Berlin. Die Bundeswehr zieht in diesen Tagen ihre letzten Hubschrauber aus Mali ab. Dabei ist der Einsatz im fünften Jahr gefährlicher denn je.

Der „NH90“ ist kein kleiner Hubschrauber. Er ist ein Helikopter der Zehn-Tonnen-Klasse, gebaut für Transportflüge. Zerlegt passen drei davon in die Antonow-Maschine, die an diesem Montag in Bamako Richtung Leipzig abhebt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärt, „der letzte deutsche Hubschrauber wird am 16. Juli in die Heimat verlegt“.

Zurück aus Mali sind auch vier Tiger-Kampfhubschrauber. Die Ablösung, die Kanadier, ist da, ansonsten läuft wenig nach Plan. Erst im April hat der Bundestag die Missionen MINUSMA und EUTM in Westafrika verlängert – bis Ende Mai 2019. Ihre Truppenstärke ist aufgestockt worden und in der Summe mit dem Afghanistan-Mandat vergleichbar, aktuell 1100 Soldaten. Mali ist auch nicht minder gefährlich.

Islamisten greifen französische Truppe an

Über den Anti-Terror-Kampf heißt es in Sicherheitskreisen, er sei „keine Erfolgsgeschichte“. Die Zahl der Rebellen wird auf mehr als 1000 geschätzt, ­das sind doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Die Dschihadisten schlossen sich zur Islamistengruppe JNIM zusammen, stimmen sich ab und haben ihre Kampfkraft erhöht.

Im Vorfeld der Präsi­dentschaftswahl am 29. Juli werden wieder neue Anschläge befürchtet: Hinterhalte, Sprengfallen, Mörserangriffe. „Ein afrikanisches Afghanistan?“ betitelt die Konrad-Adenauer-Stiftung ihre Analyse.

Es gibt regelmäßig Angriffe gegen malische Ordnungskräfte, seltener gegen westliche Patrouillen, die besser geschützt sind. Aber in den vergangenen Wochen ließen die Islamisten aufhorchen. Sie griffen französische Truppen in Gao an und verübten einen Anschlag auf das Quartier der G5-Truppe in Sevarè, die Mali mit Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Tschad unterhält.

Gefahrenstufe gelb – „erheblich“

Auf den Karten der Bundeswehr ist der Einsatzraum gelb eingefärbt. Es bedeutet, dass die Gefahrenstufe „erheblich“ ist. Genauer betrachtet ist die Sicherheitslage territorial höchst unterschiedlich, „von kontrollierbar bis überwiegend nicht kontrollierbar“, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam auf Anfrage mitteilt.

Mali ist dreieinhalb Mal so groß wie die Bundesrepublik, der Norden vor allem Wüste, ein Rückzugsraum für Terrorgruppen, die sich mit Pick-ups und Motorrädern schnell bewegen, zuschlagen und genauso schnell verschwinden. Nachdem Islamisten und Tuareg-Milizen Mitte 2012 den Norden des Landes im Sturm erobert hatten, verhinderten die Franzosen einen Durchmarsch bis zum Süden.

Aufklärung, Logistik, medizinische Versorgung

Den labilen Frieden zu stabilisieren, ist seit 2013 Aufgabe von MINUSMA, der 11.000 Blauhelm-Soldaten und 1500 Polizisten der UNO aus 50 Staaten angehören, bis zu 1100 von ihnen von der Bundeswehr. Der Großteil des Einsatzkontingents ist im Camp Castor in Gao im Norden stationiert. Der Absturz eines Tiger-Hubschraubers im Sommer 2017, ein Unfall, überschattete die Mission.

Deutschland stellt außerdem Personal für das Hauptquartier in Bamako und unterhält in Niamey, der Hauptstadt des benachbarten Niger, einen Lufttransportstützpunkt. Die Bundeswehr hilft bei der Aufklärung, logistisch und bei der medizinischen Versorgung.

Westafrika ist französisches Einflussgebiet

EUTM ist eine Mission der EU. Ihr Ziel ist Training und Beratung der malischen Streitkräfte und der G5-Sahel-Truppe. Zu EUTM gehören 350 deutsche Soldaten. Es sei der richtige Ansatz, lokale Kräfte zu stärken, „sodass sie auf Dauer eigenständig gegen den Terror vorgehen können“, sagt von der Leyen.

Westafrika ist französisches Einflussgebiet. Die einstige Kolonialmacht hat Schritt für Schritt Deutschland in die Konfliktregion hineingezogen. Die erste Anfrage – um Wahlen im Kongo abzusichern – kam kurz nachdem Angela Merkel (CDU) 2005 Kanzlerin geworden war.

„Damals war mir ganz schön blümerant, sage ich ganz offen“, rief sie den Militärs auf der Bundeswehr-Tagung in Erinnerung, „denn der Kongo war ja nicht das Feld, auf dem wir uns ganz besonders gut auskannten.“ Man habe zugesehen, „dass wir nach Hause kamen, nachdem die Wahlen vorbei waren. Und das war auch nicht falsch“.

„Plötzlich sind wir in Afrika“

In Mali riefen die Franzosen 2013 quasi den Bündnisfall in Europa aus, „plötzlich sind wir in Afrika“ (Merkel). Seit 2015 wird zur Begründung zusätzlich die Flüchtlingskrise herangezogen. „Je besser sich diese Regionen entwickeln, desto geringer ist der Migrationsdruck auf Europa“, sagt von der Leyen. Das sei eine Lehre aus der Entwicklung Libyens, „der man nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hatte“.

Die USA, Frankreich und Großbritannien betrieben 2011 den Sturz des Gaddafi-Regimes. Die Folge: Instabilität und Chaos. Viele Gruppen gelangten an Gewehre, Raketenwerfer, Antipanzerminen. Darunter waren Tuareg, die für Gaddafi gekämpft hatten, nun nach Mali zurückkehrten und sich den Rebellen anschlossen. Der Norden fühlte sich von der Regierung im Süden nie gut repräsentiert.

„Da werden wir einen langen Atem haben müssen“

Mali wurde zum Transitland, in dem Schlepper fortan leichtes Spiel hatten, Menschen illegal entweder über Algerien oder via Niger bis Libyen zu schleusen, weiter bis zur Mittelmeerküste. In Mali wurde dank der Intervention der Franzosen mit Ibrahim B. Keita zwar ein Präsident gewählt und 2015 ein Friedensabkommen abgeschlossen, aber der Norden blieb ein Unruheherd.

Die Europäer haben nicht nur militärische Verantwortung übernommen, sondern unterstützten auch gezielt mit Entwicklungshilfe und Diplomatie. „Da werden wir einen langen Atem haben müssen“, mahnt von der Leyen. Sie stimmt die Bürger darauf ein, dass die Bundeswehr noch lange in Westafrika bleiben muss. Von einer Exit-Strategie hat sie noch nie gesprochen.