Goslar. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel schätzt Pistorius’ „kommunale Kompetenz“ und geerdete Politik. Indirekt kritisiert er Vizekanzler Scholz.

Eine Woche vor Ende der Bewerbungsfrist um den SPD-Vorsitz macht sich Sigmar Gabriel demonstrativ für Boris Pistorius stark. Er kenne Niedersachsens Innenminister und Osnabrücks Ex-Oberbürgermeister seit Jahrzehnten. „Pistorius ist geerdet, betreibt keine abgehobene Politik. Ich wünsche mir, dass es wieder mehr kommunale Kompetenz in der Bundespolitik gibt“, erklärte Ex-SPD-Chef Gabriel im Interview mit unserer Zeitung.

Pistorius kandidiert im Duo mit Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping.Auch Köpping schätze er sehr, sagte Gabriel. Sie sei kein „Feigenblatt, damit ein Mann in einer Doppelspitze kandidieren kann“. Beide meinten es wirklich ernst mit der SPD. Andere würden sich Vorteile bei Listenaufstellungen oder Ministerämtern verschaffen wollen, so Gabriel.

Indirekte Kritik an Olaf Scholz

Gabriel nannte zwar Vizekanzler Olaf Scholz nicht direkt. Dennoch dürfte eine Bemerkung auf ihn gemünzt sein. Gabriel sagte: „Die SPD ist in einem Zustand, in dem sie nichts anderes braucht als Vorsitzende, die sich wirklich um die Erneuerung der Partei kümmern. Wenn man Erneuerung sagt, müssen es neue Leute sein. Und nicht diejenigen, die die 12 Prozent in den Umfragen zu verantworten haben und nun den Retter der SPD spielen wollen.“

Seine Regierungsämter will Finanzminister Scholz trotz der Kandidatur behalten. Zuvor hatte er erklärt, der Parteivorsitz sei nicht mit seinem Amt als Finanzminister vereinbar. Dazu sagte Gabriel nur: „Das muss er selbst erklären.“ Die SPD befinde sich in einer Existenzkrise. „Im Zweifel würde ich sagen, dass es die SPD verdient hat, dass man auf Regierungsämter verzichtet, um sie aus der tiefsten Krise seit 1890 zu führen“, sagte er. Gabriel selbst trat nun den Vorsitz der Atlantik-Brücke an. Diese will deutsch-amerikanische Beziehungen fördern.

Weiterer Zuspruch aus der Niedersachsen-SPD

Pistorius erhielt bereits weiteren Zuspruch aus der Niedersachsen-SPD. Ministerpräsident Stephan Weil und auch Umweltminister Olaf Lies sprachen sich für Pistorius aus. Der Landesvorstand der niedersächsischen SPD will sich bis zum 30. August abschließend mit den Bewerbungen und möglichen Nominierungen befassen.

Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September erklärte Gabriel, er rechne nicht mit einem Wahlsieg der AfD. „Ich habe schon die Hoffnung, dass wir das verhindern können. Die AfD wird Erfolge haben, das ist leider so. Ich denke aber, dass in Sachsen die CDU und in Brandenburg die SPD die Wahlen deutlich vor der AfD gewinnen werden.“