Scharm el-Scheich. Die Klimakonferenz COP27 hat am frühen Sonntagmorgen ihre Abschlusserklärung beschlossen. Robert Habeck äußert sich zu den Ergebnissen.

Klimaminister Robert Habeck hat sich enttäuscht über die Vereinbarungen der internationalen Klimakonferenz in Scharm el-Scheich gezeigt. „Eine schwierige Klimakonferenz ist zu Ende gegangen, mit einem Ergebnis, das uns nicht wirklich zufrieden machen kann“, sagte der Grünen-Politiker dieser Redaktion. „Durch die konsequente Haltung der EU und die umsichtige deutsche Verhandlungsführung ist aber ein Rückfall hinter Paris und Glasgow verhindert worden.“ Gut sei auch, dass die finanzielle Unterstützung besonders verwundbarer Länder in den Fokus gerückt sei.

Der Auftrag aus dem Pariser Klimaabkommen gelte jetzt umso mehr, betonte Habeck: „In konkreten Projekten beharrlich daran zu arbeiten, die Erderhitzung tatsächlich zu dämpfen. Im Vordergrund steht jetzt, die gemeinsame Abkehr von Kohle, Öl und Gas voranzutreiben – durch eine nachhaltige, sozial gerechte, globale Energiewende und die Dekarbonisierung der Industrie. Nur so können wir auf den 1,5-Grad-Pfad kommen.“

Klimakonferenz COP27: Darauf haben sich die Staaten geeinigt

Der Durchbruch kam tief in der Nacht. Nach zwei Konferenzwochen, gut 36 Stunden Verlängerung und dreißig Jahren, in denen Entwicklungsländer die Forderung immer wieder erhoben haben, beschlossen die rund 200 Staaten der Weltklimakonferenz am frühen Sonntagmorgen in Scharm el-Scheich, dass es zum ersten Mal überhaupt einen internationalen Fonds geben soll für klimabedingte Schäden und Verluste.

Fast lakonisch klang es, als der ägyptische Konferenzpräsident Präsident Samih Schukri die Entscheidung am Ende im Plenum verkündete – „Ich höre keinen Einspruch, es ist entschieden.“ Doch hinter der Entscheidung standen harte Auseinandersetzungen in den vergangenen zwei Wochen. Vor allem die EU hatte sicherstellen wollen, dass es am Ende nicht nur westliche Industriestaaten sind, die in einen solchen Fonds einzahlen, sondern auch andere Länder, etwa China als größter weltweiter Emittent von Treibhausgasen.

Schulze: USA, China und EU sollen in Fonds für Klimaschäden einzahlen

Doch die heikle Frage, wer zahlen soll und für wen am Ende Geld aus dem Fonds zur Verfügung steht, ist vertagt – regeln soll die Details eines solchen Fonds ein Komitee, bis zur nächsten Konferenz im kommenden Jahr. Auch interessant: Darum fuhr Greta Thunberg nicht zur Klimakonferenz

Entwicklungsministerin Svenja Schulze dringt auf einen Beitrag Chinas zum neuen Fonds. „Dass die Weltgemeinschaft dem Thema Klimaschäden und Verluste endlich die nötige Aufmerksamkeit gibt, ist nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen ein echter Durchbruch“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Deutschland wird sich mit einem fairen Anteil an der Bewältigung der Klimaschäden beteiligen. Bei der konkreten Ausgestaltung des Fonds werde ich Wert darauf legen, dass alle einzahlen müssen, die das Klimadesaster mit verursacht haben. Dazu gehören vor allem die größten Emittenten USA, China und natürlich auch die EU.“

Die Weltgemeinschaft dürfe nicht warten bis der Fonds stehe, mahnte Schulze, schließlich passierten die Klimaschäden heute schon. „Darum beginnen wir bereits jetzt mit der Umsetzung des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken, den alle Vertragsstaaten in der Abschlusserklärung ausdrücklich begrüßt haben“, sagte die Ministerin.

In der Abschlusserklärung des Treffens, dem „Scharm el-Scheich-Implementation-Plan“, bekräftigten die Staaten das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dafür seien sofortige und nachhaltige Senkungen der Treibhausgasemissionen erforderlich. Bis 2030 sollen diese um 43 Prozent verglichen mit dem Stand von 2019 sinken und etwa 2050 soll weltweit Treibhausgasneutralität erreicht sein. Staaten, die dies noch nicht getan haben, sollen ihre nationalen Emissionsziele bis zum Jahr 2030 nachschärfen.

