Berlin. Tag eins nach Merkels Teilrückzug aus der Politik: Die Fragen nach einer Schwächung ihrer Stellung als Kanzlerin lässt sie abprallen.

Sie zuckt mit keiner Wimper, die Miene ist fest. Natürlich dauert es nicht lange, bis sich Angela Merkel der Frage aller Fragen stellen muss. Ob die Stellung der Bundeskanzlerin nach ihrem Verzicht auf den CDU-Vorsitz bei internationalen Gesprächen nicht angeknackst sei, will ein Journalist wissen.

Merkel nimmt den Reporter ins Visier und entgegnet kühl: „Ich glaube, dass sich an der Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen nichts verändert.“ Im Gegenteil. „Man kann sogar sagen, ich habe mehr Zeit, mich auf die Aufgaben als Regierungschefin zu konzentrieren.“ Merkel spricht ruhig, kein Zittern in der Stimme. Sie antwortet mit der Laufruhe eines Schweizer Uhrwerks.

Was hält Merkel von Merz’ Kandidatur?

Es ist Dienstagnachmittag. Nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi stellt sich Merkel im Kanzleramt der Presse. Was sie von der Kandidatur ihres alten Rivalen für das Amt des Parteichefs halte, lautet eine Frage.

Die scheidende Parteichefin antwortet wie aus der Pistole geschossen: Das Rennen der Anwärter sei ein „offener Prozess“. Sie habe gelernt, sich bei Regelungen der Nachfolge nicht einzumischen. Wie sich der Parteitag im Dezember in Hamburg entscheide, „schauen wir uns an“, fügt sie hinzu. Punkt. Thema abgehakt.

Merkels Rückzug: So wird jetzt um die Nachfolge gekämpft

weitere Videos

    Merkel legt die Rolle des Prügelknaben ab

    Nach dem politischen Erdbeben, das ihr Teilrückzug am Montag ausgelöst hat, strahlt Merkel Gelassenheit aus. Fast befreit wirkt sie, dass sie sich der Rolle des Prügelknaben nach jeder verlorenen Wahl für die Union nun entzogen hat.

    Seit Beginn der sogenannten wurde die Kanzlerin von vielen Kritikern in die Generalverantwortung für den Niedergang der Christdemokraten genommen. Diese Last ist nun weg.

    Merkels Lieblingsprojekt: Afrika

    Den Auftritt mit dem ägyptischen Staatschef spult Merkel routiniert ab. Sie lobt al-Sisi für die Grenzsicherung seines Landes und den Kampf gegen den Terror. Der Gast aus Kairo bedankt sich für die wirtschaftliche Unterstützung der Bundesregierung und die wieder anziehende Zahl der Touristen aus Deutschland.

    Bei einer Wirtschaftskonferenz in Berlin verspricht die Kanzlerin die Förderung privater Investitionen in Afrika. Die Partnerschaft mit dem Nachbarkontinent ist eines ihrer Lieblingsprojekte und ein zentraler Baustein bei der Bekämpfung der Fluchtursachen.

    Schadenfreude bei den Rechtspopulisten

    In Afrika und bei den EU-Spitzen – so scheint es – hat Merkels Ansehen kaum gelitten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hebt die Rolle der Kanzlerin als „einflussreicher Akteur im europäischen Projekt“ hervor. Bei den europäischen Rechtspopulisten hagelt es hingegen die geballte Schadenfreude.

    Merkel habe für ihre „fatale Polit-Show“ bei der Zuwanderungspolitik die Quittung erhalten, stichelt der österreichische Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Italiens Innenminister Matteo Salvini höhnt über den Berliner Sparkurs: „Schöne Grüße an die Merkel und die Freunde der Bundesbank.“