Washington. Der US-Kongress wird neu gewählt. Für die Republikaner treten viele Kandidaten an, die Trumps Lüge vom Wahlbetrug 2020 nachbeten.

Kantersieg oder Teilerfolg? Eine Woche vor den Kongresswahlen in den USA prophezeien Demoskopen den oppositionellen Republikanern einen „guten” Abend, der womöglich „großartig” werden könne. Umfragen sagen der Partei einen Sieg im Repräsentantenhaus voraus.

In vielen Bundesstaaten gehen republikanische Kandidaten an den Start, die die von Ex-Präsident Donald Trump lancierte Lüge vom Wahlbetrug 2020 nachbeten. Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, herrscht derzeit ein 50:50-Patt. Diese fünf Rennen um Senatssitze könnten besonders eng werden:

Pennsylvania: Mehmet Oz gegen John Fetterman

Der Republikaner Mehmet Oz.
Der Republikaner Mehmet Oz. © Getty Images | MARK MAKELA

Der Republikaner Mehmet Oz, ein über 100 Millionen Dollar schwerer TV-Doktor mit türkischen Wurzeln, ist ein Trump-Zögling ohne politisches Hinterland. Oz hat seinen Lebensmittelpunkt in New Jersey, ist also ortsfremd. Sein demokratischer Kontrahent John Fetterman betont das regelmäßig.

Der 53-jährige Hüne (2,03 Meter) gäbe mit Glatze, Tätowierungen und Kapuzenpulli einen prima Jugendleiter im sozio-kulturellen Zentrum nebenan ab. Als Vize-Gouverneur des Bundesstaates und ehemaliger Bürgermeister hat sich Fetterman den Ruf eines harten Streiters für Arbeitnehmerinteressen erworben, der zu den „Reps” abgewanderte Wähler zurückholen kann.

Doch Fettermans Klartext hat extrem gelitten, seit ihn im Frühsommer ein Schlaganfall ereilte, den er zunächst verheimlichte. Vor einer TV-Debatte vor wenigen Tagen, bei der er teilweise eine bemitleidenswert hilflose Figur machte, rangierte Fetterman mit fünf Prozentpunkten vor Oz. Der Vorsprung dürfte kurz vor der Wahl kleiner werden.

Repräsentantenhaus in den USA- Wahl, Aufgaben und Funktionen

Ohio: Tim Ryan gegen J. D. Vance

Eigentlich sah James David Vance (38), den alle seit seinem Erfolgsbuch „Hillbilly Elegy” nur J.D. rufen, bereits wie der sichere Sieger aus. Donald Trump hatte sich gemeinsam mit dem Silicon-Valley-Investor Peter Thiel hinter Seiteneinsteiger Vance versammelt.

„J. D. küsst mir den Arsch”, sagte Ex-Präsident Donald Trump über den republikanischen Kandidaten James David Vance.
„J. D. küsst mir den Arsch”, sagte Ex-Präsident Donald Trump über den republikanischen Kandidaten James David Vance. © Getty Images | Gaelen Morse

Der machte lange Zeit eher uninspiriert Wahlkampf mit Klassikern wie Pro Abtreibungsverbot und Contra illegale Einwanderung. Bis die „Rep”-Spitze nervös wurde. Denn Tim Ryan, der demokratische Wettbewerber, kam durch sein direkte Art der Ansprache in den Umfragen immer näher. Bis er Vance überholte.

