Brüssel. Dürre-Alarm in Italien, Spanien und Frankreich. Was dort droht, wie die Politik reagiert. Mit einem Plan hat Deutschland ein Problem.

Europa steht vor einem Extremsommer. Dürre-Alarmstufe rot herrscht für fast ganz Spanien, Teile Portugals, für Südwestfrankreich und für kleinere Regionen Italiens – dort droht nach neuen Daten der EU-Kommission eine verheerende Dürre, nachdem bereits das letzte Jahr ungewöhnlich trocken und warm war. Die lokalen Behörden reagieren wieder mit Verboten für den Wasserverbrauch, doch eigentlich wollen die Regierungen weg vom Notfallmanagement.

Mit milliardenschweren Programmen wollen Italien, Frankreich und Spanien die Wasserwende einleiten. Ganz Europa schaut zu, denn mit Wasserknappheit kämpfen auch viele andere Regionen des Kontinents – eine Dürrewarnung der Europäischen Union gilt unter anderem für die Mitte und den Norden Deutschlands. Ist Europas Wasserkrise lösbar? Was wir von Italien & Co lernen können – und warum Deutschland ein Problem bekommt.

Eine Kirche und die Überreste eines alten Dorfes, die normalerweise vom Wasser bedeckt sind, sind im spanischen Stausee von Sau zu sehen.
Eine Kirche und die Überreste eines alten Dorfes, die normalerweise vom Wasser bedeckt sind, sind im spanischen Stausee von Sau zu sehen. © dpa | Emilio Morenatti

Wasserkrise in Italien: Marode Leitungen sind ein Problem

Das sollten auch Urlauber wissen: Wenn es sein muss, kann Italien schnell in den Notfall-Modus umschalten und den Wasserhahn zudrehen. In mehr als hundert Städten waren voriges Jahr die Bürger aufgerufen, ihren Wasserverbrauch stark einzuschränken, in fünf Regionen war der Wasser-Notstand ausgerufen: In Verona etwa war die Gartenbewässerung und das Auffüllen von Pools ebenso verboten wie das Autowaschen, in Pisa durfte Trinkwasser nur noch für den häuslichen Gebrauch und persönliche Hygiene genutzt werden.

Das droht jetzt wieder, aktuell leidet Italien erneut unter großem Wassermangel. Neu ist, dass die Politik umfassender reagiert: Die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni hat im Frühjahr ein Milliarden-Programm zum Kampf gegen die Wasserknappheit aufgelegt, umsetzen soll es ein eigens ernannter Sonderkommissar. Er hat viel zu tun: Italien hat vor allem ein Problem mit vernachlässigter Infrastruktur. Wegen maroder Leitungen gehen 40 Prozent des Wassers unterwegs verloren, im Süden sogar bis zu 80 Prozent. Jetzt sollen Milliarden investiert werden. Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin spricht von einer „Verschwendung, die wir uns nicht länger leisten können“. Auf diesem Feld hat Deutschland wenig Handlungsbedarf, der Leitungs-Wasserverlust wird hierzulande auf höchstens zehn Prozent geschätzt.

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Aber: Neben der Leitungserneuerung und dem Ausbau von Stauseen will Italien auch groß in die Wasser-Wiederverwendung einsteigen - also Abwasser in der Landwirtschaft noch einmal einsetzen. Die EU-Kommission drängt die Staaten zu dieser Praxis, soeben tritt europaweit eine neue Verordnung in Kraft, die verbindliche Hygiene-Standards festlegt. „Wiederverwendetes Wasser wird eine immer wichtigere Bewässerungsquelle“, sagt EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. Doch in Deutschland stößt das auf große Skepsis. Das Umweltbundesamt warnt: „Wasserwiederverwendung zur Bewässerung birgt für die menschliche Gesundheit, die Böden und das Grundwasser zahlreiche Risiken.“ Mit der konventionellen Abwasserbehandlung könnten viele Schadstoffe nicht vollständig abgebaut werden. Das hört man in Rom und Brüssel nicht gern.

Die Dürre im Norden Italiens, hier liegen Gondeln in Venedig auf dem Grund, nimmt nach Einschätzung von Umweltschützern immer alarmierendere Ausmaße an.
Die Dürre im Norden Italiens, hier liegen Gondeln in Venedig auf dem Grund, nimmt nach Einschätzung von Umweltschützern immer alarmierendere Ausmaße an. © dpa | Luigi Costantini

Dürre in Spanien: Problem Landwirtschaft

Kein Land in Europa ist von der Dürre aktuell so schlimm betroffen wie Spanien. Bei Rekordtemperaturen von knapp 40 Grad war es schon im Frühjahr extrem trocken. Dürre-Sommer, zu wenig Regen im Winter, zu hoher Wasserverbrauch in der Landwirtschaft - der Grundwasserpegel fällt, die Vorräte sind leer. In Katalonien sprechen Experten von der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen.

