Berlin. Mehmet Simsek ist Erdogans alter und zugleich neuer Mann fürs Geld. Auf ihm ruhen große Hoffnungen. Kann der Minister sie erfüllen?

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan holt sich einen alten Bekannten in sein neues Kabinett: Ex-Finanzminister Mehmet Simsek kehrt nach fünf Jahren auf seinen Posten zurück. Die Personalie zeigt, wie schlecht es um die Wirtschaft des Landes steht. Auf Simsek ruhe große Hoffnungen. Aber kann er die Wende schaffen?

In den langen Fluren des türkischen Finanzministeriums am Ismet Inönü-Boulevard in Ankara kennt sich der 56-jährige Simsek gut aus. Von 2009 bis 2015 war er hier der Chef. Vom Amt des Finanzministers stieg Simsek in das des Vizepremiers auf, bevor er 2018 die Regierung verließ. Noch Ende März hatte Simsek nach einem Treffen mit Erdogan versichert, er denke nicht an eine Rückkehr in die aktive Politik. Dass er sich nun doch von Erdogan überreden ließ, zeigt nach Einschätzung mancher Beobachter, wie ernst die Finanzkrise ist.

Türkei: Erdogan und sein Finanzminister haben einiges gemeinsam

Bei der Entscheidung mag auch Persönliches eine Rolle gespielt haben. Hier der weltläufige Star-Ökonom Simsek, der in London und New York lebte und lange mit einer US-Amerikanerin verheiratet war, dort Erdogan, der auch nach 20 Jahren an der türkischen Staatsspitze immer noch Schwierigkeiten hat, sich mit ausländischen Politikern ohne Dolmetscher zu verständigen. Und doch verbindet beide Männer viel. Wie Erdogan, der als Kind einer vom Schwarzen Meer zugewanderten Seemannsfamilie im schäbigen Istanbuler Hafenviertel Kasimpasa aufwuchs, ist Simsek ein anatolischer Aufsteiger.

Der frühere türkische Finanzminister Mehmet Simsek: Erdogans Vertrauter übernimmt das Amt nun ein zweites Mal.
Der frühere türkische Finanzminister Mehmet Simsek: Erdogans Vertrauter übernimmt das Amt nun ein zweites Mal. © Adem ALTAN / AFP | Adem ALTAN / AFP

Aufgewachsen ist er im kleinen kurdischen Dorf Arica bei Batman aufwuchs, ohne Strom und fließendes Wasser. Seine Eltern waren Analphabeten. Er selbst sprach nur Kurdisch, aber kein Wort Türkisch, bis er in die Schule kam. Durch „pures Glück“, wie er selbst sagt, kam er aus dem Dorf heraus, konnte mit der Hilfe seiner acht Geschwister in Ankara Ökonomie studieren. Später arbeitete er für Merrill Lynch, UBS und die Deutsche Bank, bevor ihn Erdogan im Mai 2009 zum Finanzminister und sechs Jahre später zum Vizepremier berief.

Die Erfolge seiner ersten Amtszeit können sich sehen lassen: Simsek drückte die Schuldenquote von 43,4 auf 28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Inflation von 10,4 auf 6,4 Prozent. „Wir stehen auf soliden Fundamenten“, konnte Simsek 2011 feststellen.

Türkei: Lira ist abgestürzt – Simsek vor großen Herausforderungen

Heute ist die Lage desolat. Die Hyperinflation zehrt an den Einkommen. Seit 2018 hat die Lira gegenüber Dollar und Euro rund 80 Prozent ihres Werts verloren. Das Zahlungsbilanzdefizit wächst, ausländische Investoren ziehen sich zurück. Viele Analysten sehen die Gefahr eines Zahlungsausfalls.

Für Simsek kommt es nun vor allem darauf an, das erschütterte Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Simsek gilt als „Liebling der Märkte“. Aber der gute Ruf allein wird nicht reichen. Die Frage ist: Wie viel Spielraum wird Erdogan seinem neuen Finanzminister lassen? Bleibt Erdogan bei seiner unorthodoxen Überzeugung, dass man hohe Inflation am besten mit Zinssenkungen bekämpft, oder kehrt mit Simsek wider die ökonomische Vernunft in die Geldpolitik zurück? Nur dann dürfte es dem neuen Finanzminister gelingen, den Verfall der türkischen Währung zu stoppen.

WahlTürkei-Wahl 2023
(Stichwahl)
DatumSonntag (28. Mai 2023)
OrtTürkei
Gewählt wirdPräsident
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Kandidaten für PräsidentenamtRecep Tayyip Erdoğan (69) und Kemal Kılıçdaroğlu (74)