Berlin. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht irritiert Freund und Feind. Wie sie zur Reizfigur wurde und warum Widerspruch ihre Masche ist.

Sie wird angefeindet. Na und? Sahra Wagenknecht kann damit umgehen: Viel Feind, viel Ehr. Über eine Frau, die sich als Reizfigur gefällt.

Sie hat es wieder getan: Alle aufgebracht. In der Talk-Show "Hart, aber fair" relativierte die Linken-Politikerin Vergewaltigungen durch russische Soldaten in der Ukraine. Es sei müßig, darüber zu sprechen, welche Seite mehr Kriegsverbrechen begehe.

Gegen den Strom ist Sahra Wagenknecht in ihrem Element:

  • Die Sexismus-Debatte der Linkspartei hielt sie für übertrieben. "Einige empfinden es schon als sexuelles Mobbing, wenn ein männlicher Kollege eine Frau kritisiert."
  • Alle verurteilen den Überfall auf die Ukraine – sie organisiert mit der Alt-Feministin Alice Schwarzer einen "Aufstand für den Frieden" und eine Demonstration in Berlin.
  • Andere kritisieren Kreml-Chef Putin, für sie ist er "unser wichtigster Energielieferant, gegen den ein beispielloser Wirtschaftskrieg geführt werde.
  • Ihre Partei regiert mit den Grünen auf Landesebene. Wagenknecht hält sie für die "heuchlerischste, abgehobenste, inkompetenteste und damit derzeit auch gefährlichste Partei im Bundestag".

Diese Frau reizt zum Widerspruch. Kein Wunder, dass führende Figuren der Linken sich von ihr distanzieren und prominente Unterstützer wie Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, ausgetreten sind. Die Vizeparteivorsitzende der Linken, Katina Schubert, mahnt, Wagenknechts und Schwarzers Demo habe "nichts mit linker Politik, gar mit linker Friedenspolitik zu tun gehabt".

Linke leidet an Wagenknecht: Immer Ärger mit Sahra

Noch jeder Versuch, Wagenknecht einzubinden, ist gescheitert. Es scheint, dass Wagenknecht zu ihrer Partei ein rein instrumentelles Verhältnis hat. Sie bietet ihr zum einen eine Bühne, zum anderen über ein Mandat im Bundestag eine materielle Absicherung.

Den Verdacht, dass es ihr nur um den Nutzwert der Partei geht, haben viele. Mal wird kritisiert, dass sie sich in ihrem Wahlkreis in Düsseldorf selten blicken ließ. Mal wurde ihr vorgeworfen, dass sie sich im Bundestag rar macht. Kein Ausschuss, keine Abstimmung. Über Twitter wird ihr vorgeworfen, Diäten ohne Gegenleistung zu kassieren.

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Auf dem Portal abgeordetenwatch.de wurde sie mal gefragt, warum sie seit 2009 im Hohen Haus häufiger ab- als anwesend gewesen sei. Die Frage ließ sie ebenso unbeantwortet wie 83 andere Fragen von Usern auf dem Portal. Solche Kritik lässt sie an sich einfach abperlen. Viele beschimpfen sie als die "faulste Abgeordnete" des Bundestages. Das ficht sie allerdings nicht sonderlich an. Any promotion is good promotion.

Wagenknechts Zugkraft: Eigene Partei nicht chancenlos

Dabei ist sie durchaus umtriebig. Bloß: vorzugsweise auf eigene Rechnung. Längst wäre ein Großteil der Linken heilfroh, wenn sie wahr machen würde, womit sie kokettiert: mit der Gründung einer Partei. Zuletzt sagte sie, „es besteht der Bedarf einer Partei, die diese Menschen vertritt.“

Erst Ende letzten Jahres ergab eine Forsa-Umfrage für den "Stern", dass es kein chancenloses Projekt wäre. 19 Prozent der Deutschen können sich zumindest vorstellen, bei einer der kommenden Wahlen einer solchen Partei die Stimme zu geben. Dazu passt, dass in nur einer Woche eine halbe Million Wagenknechts ManifestfuerFrieden unterzeichnet haben.

Methode Wagenknecht: Anstöße geben, anstößig werden

Das alles mag sie darin bestärkt haben, vielleicht doch zu springen; eine Partei zu gründen: Eine Art "Team Wagenknecht". Das Programm wäre die kleinste Sorge. Wagenknecht ist schon das Programm. Lesen Sie auch: Sahra Wagenknecht: Warum sich die Linke von ihr distanziert

Rhetorisches Talent kann ihr keiner absprechen – für eine Rede geht sie sogar in den Bundestag –, einen hohen Bekanntheitsgrad und politische Zugkraft ebenso wenig. Eine Zeitung rechnete aus, dass sie der häufigste Gast der Linkspartei bei Talk-Shows zum Ukraine-Krieg ist.

Sie wird nicht eingeladen, weil sie ein Führungsamt hätte (hat sie nicht, weder in Fraktion noch in Partei), sondern weil sie was zu sagen hat. Und so kommt zum Ärger über Wagenknecht bei ihren Kritikern womöglich auch das noch dazu: medialer Futterneid.