Detroit/Washington. Mehr als 20 Politiker kämpfen um die Nominierung zur demokratischen Präsidentschaftkandidatur. So wollen sie Donald Trump schlagen.

Team-Bildung ist im amerikanischen Präsidentschafts-Vorwahlkampf normalerweise ein Tabu. Man kämpft für sich selbst. Und versucht, der parteiinternen Konkurrenz nach Kräften Beulen zu verpassen. Elizabeth Warren (70) signalisierte schon zu Beginn der TV-Debatte im barocken Fox Theatre von Detroit, dass sie diese Erwartungshaltung unterlaufen würde.

Warrens langjähriger Waffenbruder im Kampf für ein sozial gerechteres Amerika, Bernie Sanders (77), bekam vor laufender Kamera einen emphatischen Schulterklaps. Im Stile eines Nichtangriffspaktes unter Senioren bildeten die Neu-Engländer in den von CNN live übertragenen zweieinhalb Stunden danach eine dichte Front gegen die Attacken und Nadelstiche der anderen acht demokratischen Aspiranten für die 2020er Kandidatur gegen Amtsinhaber Donald Trump.

So schossen die Rivalen gegen Sanders und Warren

Deren Mantra war klar: Wer (wie Sanders und Warren) Revolution predigt, illegale Grenzübertritte entkriminalisieren, Flüchtlingen kostenlose Krankenversicherung gewähren, Studenten großzügig Kreditschulden stunden und dem Klimawandel mit einem radikalen „Green New Deal” beikommen will, der treibt unabhängige und unentschlossene Wähler geradezu in die Arme Trumps.

Wer einer staatlich-gesetzlichen Krankenkasse („Medicare for All”) das Wort redet und damit in Millionen mehr oder weniger zufriedenen Privat-Versicherten Existenz- und Bürokratieängste weckt, der verlängert Trumps Mietvertrag im Weißen Haus um weitere vier Jahre.

Wie links darf man sein, wenn man Trump verdrängen will?

Was die nach wie vor ungelöste Kern-Frage der Demokraten für die Zeit bis zur Wahl in 15 Monaten wieder ins Rampenlicht schiebt: Wie links darf man sein, um den Populisten Trump verdrängen zu können?

Das Duo Sanders/Warren parierte die Angriffe mit verteilten Rollen. Während Sanders seinen Sozialisten-Status stolz wie ein Emblem am Revers trägt, gibt sich Warren als Verfechterin eines regelbasierten Kapitalismus’. In der Sache passt kaum ein Blatt zwischen die beiden Senatoren, die in Umfragen zurzeit gemeinsam auf 30 Prozent Zustimmung kommen. Die Unterscheide sind stilistischer Natur.

Senatorin Elizabeth Warren nutzt das rhetorische Florett

Wo Sanders mit rotem Kopf schnell in Rumpelstilzchenhafte abdriftet, wenn die parteieigene Konkurrenz politische Tippelschritte propagiert, nutzt Warren das rhetorische Florett. Als der ehemalige Kongress-Abgeordnete John Delaney, der nicht mehr als einen Prozentpunkt Zustimmung auf die Waagschale bringt, zum x-ten Mal dafür warb, „echte Lösungen” zu verfolgen und nicht „unmögliche Versprechungen”, ließ die Professorin ihm unter starkem Beifall die Luft raus.

„Ich verstehe nicht, warum jemand sich all die Mühe macht und als Präsidentschaftskandidat bewirbt, um dann darüber zu sprechen, was wir wirklich nicht machen können und wofür wir nicht kämpfen sollten”. Wer nur an den Stellschrauben des Systems drehen will, sagte Warren, verkenne, dass das herrschende Wirtschaftssystem weite Teile der Bevölkerung strukturell zu Gunsten der Reichen und Superreichen benachteilige. Nur „große Veränderungen” könnten dem beikommen. Alles andere sei „rückgratlos”.

Sanders giftet zurück: „Habe den Gesetzentwurf geschrieben“

Den Vorwurf, sie betrieben „Märchen-Wirtschaftspolitik“, konterten Sanders und Warren mit hohen Zustimmungswerten, die ihre Konzepte bislang bei Wählern links der Mitte erhalten. Zweifel an der Seriosität bügelten sie ab.

Als der chancenlose Abgeordnete Tim Ryan Sanders Wissenslücken im molochhaften Gesundheitswesen attestierte, giftete der Mann aus Vermont zurück, dass er natürlich umfassend im Bilde sei „Ich habe den verdammten Gesetzesentwurf geschrieben.”

Nur Pete Buttigieg kann Warren und Sanders etwas entgegensetzen

Bürgermeister Pete Buttigieg (l.) und Senator Bernie Sanders bei der Debatte am Dienstagabend in Detroit.
Bürgermeister Pete Buttigieg (l.) und Senator Bernie Sanders bei der Debatte am Dienstagabend in Detroit. © Reuters | LUCAS JACKSON

Der Dominanz von Sanders und Warren konnte von den ernster zu nehmenden Mitbewerbern allein Youngster Pete Buttigieg (37) ab und an etwas entgegensetzen. Der Rest wird aufgrund verschärfter Kriterien bei der nächsten TV-Debatte im September wohl durch den Rost fallen.

Dann kommt es wahrscheinlich zum ersten direkten Aufeinandertreffen von Sanders und Warren mit dem klar in Führung liegenden Kandidaten: Joe Biden. Obamas ehemaliger Vizepräsident gilt als das Gegenmodell; mittig, mit gemäßigten Republikanern kompatibel und auch Wählern vermittelbar, die Trumps Politik-Inhalte schätzen aber deren Verpackung abstoßend finden.

Sollte er Mittwochnacht bei der zweiten TV-Runde mit weiteren zehn Kandidaten/-innen nicht erneut von der ehrgeizigen Westküsten-Senatorin Kamala Harris durch den Fleischwolf gedreht werden, wird Biden spätestens dann penibel testen, wie belastbar das ideologische Band zwischen Warren und Sanders tatsächlich ist.