, auf denen Trump und Co. versucht hätten, die Wahl von 2020 zu hintertreiben: indem sie das Bundesstaats-Parlament in Atlanta angelogen haben, indem sie Staatsbedienstete angelogen haben, indem sie gefälschte Wahlmänner kreiert haben, indem sie Wahlhelfer bedroht haben, indem sie das Justizministerium wie auch Vize-Präsident Mike Pence dringend gebeten haben, an der Wahlkorrektur mitzuarbeiten und indem sie in Wahlmaschinen eingedrungen sind und das ganze vertuschen wollten.

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Windham High School.
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Windham High School. © dpa | Robert F. Bukaty

Trump könnte sich in Georgia nicht selbst begnadigen

Unter den Angeklagten tauchen etliche Leute auf, die latent auch in der Anklage von Jack Smith gegen Trump aufscheinen – aber dort noch nicht offiziell angeklagt sind. Dabei gibt es eine Ausnahme: Willis will auch den damaligen Stabschef Trumps, Mark Meadows, zur Verantwortung ziehen, der in den acht Wochen zwischen Wahl und Sturm auf Kapitol im Januar 2021 eine zentrale Rolle spielte. Unter den national weniger bekannten Angeklagten ist auch David Shafer, der früher Chef der Republikaner in Georgia.

Der Fall in Georgia ist für Trump besonders heikel. Grund dafür ist der "RICO-Act", bei dem der Nachweis geführt werden muss, dass die Angeklagten in breiter, auch Bundesstaatsgrenzen überschreitender Komplizenschaft koordiniert ein gemeinsames kriminelles Ziel verfolgten: in diesem Fall das Kippen der Präsidentschaftswahl 2020.

Etliche Zielpersonen der Ermittlungen, berichtete das in Atlanta ansässige "Constitution Journal", haben mit den Behörden kooperiert. Ihnen wurde strafrechtliche Immunität zugesichert. In Georgia droht Trump, wie Eingeweihte sagen, eine Mindeststrafe von fünf Jahren.

Trumps Sorge hat zudem eine besondere Note: Sollte er 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen, könnte er in allen auf Bundesebene laufenden Strafrechts-Verfahren intervenieren oder sich im Falle einer Verurteilung selbst begnadigen. Dieses post-feudale anmutende Instrument greift in den Bundesstaaten nicht.

Trump wettert gegen Anklage: Staatsanwältin Willis "tollwütig parteiisch"

Trump kommentierte die Anklage aus Georgia wie schon in vorherigen Fällen wütend und abfällig. Er nannte Staatsanwältin Willis "tollwütig parteiisch" und eine Vollstreckerin der Unrechtspolitik von US-Präsident Joe Biden gegen seine Person. Die Vorwürfe seien allesamt "fabriziert". Er, Trump, habe jedes Recht gehabt, seine Verdacht nachzugehen, dass bei der Wahl 2020 betrogen worden sei.

Willis konterte eine entsprechende Frage von Journalisten so: "Ich treffe in meiner Position Entscheidungen, die auf Fakten basieren und auf dem Gesetz. Das Gesetz ist komplett unparteiisch." Willis hat in ihrer Funktion bereits elf Verfahren unter dem RICO-Statut für Organisierte Kriminalität durchgeführt.