Brüssel. Angela Merkel hat beim EU-Gipfel zum Asylstreit lange um eine Einigung gekämpft. Doch wer steht hinter dem Plan der Bundeskanzlerin?

Bei der Bekanntgabe ihrer Verhandlungserfolge bewies die Kanzlerin Sinn für Dramaturgie: Beim EU-Gipfel berichtete Angela Merkel von politischen Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland zur Rücknahme von Flüchtlingen. Erst am Samstag wurde dann öffentlich, dass Merkel auch Zusagen von weiteren 14 EU-Staaten hat oder zu haben glaubt, die Verwaltungsvereinbarungen zur schnellen Rücküberstellung von Asylbewerbern abschließen wollen.

Die Zahl der Regierungschefs in Europa, die der Kanzlerin im Asylstreit zur Seite stehen, scheint recht groß zu sein. Entscheidend ist vor allem die Absprache, die Merkel mit den Premiers von Griechenland und Spanien, Alexis Tsipras und Pedro Sanchez, in Brüssel traf. Beide sind bereit, an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffene Asylbewerber wieder aufzunehmen, sofern diese Migranten zuvor in ihren Ländern im Eurodac-System (also mit Fingerabdruck) registriert wurden.

Tsipras und Sanchez stehen der Flüchtlingspolitik von Merkel positiv gegenüber. Sie haben großes Interesse an dem von Merkel verfochtenen, aber umstrittenen Grundsatz, dass sich alle EU-Länder an der Flüchtlingsaufnahme beteiligen sollten. Tsipras freute sich zudem offen über seinen Rollenwechsel: Griechenland sei in der Flüchtlingspolitik jetzt „Teil der Lösung“ – nachdem es fünf Jahre Teil des Problems in Europa gewesen sei.

Italien schließt sich nicht Merkels Plan an

Problem für Merkel: Italien hat sich einem solchen Abkommen verweigert. Und sie musste Tsipras und Sanchez im Gegenzug erhebliche Zusagen machen: Deutschland wird rasch Flüchtlinge aus beiden Ländern aufnehmen, die Angehörige in Deutschland haben – bislang gibt es einen Berg unbearbeiteter Anträge auf solche Familienzusammenführungen. Allein für Griechenland könnte es dabei um 2900 Menschen gehen. In der Gegenrichtung rechnet Tsipras mit 100 bis 150 Migranten monatlich aus Deutschland, keine große Sache also. Merkel versprach Tsipras auch Unterstützung beim Bemühen um finanzielle Hilfe für fünf Ägäis-Inseln.

Spanien verweist auf ihre Zusage, Deutschland werde beim Schutz der EU-Außengrenze in beiden Ländern helfen. Details sollen bis Ende Juli verhandelt werden, durch die Innenminister. Parallel sollen die auch Verwaltungsabkommen mit 14 EU-Ländern zur schnelleren Rücknahme von Asylbewerbern vereinbaren – aber nicht zur Zurückweisung an der Grenze. Merkel nennt Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Tschechien und Ungarn.

Tschechien und Ungarn dementieren Einigung mit Deutschland

Die Regierungen Tschechiens und Ungarns wiesen das am Wochenende allerdings zurück und erklärten, sie wollten keine solche Vereinbarung abschließen. Die polnische Regierung betonte, es gebe „keine neuen Abmachungen“, womit offenblieb, ob dies eine Absage an eine von Merkel erst noch geplante Abmachung ist. Die Bundesregierung blieb dabei, dass sie Zusagen auch aus Warschau, Prag und Budapest erhalten habe.

Allerdings spricht viel dafür, dass die drei rechtsgerichteten Regierungen am Ende doch abspringen: Inhaltlich sind die geplanten Abkommen zwar nur von zweitrangiger Bedeutung – es geht ja, berichten Beteiligte, ausdrücklich nur um „technische Fragen“, wie die Behörden in Fällen weitergereister Asylbewerber besser zusammenarbeiten, um geltendes EU-Recht umzusetzen; kürzere Entscheidungsfristen etwa oder bessere Kommunikation. In der Sache kein großes Entgegenkommen an Merkel.

Aber es ist auch eine politische Demonstration einer „Koalition der Willigen“ in der Asylpolitik, vielleicht der Beginn weiterer Kooperationen. Ungarns Premier Viktor Orbán und seine Kollegen dürften daran kaum Interesse haben – und auch nicht Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Übrig bleibt dann ein Club der Westeuropäer plus der Balten, die Merkels Bemühungen unterstützen – teils, weil sie wie Dänemark selbst Probleme mit der „Sekundärmigration“ haben, teils auch sehr bewusst, um der Kanzlerin zu helfen. Hierzu zählt vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er war es, der bei den nächtlichen Gipfelverhandlungen Regie führte. Macron verhinderte mit hohem Einsatz, dass Italien eine Einigung blockiert – sonst wäre Merkel mit leeren Händen zurückgekehrt.