Dessen Nähe zu Trump ist toxisch. „J. D. küsst mir den Arsch”, sagte Trump bei einer Veranstaltung in Ohio. Woraus Ryan destillierte: „Ohio will keinen Arschkriecher.” Ryan trennt in letzten Umfragen nur ein Tick (im Bereich der Fehlertoleranz) von Vance. Lesen Sie auch: Vorbild Trump: Wahl-Leugner streben in Amerika an die Macht

Georgia: Herschel Walker gegen Raphael Warnock

Ähnlich wie Mehmet Oz in Pennsylvania hat Herschel Walker (60) null politische Erfahrung. Der stiernackige Ex-Footballstar der Dallas Cowboys hat aber Donald Trump hinter sich. Im Südstaat unterlag der Ex-Präsident 2020 nur hauchdünn seinem Widersacher Joe Biden. Durch Trump hat sich der Schwarze als Anti-Politiker profilieren können. Fehlende Sachkenntnis, täppisches Auftreten wie auch Lügengeschichten haben ihm bisher nichts anhaben können.

Tritt für die Demokraten an: Baptisten-Pfarrer Raphael Warnock.
Tritt für die Demokraten an: Baptisten-Pfarrer Raphael Warnock. © Getty Images | Megan Varner

Der dickste Klops: Der erklärte Abtreibungsgegner (auch bei Inzest und Vergewaltigung) musste zuletzt neben häuslicher Gewalt drei uneheliche Kinder zugeben, die er verheimlicht hatte. Trotzdem kann sich sein Kontrahent, der demokratische Afro-Amerikaner und Baptisten-Pfarrer Raphael Warnock, in Umfragen nicht von ihm absetzen.

Nevada: Catherine Cortez Masto gegen Adam Laxalt

Die demokratische Senatorin Catherine Cortez Masto (58) befindet sich in einem hartnäckigen Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem früheren Generalstaatsanwalt Adam Laxalt; auch er ein Mann von Trumps Gnaden. Der Jurist stand im Herbst 2020 landesweit mit an der Spitze derer, die von Wahlbetrug im großen Stil zu Lasten Trumps fabulierten.

Cortez Masto war 2017 die erste Latina in der Geschichte Amerikas, die es in den Senat geschafft hat. In Nevada stellen die Hispanics eine sehr relevante Wählergruppe. Zuletzt wählte ein Drittel der Nachkommen von Einwanderern aus dem südlichen Hinterhof der USA republikanisch. Mehr zum Thema: Midterms 2022: Aktuelle Umfrage zur US-Wahl am 8. November

Weil sie wie Joe Biden gemäßigt auftritt, bindet Laxalt der Amtsinhaberin die Problem-Baustellen des Präsidenten ans Bein: allen voran die hohe Inflation und die illegale Einwanderung an der Grenze Mexiko. Der Republikaner tritt wie Trump für mehr Grenzschutz und eine rigorose Abschiebungspolitik ein.

Arizona: Mark Kelly gegen Blake Masters

Der ehemalige Nasa-Astronaut Mark Kelly, ein Demokrat, sah im Sommer bereits wie der sichere Sieger im Senats-Rennen gegen den jungen Konkurrenten Blake Masters aus. Seine Brückenbauer-Qualitäten und sein Engagement für schärfere Waffengesetze (seiner Frau, der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabby Giffords, schoss ein Attentäter vor elf Jahren in den Kopf) ließen den 58-Jährigen bis weit ins konservative Milieu als wählbar erscheinen.

Der frühere Astronaut Mark Kelly tritt für die Demokraten in Arizona an.
Der frühere Astronaut Mark Kelly tritt für die Demokraten in Arizona an. © Getty Images | Rebecca Noble

Dann kam der deutschstämmige Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel daher, pumpte 15 Millionen Dollar in den Wahlkampf seines ehemaligen Angestellten Masters, und die Dinge kamen in Bewegung. Weil sich Masters schnell der Trump-Lüge vom Wahlbetrug anschloss, bekam er auch das Plazet des Ex-Präsidenten.

Mit seinem Eintreten für mehr Strenge gegen illegale Einwanderung und eine Wirtschaftspolitik, die vor allem auf Amerikas Stärke setzt, hat sich der öffentlich oft steif und kopflastig wirkende Mann aus Denver/Colorado Zustimmung in vielen Wählerschichten erworben. Der Abstand zu Kelly beträgt nur wenige Prozentpunkte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.