Berlin. Dialog ist in Zeiten des Ukraine-Kriegs wichtig. Doch erst militärische Stärke eröffnet Verhandlungsspielräume gegenüber Aggressoren.

Niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauert. Umso wichtiger ist es, sich zu Beginn des noch jungen Jahres ein klares Bild zu machen. Deutschland braucht einen ungeschminkten Blick auf die Wirklichkeit. Und es braucht Stärke – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und militärisch.

Falsch wäre es, sich Wunschdenken und Schönfärberei hinzugeben. Friedens-Initiativen wie die von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fallen in diese Kategorie. Mützenichs Forderung, Gesprächs- und Verhandlungsangebote an Kremlchef Wladimir Putin zu machen, sind von einem romantisierten Russland-Bild unterlegt, dem Teile der Sozialdemokratie noch anhängen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Die Sowjetführer waren im Kalten Krieg berechenbar - Putin ist es nicht

Der Unterschied: Die Sowjetführer waren im Kalten Krieg berechenbar und achteten die Grenzen in Europa. Putin hat hingegen seit Beginn seiner Amtszeit einen Fußabdruck der Gewalt hinterlassen. Auf die Kriege in Tschetschenien und Georgien folgten die Krim-Annexion, die Aufrüstung der Separatisten im Donbass, die Militär-Intervention in Syrien und zuletzt der Einmarsch in der Ukraine.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent / Funke Mediengruppe
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent / Funke Mediengruppe © Reto Klar | Reto Klar

Der Präsident hat sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine als unabhängigen, pro-westlichen Staat auszulöschen und Russland einzuverleiben. Er wähnt sich auf einer historischen Mission, hinter der neo-imperiale und nationalistische Motive stecken. Doch der Krieg in der Ukraine ist mehr als ein regionaler Konflikt.

Käme der Kremlchef durch, würde das „Gesetz des Dschungels“ triumphieren

Das Land im Osten Europas verteidigt derzeit Demokratie und Freiheit gegenüber einem brutalen Aggressor, der auch die Zivilbevölkerung voll ins Visier nimmt. Kommt Putin damit durch, bekommen seine imperialen Ambitionen neue Nahrung. Und er bietet allen Autokraten dieser Welt die Blaupause für eine Annexionspolitik nach Gusto. Das „Gesetz des Dschungels“ würde triumphieren, das Völkerrecht wäre am Ende.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dies in seiner „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar 2022 klug analysiert. Aber er ist den Weg nicht konsequent zu Ende gegangen. Das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro nimmt nur langsam Formen an. Das Heer leidet unter einem blamablen Munitionsmangel. Der jüngste Totalausfall der hochmodernen Puma-Panzer sorgte international für Gespött und ließ die deutschen Streitkräfte für viele als Pleiten-Pech- und Pannenverein aussehen.

Die Lieferung von Kampfpanzern sollte im Verbund mit Nato-Partnern geschehen

Scholz muss immerhin zugutegehalten werden, dass er sich nach einer Phase der Zögerlichkeit zur Lieferung schwerer Waffen an Kiew durchgerungen hat. Die Verschickung moderner Luftabwehrsysteme wie Iris-T war richtig und hat der Ukraine bei der Verteidigung geholfen.

Der Kanzler muss aber noch einen Schritt weiter gehen: Die direkte Lieferung von Leopard-Kampfpanzern würde das Land, dessen Existenz auf dem Spiel steht, besser gegen den russischen Raketen- und Drohnenhagel schützen. Dies sollte nicht im deutschen Alleingang geschehen – hier hat Scholz Recht –, sondern im Verbund mit den Nato-Partnern. Deutschland muss mehr Härte wagen.

Militärische Stärke sendet ein Stopp-Signal an Aggressoren

In Bezug auf die Wirtschaft hat die Bundesregierung bereits einen bemerkenswerten Schwenk zu mehr Robustheit hingelegt. Nach der fatalen Energieabhängigkeit von Russland ist nun Diversifizierung Trumpf. Viele Unternehmen begreifen die Russland-Falle als Weckruf und fahren ihr China-Geschäft zurück.

Militärische Stärke ist kein Selbstzweck. Sie sendet ein Stopp-Signal an Aggressoren. Und erst durch sie eröffnen sich mehr Spielräume für Gespräche und Verhandlungen. Es gilt der alte Satz des früheren US-Präsidenten Theodore Roosevelt: „Speak softly and carry a big stick“ – „sprich sanft und trage einen großen Knüppel”.