Berlin/München. Ministerpräsident Söder will das bayerische Atomkraftwerk weiterlaufen lassen und dazu das Atomgesetz ändern. Ein Vorstoß ohne Zukunft.

Als Isar 2, Emsland und Neckarwestheim an diesem Wochenende vom Netz genommen wurden, war jedes der letzten drei Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland eine Nachricht wert. Doch kaum ist das letzte AKW heruntergefahren, will Markus Söder wieder anschalten. In der „Bild am Sonntag“ verlangte der bayerische Ministerpräsident, das Atomgesetz noch einmal zu ändern und den Ländern die Zuständigkeit zu geben, damit Bayern abgeschaltete Meiler in eigener Regie weiterbetreiben kann.

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Söders Idee gilt allerdings als politisch höchst unwahrscheinlich und würde im nächsten Winter nichts zur Stromproduktion beisteuern. Denn Gesetzgebungs- und Genehmigungsprozesse sowie technische Vorbereitungen dürften ein Jahr oder länger dauern. Es fehlen zudem Brennstäbe und der Freistaat würde im Falle eines Weiterbetriebs das versicherungstechnische Risiko allein tragen.

Söder-Vorstoß: Kritik vom Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung

Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, rückt die Endlagersuche in den Fokus.
Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, rückt die Endlagersuche in den Fokus. © picture alliance/dpa | Federico Gambarini

Dementsprechend fallen die Reaktionen auf den bayerischen Alleingang aus: „Der Bundestag und alle Bundesländer haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht“, sagte Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung. Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.

Zwar hatte sich Eon-Tochter PreussenElektra, der Betreiber des letzten bayerischen Kraftwerks, im Herbst 2022 zurückhaltender über die Verlängerungspläne der Bundesregierung geäußert, doch auch in Landshut hat man sich längst auf den Rückbau des Meilers eingestellt.

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Atomkraft: Rückbau dauert mehr als ein Jahrzehnt

Laut der baden-württembergischen EnBW, Betreiber von Neckarwestheim, läuft die Abwicklung für alle drei Anlagen ähnlich: Wenn mit dem Abbau begonnen werden kann, sollen zuerst die Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter entfernt und in das benachbarte Lagerbecken überführt werden. Mit der Zeit werden dann etwa die nuklearen Systeme dekontaminiert, Hauptkühlmittelleitungen demontiert und Einbauten des Reaktordruckbehälters zerlegt. Alles in allem soll der nukleare Rückbau in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein.

Nach einem Endlager für die radioaktiven Abfälle wird weiter gesucht. In den 70ern hatten die politischen Entscheidungsträger das niedersächsische Bergwerk Gorleben ohne Mitbestimmung der Bevölkerung als Endlager-Standort festgelegt – und damit große Proteste ausgelöst. 2017 wurde ein neues Verfahren gestartet, um die Öffentlichkeit mit einzubeziehen. Bisher noch ohne Ergebnis.

Atomkraft: Politiker aller Partei reagieren auf Söder-Vorstoß mit Kopfschütteln

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler (FDP) wirft Söder einen Zickzackkurs vor.
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler (FDP) wirft Söder einen Zickzackkurs vor. © dpa | Britta Pedersen

In der Ampel-Koalition findet Söder jedenfalls keine Mitstreiter. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler und die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, werfen dem CSU-Mann einen Zickzackkurs vor. „Markus Söders Flexibilität ist verwunderlich. Als Umweltminister hat er mit Rücktritt gedroht, falls Bayern nicht bis spätestens 2022 aus der Kernenergie aussteigt. Heute will er die Laufzeiten verlängern“, sagte Köhler. Außerdem verweigert sich Bayern bei der Endlagersuche und hinke beim Netzausbau hinterher.

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Grünen Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann bezeichnete Söders Aussagen als „durchsichtiges Wahlkampfmanöver“, da in Bayern im Oktober ein neuer Landtag gewählt wird. „Das Atomgesetz verlange seit 2017 den unverzüglichen Abbau der Kraftwerke. „Wenn Söder jetzt den Rückbau eines Atomkraftwerks verhindern oder verzögern will, muss geprüft werden, ob das nicht Haftungsansprüche gegenüber dem bayerischen Umweltministerium auslöst“, erklärte Haßelmann weiter.

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