In über 200 Gemeinden im Nordosten Spaniens musste der Wasserverbrauch auf maximal 230 Liter pro Kopf und Tag begrenzt werden. Landwirte müssen 40 Prozent weniger Wasser konsumieren, die Industrie 15 Prozent. Untersagt sind unter anderem die Bewässerung öffentlicher und privater Grünflächen. Trotz der Sparmaßnahmen sinken die Pegel weiter. In vielen Regionen geht Wasser durch das marode Leitungssysteme verloren, die landwirtschaftliche Bewässerung ist ineffizient, was lange kein Problem war, weil Wasser im Europavergleich sehr billig ist.

Der Wasserstand im spanischen Sau-Stausee nördlich von Barcelona ist stark gesunken. Auf der ausgetrockneten Erde wächst eine Pflanze.
Der Wasserstand im spanischen Sau-Stausee nördlich von Barcelona ist stark gesunken. Auf der ausgetrockneten Erde wächst eine Pflanze. © dpa | Emilio Morenatti

Nachdem die Politik jahrelang kaum reagierte, will die Regierung in Madrid in den nächsten drei Jahren 23 Milliarden Euro investieren, um die Wasser-Wende einzuleiten. So sollen neue Wasserquellen erschlossen werden: Bei der Wiederverwendung von Abwasser ist Spanien vergleichsweise weit, immerhin 15 Prozent wird vor allem für die Landwirtschaft recycelt.

Das soll jetzt deutlich ausgebaut werden, eine Großaufbereitungsanlage für Brauchwasser ist beschlossen. Ebenso zwei Meerwasserentsalzungsanlagen. Ein nationaler Rat soll sich um die Bekämpfung der Wüstenbildung kümmern. Über zwei Milliarden Euro fließen zudem in die Modernisierung landwirtschaftlicher Bewässerungsanlagen: Die Tröpfchenbewässerung von Pflanzen gilt als besonders effizient, wird aber bislang noch viel zu wenig angewandt. Kritiker beklagen, dass auch die zahlreichen Golfplätze zur Wasserverschwendung beitragen.

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Dürre in Frankreich: Macrons Wasser-Sparplan

Nach einem schrecklichen Dürresommer 2022 steht Frankreich die nächste Trockenheits-Welle bevor: In zwei Dritteln des Landes liegt der Grundwasserspiegel unter dem üblichen Niveau, klagt Umweltminister Christophe Béchu. Besonders besorgniserregend sei die Situation im Rhône-Tal und an der Mittelmeerküste.

In 15 Regionen Südfrankreichs sind deshalb auch dieses Jahr schon wieder Verordnungen zum Wassersparen erlassen worden: Dort sind Bürger aufgerufen, ihre Autos nicht mehr zu waschen, ihre Pools nicht mehr neu zu befüllen oder Rasen und Blumenbeete nicht mehr zu gießen. Im Departement Pyrénées-Orientales ist auch der Verkauf von Aufstell-Schwimmbecken verboten. Voriges Jahr waren am Ende fast alle französischen Departements von Wasser-Beschränkungen betroffen, 700 Gemeinden hatten Probleme mit der Trinkwasserversorgung. Den Behörden kommt zugute, dass es bereits ein eingespieltes Frühwarnsystem mit einem Stufenplan für Vorsichtsmaßnahmen gibt. Eine Lehre aus der Hitze-Katastrophe von 2003, als während der Hundstage im August die Sterberate derart stieg, dass später von 15 000 „Hitzetoten“ die Rede war.

Dürre in Frankreich: Behörden rufen
Dürre in Frankreich: Behörden rufen "Krisenlage" aus

Das Dürrejahr 2022 war in Frankreich ein neuer Weckruf: Die Regierung hat in diesem Frühjahr einen „Anti-Dürre-Plan“ mit 53 Maßnahmen vorgelegt. Landesweit soll bis 2030 zehn Prozent weniger Wasser verbraucht werden, kündigt Präsident Emmanuel Macron an. Großabnehmer werden stärker zur Kasse gebeten. „Die Zeiten der Überfülle sind vorbei“, sagt Macron. „Das Land muss es mit dem Wasser so halten wie mit der Energie.“ Frankreich will nun auch im großen Stil Brauchwasser zur Wiederverwendung aufbereiten. Aktuell wird nur ein Prozent recycelt, bis 2030 sollen es zehn Prozent sein. Und wie bei den Nachbarn am Mittelmeer muss Frankreich das Problem veralteter und löchriger Leitungen angehen: Ein Fünftel des Trinkwassers geht dadurch verloren.