Berlin. Mit der „Gorch Fock“ lässt sich politisch „Schiffe versenken“ spielen, meint unser Autor. Wann von der Leyen wohl auf Grund läuft?

Wäre die „Gorch Fock“ kein Schiff, sondern ein Auto, hätte sie ein H-Kennzeichen. Ein Oldtimer, altes Schätzchen, Baujahr 1958, einzelne Teile älter, 70, 80 Jahre. Der Großsegler ist ein Beispiel für deutsche Wer(f)tarbeit. Und doch nagt an ihm der Zahn der Zeit. Rost ist normal. Nicht unüblich ist auch, dass eine Grundsanierung mehrere Jahre dauern kann. Bei der „Sa­gres“, einem noch älteren Schwesterschiff, zog sie sich sogar vier Jahre hin.

Was irritiert, sind die hohen Kosten, ihr unvermittelter, exorbitanter Anstieg. Er ist die Folge des eigentlichen Skandals: Wenn sie denn ihr ganzer Stolz ist, hätte die Marine das Schiff auch so behandeln müssen, nämlich hegen und pflegen, statt es jahrzehntelang nur oberflächlich in Schuss zu halten. Das musste sich irgendwann rächen. Als der Dreimaster halb verrottet war – schlimm genug –, hätte man sich wenigstens ehrlich machen müssen.

Verschleierungslogik erinnert an BER und Elbphilharmonie

In Wahrheit setzte ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit ein: Der politischen Führung wurde das Ausmaß der Missmanagements verschleiert. Schaurig faszinierend ist daran, dass die Methode nahezu immer Erfolg hat. Gelernt ist gelernt.

Aus einer Kostenschätzung von zehn Millionen wurden binnen kürzester Zeit 135 Millionen Euro. Da fast 70 Millionen Euro ausgegeben sind, bleiben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und dem Parlament kaum etwas anderes übrig, als weiter werkeln zu lassen. Es gibt nur schlechte Optionen. Hier greift die gleiche Augen-zu-und-durch-Logik, die man vom BER oder der Elbphilharmonie kennt.

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„Gorch Fock“ zur Traditionspflege

Man sollte den Großsegler zu Ende bauen, aber prüfen, ob eine Grundausbildung nach alter Art noch zeitgemäß ist. Es ist ein bisschen so, als würde die Luftwaffe ihre Tornado-Piloten zur Einstimmung auf alten Ju-Maschinen fliegen lassen. Die Ausbildung sollte in modernen Schiffen stattfinden, die „Gorch Fock“ kann man sich zu Repräsentationszwecken leisten, zur Traditionspflege. Nüchtern betrachtet ist sie aus der Zeit gefallen und hätte eher als Museumsschiff eine Berechtigung.

Natürlich trägt von der Leyen die Verantwortung. In der Politik hat die Personalisierung Methode. Aber kein Verteidigungsminister kann etwas dafür, wenn die Truppe mitten in einem Dürresommer Raketentests im Moor macht und buchstäblich mit dem Feuer spielt, wenn Vorlagen geschönt sind und wie bei der „Gorch Fock“ just der Kostenprüfer unter Korruptionsverdacht gerät. Von der Leyen hat allerdings mehr als ihre Vorgänger auf eine rigide Kostenkontrolle geachtet.

Von der Leyen als Opfer ihres Führungsstils

Das führte dazu, dass Dinge auf den Tisch kommen, die früher leichter unter denselben gefallen wären. Anfangs wurde es ihr mal als Gestaltungsehrgeiz, mal als Profilneurose ausgelegt. Inzwischen ist sie seit Jahren im Amt und darf an den Ergebnissen gemessen werden: Die Pannen hören nicht auf. Nun fallen sie auf die Ministerin zurück. So wird sie zum Opfer ihres eigenen Führungsstils.

Die Bundeswehr hat etwa 250.000 Mitarbeiter, so viele Menschen, wie in einer Stadt wie Magdeburg oder Kiel leben. Und sie hat einen Etat von 38,5 Milliarden Euro, was auch für ein DAX-Unternehmen respektabel wäre. In diesem Riesenbetrieb ist nicht immer klar, wer wen führt, die Ministerin den Apparat oder umgekehrt.

Sicherheit entzieht sich der Kosten-Nutzen-Rechnung

Hinzu kommt, dass Streitkräfte ein Raum kalkulierter Unwirtschaftlichkeit sind. Sie sollen Sicherheit produzieren. Das entzieht sich meist einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Was nun die „Gorch Fock“ betrifft, so eignet sie sich besonders, um politisch „Schiffe versenken“ zu spielen. Sie ist nicht notwendig. Der Segler entpuppt sich als Dampfmaschine, die viel Kohle braucht – die Kohle des Steuerzahlers.

Zum Artikel: Grüne und Linke fordern das Ende der „Gorch Fock“