Madrid. Die kanarischen Inseln setzen neuerdings auf “Energietourismus“. Sie wollen Langzeiturlauber mit niedrigen Lebenshaltungskosten locken.

„Die Kanaren sind ein Reiseziel mit dem besten Klima im Winter“, umwirbt Yaiza Castilla die Touristen aus dem kühlen Zentral- und Nordeuropa. „Ein Klima, das es erlaubt, bei den Energiekosten zu sparen.“ Zudem seien Gran Canaria, Teneriffa, Fuerteventura und die Nachbarinseln ein sicheres Reiseziel und weit weg von allen Krisen und Konflikten der Welt.

Die 38-jährige Yaiza Castilla ist die Tourismusministerin der Kanarischen Inseln. Sie sieht die Sorgen in Zentraleuropa über die Energiekrise und den Ukraine-Krieg als Riesenchance für die vor Westafrika liegenden spanischen Urlaubsinseln. Ganz besonders jetzt in der kalten Jahreszeit, wenn auf der Inselgruppe im Atlantik frühlingshafte Temperaturen herrschen.

Kanaren: Lebenshaltungskosten teils 50 Prozent niederiger

Die Temperaturen auf den Kanaren liegen im Spätherbst und auch im Winter tagsüber im Schnitt bei wenigstens 20 Grad und wärmen Menschen wie Wohnungen. Auch nachts zeigen die Thermometer nur selten weniger als 15 Grad an, sodass nicht geheizt werden muss – viele Wohnungen auf der Inselgruppe haben gar keine Heizung.

Wegen ihres milden Klimas sind die „Inseln des ewigen Frühlings“ ohnehin schon seit Jahren ein populäres Winterreiseziel, das von Hunderttausenden europäischen Touristen angesteuert wird. In Zeiten von hohen Preisen für Gas und Strom könnte es nun noch voller werden. Denn wer Energie sparen will, für den könne es sich nun erst recht lohnen, längere Zeit auf den Kanaren zu verbringen, sagt Castilla.

Zumal die Lebenshaltungskosten auf Teneriffa & Co bis zu 50 Prozent niedriger seien als in der Heimat der Reisenden, sagt sie. Der Einkauf im Supermarkt, Essengehen, Alkohol, Tabak und Benzin – alles sei billiger als in Deutschland, Österreich, Luxemburg oder der Schweiz. Was allerdings auch damit zusammenhängt, dass die Kanaren wegen ihrer Insellage Steuervorteile genießen – die Umsatzsteuer beträgt zum Beispiel nur sieben Prozent.

Badestrand Playas de Papagayo auf Lanzarote. Die Kanaren wollen Touristen mit milden Temperaturen auf die Inseln locken.
Badestrand Playas de Papagayo auf Lanzarote. Die Kanaren wollen Touristen mit milden Temperaturen auf die Inseln locken. © imago/blickwinkel | McPHOTO/M. Weber

Um den Energietourismus anzukurbeln, umgarnen die Kanaren jetzt mit einer internationalen Kampagne jene Winterflüchtlinge, die den hohen Heizkosten in ihrer Heimat entgehen und nebenbei Langzeiturlaub machen wollen. „Wir können etwas bieten, das kein anderes Reiseziel hat: Acht traumhafte Inseln, in einer akzeptablen Entfernung, mit klimatischer Sicherheit, europäischen Standards und weit entfernt von der Energiekrise“, heißt es.

Kanaren umwerben Rentner und unabhängige Berufstätige

Die acht Inseln sind: Gran Canaria, Teneriffa, Fuerteventura, Lanzarote, El Hierro, Gomera, La Palma und die Mini-Insel La Graciosa. Flugzeit vom deutschsprachigen Raum: annähernd fünf Stunden. Das meistbesuchte Inselparadies ist Teneriffa, in dem jedes Jahr mehr als fünf Millionen Menschen Urlaub machen – über die Hälfte der Feriengäste kommt aus dem deutschsprachigen Raum und aus Großbritannien. Die ruhigste Insel ist La Graciosa, auf der nur 700 Menschen leben.

Die Kanaren umwerben nun ganz besonders all jene, die die Freiheit haben, mehrere Wochen oder auch Monate auf den Kanaren zu verbringen. Rentner zum Beispiel. Oder die zunehmende Zahl von Berufstätigen, die für ihre Arbeit kein Büro, sondern nur eine gute Internetverbindung brauchen. Und für deren Job es gleichgültig ist, ob sie in Berlin, Wien, Zürich oder eben auf Teneriffa arbeiten.

„Während auf dem europäischen Kontinent die Winter kalt sind und nur wenige Stunden mit Tageslicht haben, kann man auf den Inseln lange und sonnige Tage verbringen“, verspricht das kanarische Fremdenverkehrsamt. „Das erlaubt es, draußen das Leben zu genießen und mit milden Temperaturen neue Energie zu tanken.“ In der Tat: Auf den Kanaren geht die Sonne zwei Stunden später unter als in Zentraleuropa.

Der Lockruf scheint gehört zu werden. „Die Buchungen für Langzeitaufenthalte haben für die Wintersaison zugenommen”, freut sich Fernando Valdés, Spaniens Tourismusstaatssekretär. Die Airlines haben sich mit ihrem Winterflugplan an die wachsende Nachfrage angepasst und ihre Sitzkontingente auf den Kanaren-Flugrouten erhöht. „Wir werden eine gute Wintersaison haben”, prognostiziert ein Sprecher der kanarischen Tourismusbranche.

Festlandregion hat auch Vorteile

Aber nicht nur die Kanaren, sondern auch andere spanische Tourismusgebiete buhlen um nordeuropäische Energiekrisen-Flüchtlinge. Andalusien etwa, die südlichste spanische Festlandregion: „Wenn die Leute rechnen, wie viel die Heizung kostet, und sie schauen sich dann die Preise an, die wir hier in den Wintermonaten haben, dann merken sie, dass es eine gute Idee ist, nach Andalusien zu kommen“, sagt der andalusische Regierungschef Juanma Moreno.

In Andalusien mit der Costa del Sol (Sonnenküste) und den malerischen Städten Córdoba, Granada oder Sevilla ist es zwar jetzt nicht mehr ganz so warm wie auf den Kanaren. Aber die Festlandregion, die wegen ihres arabisch-maurischen Kulturgutes berühmt ist, hat auch Vorteile: Man kann mit dem Auto anreisen. Und die Preise sind günstiger – in Andalusien, der Wiege des Flamenco-Tanzes, herrscht jetzt Nebensaison und nicht wie auf den Kanaren Hauptreisezeit.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.