Die Forderung vieler Aktivistinnen und Aktivisten auf der Klimakonferenz war klar: Bezahlt für die Schäden, die ihr verursacht habt.
Die Forderung vieler Aktivistinnen und Aktivisten auf der Klimakonferenz war klar: Bezahlt für die Schäden, die ihr verursacht habt. © dpa | Christophe Gateau

Klimakonferenz COP27: EU hatte mehr erhofft

Doch wo es darum geht, Emissionen zu senken, gelten die Abschlussdokumente Beobachtern und auch vielen Teilnehmern als zu wenig ehrgeizig. Zwar wiederholte die Abschlusserklärung den Beschluss zu einer Abkehr von Kohle aus dem vergangenen Jahr, doch ein Aufruf, auszusteigen aus allen fossilen Energien, schaffte es nicht in den Text, obwohl mehrere Länder genau das gefordert hatte. Auch auf die Forderung nach dem Ausbau erneuerbarer Energien konnten sich die Staaten nicht einigen. Stattdessen ist von „emissionsarmer“ Energie die Rede, was als Schlupfloch gelesen wird, zum Beispiel für Gas.

Unter anderem die EU hatte mehr erhofft in diesem Bereich, das wurde deutlich in der Stellungnahme von EU-Vizepräsident Frans Timmermans im Abschlussplenum: „Was wir vor uns haben, ist kein ausreichend großer Schritt nach vorn für die Menschen und den Planeten“, sagte Timmermanns am Sonntagmorgen. „Es adressiert nicht die gähnende Lücke zwischen der Klimawissenschaft und unserer Klimapolitik.“ Trotzdem habe die EU am Ende zugestimmt, um den Fonds für Klimaschäden nicht zu gefährden. „Das wäre ein riesiger Fehler gewesen.“ Auch interessant: Klimakonferenz in Ägypten – Wird Annalena Baerbock zu Klimaaußenministerin?

Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der Europäischen Kommission, will, dass die EU bei der Energieversorgung unabhängiger wird.
Frans Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident der Europäischen Kommission, will, dass die EU bei der Energieversorgung unabhängiger wird. © dpa

Eine Vertreterin von Antigua und Barbuda, die für die Gruppe der kleinen Inselstaaten sprach, lobte die Einigung als „Schritt zur Klimagerechtigkeit“. Doch auch sie kritisierte, dass beim Klimaschutz Lücken im Text blieben. Dass nach den jüngsten Berichten des IPCC die weltweiten Emissionen spätestens ab 2025 sinken müssten, sei etwa nicht im Text widergespiegelt.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zeichnete ein gemischtes Bild. „Wir haben einen Durchbruch bei der Klimagerechtigkeit geschafft – mit einer breiten Koalition von Staaten nach Jahren des Stillstands“, sagte sie. Doch dass überfällige Schritte zur Emissionsminderung von einigen großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten blockiert worden seien, sei „mehr als frustrierend“.

Fonds für Klimaschäden in ärmeren Ländern soll Millionen Menschen Hoffnung geben

Die Nichtregierungsorganisation Germanwatch betrachtet das Ergebnis vor allem das eines erfolgreichen Abwehrkampfs. „Manche auf dem Weltklimagipfel wollten angesichts geopolitischer Spannungen das Pariser Klimaabkommen versenken. Durch den gemeinsamen Einsatz progressiver Länder und der Zivilgesellschaft konnte das im Wesentlichen abgewendet werden“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Das 1,5 Grad-Limit bleibt das elementare Ziel im globalen Klimaschutz – und es ist noch immer erreichbar.“ Lesen Sie auch: Klimawandel – Wo die Erde unbewohnbar wird

Der WWF diagnostizierte einen „schwachen Puls“ der 1,5-Grad-Grenze. Die Staaten hätten sich nur auf die Behandlung der Symptome einigen können, nicht aber darauf, die Ursache abzustellen, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.

Der ägyptische Konferenzpräsident Samih Schukri zeigte sich am Ende der zweiwöchigen Konferenz erschöpft. „Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet“, sagte Schukri am Sonntagmorgen zum Ende der Konferenz. An der ägyptischen Konferenzleitung hatte es immer wieder harte Kritik gegeben in den vergangenen zwei Wochen, die Verhandlungsführung war als intransparent und teils chaotisch wahrgenommen worden. Zwischendurch sah es kurz aus, als ob die Konferenz ohne Einigung auseinander gehen könnte, was auch Schukri und seinem Team angelastet worden wäre.

Die Gespräche der Vertreter aus rund 200 Ländern seien teilweise angespannt gewesen, sagte der Konferenzpräsident am Sonntagmorgen, aber „am Ende haben wir geliefert“. Die Einigung auf einen Fonds für Klimaschäden in ärmeren Ländern gebe Millionen Betroffenen rund um die Welt Hoffnung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.