Berlin. Nach den acht Regionalkonferenzen läuft nun alles auf ein Duell zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz hinaus. Bislang ist es ein Remis.

Es war bei der zweiten Konferenz in Idar-Oberstein, als sich Annegret Kramp-Karrenbauer nach drei Stunden Debattieren im Stehen auf ein Fußbad freute. Und vor allem auf ihren Mann, der sie von der Halle abholte. Mittlerweile liegen acht dieser Regionalkonferenzen hinter AKK, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Von Lübeck im Norden bis Böblingen im Süden machte das Trio außerdem Station in Thüringen, Sachsen-Anhalt, NRW, Rheinland-Pfalz, Bremen und Berlin. Nachtfahrten, lange Strategieabsprachen, zahlreiche Interviews: Das Kandidaten-Trio für den Parteivorsitz der CDU war die vergangenen zwei Wochen in einer beispiellosen Wettbewerbstour in Deutschland unterwegs.

Mehrfach wurde kurzfristig der Veranstaltungsort getauscht, um der großen Nachfrage unter den Parteimitgliedern gerecht zu werden.

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    Kandidaten in der Einzelwertung

    Bei der CDU spricht man daher von einem Erfolg – egal, wer am Ende das Rennen macht. Es war ein fairer Wettstreit, zunächst fast friedfertig, später dann etwas scharfzüngiger. Viel Zeit bleibt nicht zum Durchschnaufen, bereits am nächsten Freitag ist die Wahl in Hamburg. Die drei Kandidaten wissen, dass die Reden auf dem Parteitag entscheidend sein können, die Parteiversammlungen haben stets eine eigene Dynamik. (Lesen Sie hier: Kampf um CDU-Vorsitz: Das sind die Coaches der Kandidaten)

    Haben die drei ihre jeweiligen Stärken ausspielen können? Im Falle von AKK und Merz haben beide das Ziel erreicht, ihre Stärken herauszustellen und deutlich zu machen, wohin sie die CDU steuern wollen. AKK will ein christlich-soziales Profil, Merz steht für eine prägnantere konservativere Ausrichtung. Spahn konnte bei den Konferenzen nicht verhindern, dass es auf ein Duell zwischen AKK und Merz hinausläuft. Die Kandidaten in der Einzelwertung:

    Die Saarländerin hatte mehrere Ziele: eine Distanz zwischen sich und die amtierende CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel zu bringen und dabei ein eigenes, ein konservativ-christliches Profil zu schärfen. Außerdem kam es ihr darauf an, ihre Verankerung in der CDU und ihre Regierungserfahrung in diversen Ämtern herauszustellen. Das ist der 56-Jährigen gelungen.

    Annegret Kramp-Karrenbauer

    Annegret Kramp-Karrenbauer.
    Annegret Kramp-Karrenbauer. © dpa | Kay Nietfeld

    Kämpferischer als gedacht waren ihre Reden, sie hat mit harten Forderungen in der Sicherheitspolitik (etwa Abschiebungen nach Syrien) ebenso auf sich aufmerksam gemacht wie mit jenen nach einem verpflichtenden Dienstjahr oder mehr Geld für die Bundeswehr. Die bodenständige ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlands ist mutiger geworden. Endeten ihre Reden zuvor manchmal etwas verschwurbelt, bemühte sie sich nun um Klarheit.

    Und drückte die Knöpfe, die bei der CDU-Basis ankommen: christliches Menschenbild, Verantwortung für Europa. Sie bemühte Altkanzler Helmut Kohl beim missglückten Asylvorstoß von Merz, bediente immer wieder das Wir-Gefühl, stellte sich vor ihre Partei bei der Kritik, nichts gegen den Aufstieg der AfD getan zu haben. Ihr Vorteil: Sie tourte bereits im Sommer durch die Landesverbände, darauf wies sie immer wieder hin.

    „Wir machen das, weil wir eine Verantwortung haben“, sagte sie über sich und ihre beiden Mitbewerber. Innerhalb der CDU-Anhängerschaft kann AKK laut aktuellem ARD-„Deutschlandtrend“ knapp 48 Prozent von sich überzeugen. Im Vergleich zu Mitte November kann Kramp-Karrenbauer damit um zwei Prozentpunkte zulegen. Kritik gab es daran, dass sie bei ihrem Versuch, alle mitzunehmen, manchmal mit Forderungen im Ungewissen blieb. Den größten Lacherfolg erntete die zierliche Frau in Bremen: „Ich bin die einzige, die Wladimir Putin auf Augenhöhe begegnen kann.“ Die beiden männlichen Kandidaten überragen sie in der Körpergröße deutlich.

    Friedrich Merz

    Dem 63 Jahre alten Rechtsanwalt ist das Comeback des Jahres gelungen – egal, ob Merz den Chefposten erobert oder nicht. Der brillante Redner hat den Wettbewerb beflügelt, die Aufmerksamkeit auf den Wettstreit gelegt. Merz musste in den Regionalkonferenzen zum einen seine Stärken als wirtschaftsliberaler und konservativer Denker heraussstellen, aber auch deutlich machen, warum er nach Jahren der Politikabstinenz jetzt der Richtige ist, um die Partei wieder aus dem Umfrageloch zu führen.

