Neuruppin/Berlin. In mehreren Bundesländern kommt es zu Durchsuchungen bei der “Letzten Generation“. Vorwurf: “Bildung einer kriminellen Vereinigung“.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin vollstreckt aktuell Durchsuchungsbeschlüsse gegen Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation". An elf Orten in mehreren Bundeländern sei es am Dienstagvormittag zu Durchsuchungen gekommen, wie Staatsanwalt Cyrill Klement auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte. Der Vorwurf laute "Bildung einer kriminellen Vereinigung".

Die Durchsuchungen stehen laut Staatsanwaltschaft Neuruppin im Zusammenhang mit Vorfällen rund um die PCK-Raffinierie in Schwedt im Frühjahr. Zu Festnahmen sei es nicht gekommen, so Klement. Am Nachmittag will die Staatsanwaltschaft weitere Details zu den Einsätzen mitteilen.

"Letzte Generation": Razzien - Laptops und Handys beschlagnahmt

Die Klimaaktivisten selbst hatten auf die Razzien aufmerksam gemacht. "Heute ab 5 Uhr morgens gab es 11 Hausdurchsuchungen bei uns", schrieben die Aktivisten am Vormittag bei Twitter. Elektronische Geräte wie Laptops und Handys seien konfisziert worden, so die Gruppe "Letzte Generation". Eine Aktivistin schilderte in einem Video, dass zum Teil Polizeihunde im Einsatz gewesen seien.

Betroffen waren demnach am Dienstag Wohnungen und andere Räume in Bayern, Baden Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Ein Teil der Bundesländer wurde von der Gruppe genannt. Außer Leipzig wurde aber zunächst kein konkreter Ort verraten. Die federführende Staatsanwaltschaft in Neuruppin (Brandenburg) nannte zudem die Stadt Cottbus.

Carla Rochel, Sprecherin der "Letzten Generation" sagte gegenüber der Berliner Morgenpost, es habe auch Hausdurchsuchungen in Berlin gegeben. Sie fügte hinzu, dass die Gruppierung mit Namen und Gesicht zu ihrem "friedlichen Widerstand" stehe. "Durchwühlte Kleiderschränke und beschlagnahmte Laptops werden uns nicht davon abhalten, weiter auf das kriminelle Versagen der Regierung hinzuweisen." Die Staatsanwaltschaft bestätigte das bislang nicht. Auch die Berliner Polizei hielt sich zunächst bedeckt.

„Wo Straftaten begangen werden, müssen diese konsequent verfolgt werden“, erklärte Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU): „Und zwar unabhängig von der Motivation, die ein Täter damit verbindet.“ Dies sei das Wesen eines demokratischen Rechtsstaates, in dem „für rechtswidrige Blockadeaktionen oder andere gefährliche Sabotagehandlungen kein Platz“ sei.

Die Protestaktionen, bei denen sich die Aktivisten auf Straßen festklebten oder in Museen Gemälde zum Beispiel mit Kartoffelbrei bewarfen, sind nicht Teil des Verfahrens.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch bei einem prominenten Gesicht der Gruppe ist es offenbar zu einer Razzia gekommen: Wie Carla Hinrichs mitteilte, sei am Morgen auch ihre Wohnung durchsucht worden. Bei Twitter schrieb sie dazu: „Und jetzt? Ja, das ist beängstigend, wenn die #Polizei deinen Kleiderschrank durchwühlt. Aber denkt ihr ernsthaft, dass wir jetzt aufhören werden?“ Hinrichs war als Sprecherin der Gruppe zuletzt unter anderem in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz zu sehen.

„Letzte Generation“ wirft der Bundesregierung Rechtsbruch vor

Holger Krestel, Sprecher für Recht und Verfassungsschutz der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, begrüßte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen die „Letzte Generation“. „Es muss angesichts der massiven Störungen - zuletzt auch des Flugverkehrs - ernsthaft geprüft werden, inwieweit eine Einstufung als kriminelle Vereinigung zu erfolgen hat“, sagte er. Dies würde es den Behörden ermöglichen, die Aktionen der Gruppierung in Berlin zu beenden.

Zudem forderte er harte Strafen für „Wiederholungstäter“. „Es wird Zeit, dass endlich gehandelt wird und Berlin nicht weiter zur Spielwiese krimineller Aktivisten ausgebaut wird“, so Krestel. Brandenburgs Justizministerien Susanne Hoffmann (CDU) wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Vorgehen äußern.

Die „Letzte Generation“ äußerte sich am Mittag mit einem Statement zu den Hausdurchsuchungen. Darin hieß es, der Staat missachte durch fehlenden Klimaschutz das Grundgesetz. Nun würde die Polizei die Wohnungen der Mitglieder durchsuchen, die das offenlegen wollen.

Zugleich warf die „Letzte Generation“ der Bundesregierung vor, Rechtsbruch zu begehen, in dem sie die Krise nicht in den Griff bekomme. Das sei verfassungswidrig und kriminell, hieß es in dem Statement.

Weiter sprachen die Aktivisten davon, dass es Versuche gegeben habe, sie „mundtot“ zu machen. Doch die Ermittlungen wegen Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ hätten ein „neues Niveau“ erreicht. Wenn öffentliche Versammlungen Kriminalisierung erfahre, bedrohe das die Grundfesten der Demokratie, hieß es weiter.

Klimagruppen solidarisieren sich mit "Letzter Generation "

Verschiedene Aktivisten und Gruppierungen der Klima-Szene zeigten sich solidarisch nach den Hausdurchsuchungen bei der „Letzten Generation“. So schrieb etwa Deutschlands bekannteste Klimaaktivisten, Luisa Neubauer, auf Twitter: „Ein grenzenlos unverhältnismäßiges & absurdes Vorgehen.“ Allerdings sei die „Methode“ nicht neu. Sie verwies darauf, dass bereits in Augsburg Hausdurchsuchungen gegen Klimaaktivisten durchgeführt worden seien. „Klimavorreiter" Deutschland wird zu einem Land, in dem sich Klimaaktivist:innen nicht mehr sicher fühlen können.“

Die Gruppierung „Extinction Rebellion“, aus der die „Letzte Generation“ hervorgegangen war, schrieb von einer Kriminalisierung der Aktivisten durch die Bundesregierung. Ähnlich äußerte sich auch „Fridays For Future“: „Diese Kriminalisierung von Klimaprotesten ist unverhältnismäßig und gefährlich.“

Unionsfraktionschef Friedrich Merz begrüßte indes die Durchsuchungen. Die Aktionen, bei denen sich „sogenannte Klimaaktivisten“ auf Straßen und Flughäfen festgeklebt hätten, hätten „mit Klimaschutz nichts mehr zu tun“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. Es gehe um gefährliche Eingriffe in den Straßen- und Luftverkehr, Nötigung, Hausfriedensbruch „und Straftatbestände gegen Leib und Leben der Bevölkerung“. Merz ergänzte: „Hier muss der Rechtsstaat Zähne zeigen. Das tut er. Ich begrüße das ausdrücklich.“

Mit den Durchsuchungen sei keine Einschränkung des Demonstrationsrechts verbunden, betonte Merz. „Jeder hat in diesem Land das Recht, zu sagen und zu denken, was er will. Aber er muss sich dabei an die Regeln unseres Rechtsstaates halten.“ Wenn jemand dies „mit Gewalt nicht mehr tut, dann muss der Staat seinerseits sein Gewaltmonopol anwenden und durchsetzen“. (bee/juwue/dpa)

Lesen Sie auch: "Letzte Generation": Klimaaktivisten blockieren Flughäfen