Wolfsburg. Die Folgen von drei Krisenjahren sind vor allem in Wolfsburg spürbar. Dem Riesenwerk droht zum dritten Mal eine Unterauslastung.

Da gebührt dem VW-Betriebsrat mal ausdrücklich Lob. Er hat sich die Mühe gemacht, das natürlich englisch benannte Effizienzprogramm des Managements ins Deutsche zu übersetzen. So wird aus „Accelerate Forward | Road to 6.5“ sinngemäß „Nach vorne beschleunigen – der Weg zu 6,5 Prozent“. Das ist schon mal ein Anfang. Was inhaltlich nachkommt, könnte auch vor allem ein deutsches Problem werden. Denn in und nach der Transformation zu Produktionsstätten von Elektroautos werden die Standorte ihre Konkurrenzfähigkeit unter nochmals verschärften Bedingungen nachweisen müssen.

Beim Ist-Zustand ist man sich einig

Die jüngste Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg hat am Mittwoch einiges an Klarheit gebracht. Da ist zum einen die grundsätzliche Übereinstimmung in der Bewertung des Ist-Zustandes zwischen Management und Betriebsrat. Auch bei der Wahl der Stellhebel, um die Milliardeneinsparungen bis 2026 zu stemmen, ist man sich einig. Verengt auf die Volumengruppe bedeutet das – und nichts davon ist wirklich neu – eine Verringerung der Variantenvielfalt, eine Belegung der Standorte entlang der Logik der jeweiligen Plattformen und die Hebung von Synergien bei Einkauf und Vertrieb. Da sind VW, Nutzfahrzeuge, Seat/Cupra und Skoda eine Marktmacht von immer noch über 5 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Wie das Handelsblatt schreibt, zittern die Zulieferer bereits jetzt vor zähen Preisverhandlungen mit den Wolfsburgern.

Drei Jahre zum Vergessen

Da die Fahrzeuge produzierenden Werke stets im Fokus stehen, richtet sich der Blick des Betriebsrates insbesondere auf diese und hier vorrangig auf das Wolfsburger Stammwerk. Dort endet derzeit ein dreijähriges Drama, das sich vor allem an den beiden Golf-Linien abspielte. Corona, Teilemangel, Kurzarbeit – dieser triste Dreiklang hat der Belegschaft ordentlich die Stimmung verhagelt. Und jetzt, wo sich die Extraschichten wieder häufen, sorgt die Rendite-Debatte wieder für Unsicherheit. Dass die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo die Wolfsburger Verhältnisse gesondert in ihrer Rede ansprach, hat seine Gründe. Ihre Wahlen müssen die Betriebsräte der IG Metall in den deutschen Werken gewinnen. Und hier hat es im Symbolwerk am Mittellandkanal zuletzt viel Verdrießliches gegeben. Allein die für die Werksauslastung wichtige Jahresproduktion war für Wolfsburger Verhältnisse ungenügend. In den vergangenen beiden Jahren waren es aus den bekannten Gründen jeweils nur rund 400.000.

Cavallo: Noch längst kein Grund zum Feiern

Cavallo hat sich dazu auf der Betriebsversammlung ausführlich geäußert: „Aktuell schaut es für das Jahr 2023 so aus:Bis Ende Mai haben wir knapp 214.000 Fahrzeuge produziert. Die jüngsten Planungen für das Jahresziel gehen von rund 560.000 Fahrzeugen aus. Die Einordnung dazu ist eine ziemlich einfache Rechnung: Nach fünf von zwölf Monaten, also nach knapp der Hälfte des Jahres, sind knapp 40 Prozent dieses Ziels erreicht.Wenn es jetzt den Juni ganz gut läuft, könnten wir nach der ersten Hälfte des Jahres tatsächlich auch die erste Hälfte des Produktionsziels eingefahren haben. Aber Ihr wisst auch: Die zweite Jahreshälfte beinhaltet den Werksurlaub und zum Ende des Jahres auch die Zeit zwischen den Feiertagen. Wir haben ab Juli also nicht mehr volle sechs Monate zum Produzieren. Wir müssen deswegen im zweiten Halbjahr noch ein gutes Stück schaffen. Und zur Wahrheit gehört auch: Die knapp 560.000 Einheiten, die das aktuelle Jahresziel sind, lagen bei den Planungen im vergangenen November noch ein gutes Stück höher. Da war nämlich noch von rund 600.000 Fahrzeugen die Rede gewesen. Trotzdem: Wenn wir dieses Jahr die 560.000 einfahren, ist das ein guter Schritt nach vorne. Aber, Kolleginnen und Kollegen: Dieser Schritt ist auch bitter nötig. Denn auch 560.000 Fahrzeuge wären noch längst kein Grund zum Feiern. Unser Stammwerk kann mehr und braucht mehr.“

Bis zu den Ferien wird in Wolfsburg richtig rangeklotzt

Mehr Arbeit gibt es nun bis zum Beginn des Werksurlaubes (17. Juli bis 4. August) definitiv. Vor allem an der Montagelinie 4, wo Tiguan, Touran und Seat Tarraco gebaut werden, werden bis Mitte Juli durchgehend Samstag-Frühschichten und Sonntag-Nachtschichten gefahren. Auch an den Golf-Linien 2 und 3 wurden nochmals zusätzliche Wochenendschichten vereinbart. Das alles dient vornehmlich dem Abbau bereits vorliegender Kundenbestellungen, die auf ihre Autos zudem lange warten mussten. Was im Herbst kommt ist laut Cavallo so genau nicht zu prognostizieren. Auf jeden Fall ist dann die Tranformation auch im Stammwerk angekommen. In Wolfsburg werden dann nämlich Kontingente des Stromers ID.3 produziert – auf einer Linie mit dem Tiguan, aber auf der MEB-Plattform. Sollte Wolfsburg die ursprünglich angepeilten 600.000 Einheiten in diesem Jahr schaffen, so wäre das zumindest ein Achtungserfolg. Von alter Herrlichkeit wäre man damit aber immer noch ein gutes Stück weit entfernt.

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