    Friedrich Merz.
    Friedrich Merz. © dpa | Kay Nietfeld

    Dass er das vergangene Jahrzehnt in der Wirtschaft verbracht hat und nicht an politischen Entscheidungen beteiligt war, versuchte er zu überspielen. In der ersten Woche gelang ihm das nur leidlich, er musste den einen oder anderen Rückschlag hinnehmen. So brachte er etwa eine Grundgesetzänderung im Asylrecht ins Gespräch, hatte die genauen Zahlen der Flüchtlinge, die sich tatsächlich auf die deutsche Verfassung berufen, aber nicht parat. Erstaunt über das kritische Echo – auch aus der Union – ruderte er dann im sozialen Nachrichtendienst Twitter zurück, fügte später an, Journalisten hätte ihn „missverstanden“.

    Dass er zunächst einen Bogen um eine klare Aussage zu seinen Vermögensverhältnissen machte, um sich dann in der „gehobene Mittelschicht“ einzuordnen, brachte dem erfolgreichen Wirtschaftsanwalt Kritik ein. Der Kandidat Merz schaltete in der zweiten Woche dann in den Angriffsmodus, konnte erfolgreiche Auftritte bei den mitgliederstarken Landesverbänden Baden-Württemberg und NRW verzeichnen. In Bö­blingen etwa redete er zehn Minuten in der Kongresshalle, dann standen plötzlich viele Mitglieder von ihren Stühlen auf, applaudierten im Stehen.

    Er warnte auch vor einer Sozialdemokratisierung der Union. „Wir müssen doch nicht alle Positionen übernehmen, die die Sozialdemokraten richtig finden“, rief er der Basis in der Böblinger Kongresshalle zu, tänzelte dabei von einem Fuß auf den anderen, ballte die Fäuste, gab sich kämpferisch. Wichtig war für ihn, deutlich zu machen, dass nicht Rache an Merkel sein Motiv ist, in die Politik zurückzukehren.

    Er würde mit ihr als Kanzlerin gut zusammenarbeiten, betonte er stets. „Weil das Land an erster Stelle steht.“ Merz sorgte bei machen Zuhörern für leuchtende Augen, er verkörpert die Sehnsucht vieler CDU-Mitglieder nach einem richtigen Neustart. Doch sein langes Fernbleiben von der Politik lässt manchen zögern. Entscheidend ist, wie sich die Funktionäre der Partei, die einen Großteil der Delegierten stellen, in dieser Frage entscheiden. (Friedrich Merz im Interview: „Bin fest davon überzeugt, dass ich CDU-Chef werde“)

    Jens Spahn

    Jens Spahn.
    Jens Spahn. © dpa | Kay Nietfeld

    Der Bundesgesundheitsminister hat gekämpft wie ein Löwe. Der 38-Jährige, seit Jahren ein Kritiker von Merkel, war von der Merz-Kandidatur eiskalt überrascht worden. Es war für ihn aus zwei Gründen besonders bitter: Zum einen kam ein Zweiter in das konservativere Lager der CDU, zum anderen musste er feststellen, dass Förderer auf einmal auf die Merz-Seite wechselten, etwa Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

    Auch beim Mittelstand und der Jungen Union gibt es auf einmal viele, die sich für den Älteren aussprechen. Doch Spahn zögerte nicht – er wusste, dass er kandidieren musste, um nicht als Drückeberger dazustehen. Seitdem kämpft er vor allem für den Generationswechsel in der CDU, spricht oft von einer Vision für das Jahr 2040. Spahn bewegte sich auf den Bühnen der Regionalkonferenzen stets frei, warb vor allem um ein neue Debattenkultur und blieb auch bei dem Thema, das ihn persönlich umtreibt, der Migrationsfrage, hartnäckig.

    Auch mit seinen Konkurrenten ging er schon früh härter ins Feld. Er sprach schon in der ersten Regionalkonferenz in Lübeck an, was ihn am Kandidaten Merz nervt. „Ich wünschte, wir hätten sie damals schon an Bord gehabt“, sagte er, als Merz die Fehler des Flüchtlingsherbstes 2015 aufzählte. Und AKK griff er, der mit einem Mann verheiratet ist, für ihre Ablehnung der Ehe für alle an.

    Spahn schonte die Zuhörer nicht, plädierte für mehr Ehrlichkeit, wies etwa darauf hin, dass man sich darauf einstellen müsse, künftig noch später in Rente zu gehen. Er versuchte, sein Image des jungen Wilden, das manchmal in das Bild des Raufboldes abgleitet, zu bekämpfen. Ganz gelang es ihm nicht, er wirkte teilweise sehr hart in der Argumentation. Ihm fehlt – noch – das Verbindliche. Im Falle einer Niederlage will er Minister bleiben. Generalsekretär unter einem der beiden anderen? Er winkt ab, auch seine Kandidatur will er nicht zurückziehen.