Berlin . Im November kam Ali stark unterernährt in ein Krankenhaus in Sanaa. Ihm konnte nicht mehr geholfen werden, zwei Tage später starb er.

Als seine Mutter ihn am 2. November in das Krankenhaus von Sanaa bringt, direkt an der Frontlinie geht es Ali Mohammed Ahmed Jamal schon ziemlich schlecht. Er wiegt nur noch 15 Kilogramm. Als seine Mutter gefragt wird, warum sie erst jetzt mit ihm komme, antwortet sie, dass sie kein Geld für den Transport des Jungen gehabt habe.

Außerdem musste sie, um zum Krankenhaus zu gelangen, durch die Frontlinie. „Ich spürte, er würde sterben. Also, hatte ich die Wahl, lasse ich ihn zuhause sterben oder riskiere ich an der Frontlinie auch noch mein Leben“, Die Mutter wählte das Risiko und verlor ihren Ali trotzdem.

Geert Cappelaere berichtet in Berlin bei der Vorstellung des „Unicef-Situationsberichts: Kinder im Jemen“ die Geschichte von Ali und seiner Mutter. Er selbst, der als Unicef-Regionaldirektor Mittlerer Osten und Nordafrika im Jemen war, hat die Frau und ihr Kind im Krankenhaus getroffen.

Unicef: Ali ist kein Einzelfall

„An dem Tag, an dem die Mutter mit Ali kam, waren besonders viele Kinder in ähnlich schlechter Verfassung gebracht worden.“ Cappelaer erzählt noch von anderen Kindern, vom Mädchen Amal, dass am 1. November starb und dessen ausgemergelter Körper auf der Titelseite der „New York Times“ die Menschen weltweit schockierte.

Er erzählt von Adam, Randa und Sara. „Einige von ihnen lagen dort ganz alleine, praktisch ohne Hilfe von anderen Menschen. Jemen ist heute eine Hölle auf Erden für Kinder.“

„Der Jemen ist der schlimmste Ort für Kinder weltweit“

Unicef schätzt, dass sieben Millionen Kinder jeden Abend in dem Land hungrig ins Bett gehen müssen, das ist jedes zweite Kind. „Der Jemen ist der schlimmste Ort für Kinder weltweit“, so Cappelaere. Aktuell leiden 1,8 Millionen Kinder an akuter Mangelernährung, 400.000 leiden an der lebensbedrohlichen Form.

Der Grund für den Hunger ist der andauernde Bürgerkrieg im Land. Huthi-Rebellen kämpfen seit 2015 gegen die jemenitische Regierung, die unterstützt wird von einer Koalition aus zehn Ländern, an deren Spitze Saudi-Arabien steht. Logistische Hilfe für die Koalition kommt aus den USA, Frankreich und Großbritannien.

Laut Unicef stirbt alle zehn Minuten ein Kind im Jemen an Unterernährung und an Krankheiten wie Cholera. Die Welthilfeorganisation fordert daher die Konfliktparteien auf, dafür zu sorgen, dass humanitäre Hilfe bedingungslos fortgesetzt werden könne und die vielen Hürden, die allen Hilfsorganisationen in den Weg gelegt würden, sofort beseitigt werden.

Mit einfachsten Medikamenten wären Kinder zu retten

Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sagt anlässlich des Unicef-Berichts: „Das ist ein Skandal, denn wir könnten diese Kinder mit einfachsten Medikamenten und Hilfsmaßnahmen retten.“ Aber die Vereinten-Nationen-Hilfswerke wie UNICEF seien massiv unterfinanziert.

Es sei beschämend: „Nicht einmal die Hälfte des Hilfsbedarfs ist gedeckt. Die Mittel müssen dringend bereitgestellt werden. Die Weltgemeinschaft darf den Menschen in Jemen nicht länger beim Sterben zuschauen“, so Müller. Unter Federführung der Vereinten Nationen müsse es bald zu einem Waffenstillstand und einer politischen Lösung kommen. Das Bundesentwicklungsministerium unterstützt Unicef in Jemen in diesem Jahr mit 16 Millionen Euro.

Nur noch die Hälfte aller Krankenhäuser im Jemen seien in Betrieb. Viele Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern hätten seit zwei Jahren kein Gehalt mehr bekommen. Nur mit Unterstützung der Hilfsorganisationen können wenigstens einige der Krankenstationen versorgt und ein kleines Überlebenshilfe an das Personal gezahlt werden. Unicef-Mitarbeiter behandelten 2018 über 230.000 Kinder mit schwerer akuter Mangelernährung, ermöglichten rund einer Million Kinder unter fünf Jahren eine minimale Gesundheitsversorgung und versorgten fast fünf Millionen Menschen mit Trinkwasser.

Geert Cappelaere bittet auf der Präsentation des Situationsberichts Jemen um Spenden für die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort. Auch wenn die Situation im Land dramatisch sei, hätten die Kinder Hoffnung auf eine bessere Zukunft: „Viele möchten nicht über die Gegenwart sprechen, aber über ihre Träume. Träume von einem besseren Leben, von Bildung, von einem Leben als Arzt oder Lehrer“, sagte Cappelaere.

Informationen zu Spenden: www.unicef.de/jemen.