Berlin. Auf Partys machen sich immer noch Typen breit, die meinen, fremden Frauen ungefragt die Welt erklären zu müssen. Was dagegen hilft.

Ich stand ein wenig verloren herum neulich auf der Party, ich kannte kaum jemanden. Immerhin hatte ich was zu erzählen, vom Wetter am Vortag: „Ich war mit dem Fahrrad unterwegs. Wahnsinn, der Wind, ich wäre beinahe weggeflogen. Und dann setzte der Regen ein. War wie eine Wand.“

Gutes Thema, dachte ich zunächst. Plötzlich redeten alle auf mich ein. „Genauso war es bei mir auch“, brüllte es mir links ins Ohr. Von rechts: „Ich musste mir schnell bei H&M neue Klamotten kaufen, so nass war ich“. Schließlich baute sich ein Typ direkt vor mir auf und bellte mich an: „Das sind die Vorboten“, rief er. „Das ist der Klimawandel“, setzte er nach.

Mansplaining ist, wenn ein fremder Typ mir erklären will, was ich besser weiß

Mansplaining: Beliebt auf Partys: Er erklärt ihr, was sie gar nicht wissen will.
Mansplaining: Beliebt auf Partys: Er erklärt ihr, was sie gar nicht wissen will. © iStock | istock

Im Juli sei es viel zu kalt gewesen, ein Zeichen für die Zunahme von unpassenden Wetterlagen, die sich wochenlang wie eine Glocke festsaugen. Dann sprach er von El Nino. Von Inversions-Wetterlagen. Vom Golfstrom und den Einfluss von Eis auf den Jetstream. Er faselte irgendwas von Starkwindband, das sich nach Norden verschiebt. „Und dann rückt von Süden her hoher Luftdruck nach“.

FUNKE-Kolumnstin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. Diesmal ist sie besonders genervt.
FUNKE-Kolumnstin Birgitta Stauber schreibt über Frauen, Familie und Gesellschaft. Diesmal ist sie besonders genervt. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Die Gruppe um mich herum hatte sich längst aufgelöst. Ich hatte den Absprung verpasst, und er redete einfach weiter, er hatte mich als Opfer auserkoren, er sah mir tief in die Augen, als wollte er mich damit an seine Worte fesseln.

Klarer Fall von Mansplaining. Eingedeutscht ist es „Herrklärung“. Längst ein klassischer Begriff. Da sucht sich ein Mann sein weibliches Opfer. Er geht davon aus, dass sie (also in dem Fall ich) keine Ahnung vom Thema hat – und dann beginnt er zu dozieren, ob sie die Erklärungen überhaupt hören möchte oder auch nicht, ob sie vielleicht sogar viel mehr Ahnung hat als er: Sich diese Frage zu stellen, dazu sieht er überhaupt keine Veranlassung.

Was gegen Mansplaining hilft: Die totale Banalisierung

Als er dabei war, mir sämtliche Brände dieses Sommers aufzuzählen, all die Überschwemmungen, die Hitze- und Kälteperioden, reichte es mir. Unfähig zu Eleganz in dieser Situation wählte ich die Methode Banalisierung. „Danke“, sagte ich, „ich kenne die Nachrichten“. Dann setzte ich nach: „Übrigens: Wetter ist nicht Klima“ – und ließ ihn stehen.

Später sah ich ihn breitbeinig auf dem einzigen Sofa, er redete auf eine viel jüngere Frau ein, die auf der Stuhlkante gegenüber hockte.

Manspreading in der U-Bahn. Sieht nocht nicht mal gut aus.
Manspreading in der U-Bahn. Sieht nocht nicht mal gut aus. © picture alliance / Lp/Olivier Arandel/MAXPPP/dpa | Lp/Olivier Arandel/PA

Aha, nicht nur ein Mansplainer, auch ein Manspreader. Ich übersetze den Begriff mal mit „Herrbreitmachen“. Das ist gemeint, wenn sich ein Typ so breitbeinig hinsetzt, dass Frauen kein Platz mehr bleibt. Ich habe es mal in der S-Bahn versucht, genauso auf einem Sitz abzuhängen. Schon wurde ich von einer Dame mit Bügel-Handtasche, Föhnfrisur und Jacket zurechtgewiesen. „Können Sie bitte ein wenig rücken“? Klar, sagte ich und machte Platz.

Der Manspreader saß ganz klassisch drei Reihen vor mir

Drei Reihen vor mir hockte ein klassischer Manspreader: Er war nicht besonders groß, nicht besonders dick, nicht besonders alt. Er trug Sneaker, seine weit gespreizten Beine steckten in Jeans. Weil er zudem seinen Po weit nach vorn bis zur Sitzkante geschoben hatte, lagerte er seine Füße ausgestreckt unter den gegenüberliegenden Sitz. Der linke Arm hing auf dem Sitz neben ihm. Diese Bein-Fuß-Hürde nahm niemand, dabei war er weder betrunken noch roch er seltsam. Er strahlte lediglich die Attitüde aus: Hier sitze ich, möglichst bequem, und dabei bleibt es.

Was soll ich sagen: Die S-Bahn war ziemlich voll, Feierabendverkehr, doch der Manspreader blieb unbehelligt. Ich würde hier gern die Geschichte erzählen, wie ich mich mutig über seine Beine kämpfte, ihn dabei zurechtwies. Aber ich war auch nur ein Teil der abgestumpften Masse einer Metropole.

Ach so, die Mansplainer und Manspreader können nicht anders. Na und?

Im Internet habe ich gelesen, Männer, die ihre Beine spreizen, erklären das mit ihrer Anatomie. Sie würden sonst nicht sicher sitzen können. Sie können also gar nichts dafür? Ich versuche mir vorzustellen, wie der S-Bahn-Spreader vornüber kippt, weil er gerade sitzt mit zusammengepressten Oberschenkeln. Das Bild will mir nicht gelingen.

Klar, es ist seine anerzogene Annahme, so sitzen zu müssen. Sie hat sich im Laufe der Adoleszenz verfestigt, bis sie so tief in den Bewegungsablauf eingedrungen ist, dass alles andere die Stabilität gefährdet. So wie der Mansplainer auch nicht anders kann als Frauen zu erklären, wie die Welt so funktioniert. Dass Männer alles wissen und Frauen nichts wissen aber alles wissen wollen, wurde ihm so beigebracht.

Ich überlege gerade, ob ich diese Erklärungen brauche. Nein, tatsächlich nicht. Ist mir völlig wurscht. Empathie hilft mir nicht weiter, eher eine gehörige Portion Ignoranz. Ich will ja bequem sitzen. Und mich gut unterhalten. Zum Warmwerden auch gerne über das Wetter.

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