Braunschweig. Viel zu viele in Braunschweig verklären den öffentlichen Vollsuff zur Leitkultur. Den Anlass von Himmelfahrt haben sie vergessen. Ein Kommentar.

Gestern Vatertag in Braunschweig und wie jedes Jahr dasselbe: Schon zur Mittagszeit wanken große Gruppen, bestehend aus überwiegend jungen Männern, grölend bis lallend durch den Prinzenpark oder den Heidbergsee entlang Einige von ihnen können sich schon um diese Uhrzeit kaum auf den Beinen halten.

Schon um 21 Uhr mussten die Rettungsdienste gestern ein Notversorgungszelt an der Ebertallee aufbauen um Verletzte und „Kranke“, im Klartext: Alkoholleichen, zu versorgen. 28 Patientinnen und Patienten kommen bis Mitternacht am Prinzenpark zusammen, drei müssen ins Krankenhaus gebracht werden. Fazit der Polizei: weniger los als in den Vorjahren.

Das zeigt: Der Vollsuff ist hier „business as usual“, mehrheitsfähige Leitkultur in Braunschweig und auch im Rest des Landes: Es ist Vatertag und da wird nun mal ordentlich getrunken. Wieder einmal bestätigt sich, dass wir in Deutschland und auch in Braunschweig eine toxische, ungesunde Beziehung zum öffentlichen Alkoholkonsum haben. Während es in anderen Ländern Europas, etwa Italien, als verpönt gilt, sich mit der Pulle aus dem Supermarkt in der Öffentlichkeit zu betrinken, wird es bei uns zur Folklore erhoben. Brauereien drucken Motto-T-Shirts, Bollerwagen werden mit Kühlschränken und Boxen ausgerüstet.

Vatertag und Himmelfahrt: Was war nochmal der Anlass?

Wo der Bollerwagen-Kult auf den Feldwegen zwischen den Dörfern noch seinen Charme haben mag, wird er bei 2500 Menschen im Park zum Nerv-Faktor: Da seit einigen Jahren die tragbaren Musikboxen immer größer und billiger werden, meint inzwischen jeder, den Dezibel-Regler auf Anschlag drehen zu müssen. Ballermann, Techno, Drum-and-Bass vermischen sich auf der Nußberg-Wiese zu einem basslastigen Brei. Doch Hauptsache der Alkohol fließt.

Wie absurd das Ganze ist, beschreibt der Kommentar einer Leserin bei Facebook: „So ein Quatsch! Es ist Christi Himmelfahrt! Die wirklichen Väter verbringen den Tag mit Frau und Kindern! Wer da unterwegs ist sind vorwiegend junge Männer!“

Dass der christliche Anlass des Feiertages bei vielen in Vergessenheit gerät: geschenkt. Dass es den Feiertag eigentlich zur Erinnerung an die Aufnahme Jesu Christi in den Himmel gibt, wissen viele gar nicht mehr oder sie haben schlicht mit Religion nichts mehr am Hut. Doch erschreckender noch ist der „business as usual“-Charakter, mit dem alle Beteiligten diese Zustände hinnehmen. Himmelfahrtskommando statt Himmelfahrt eben. Dass es auch anders geht, zeigte das Wochenende zuvor. Da sah man im Östlichen Ringgebiet junge Männer eher mit Blumensträußen statt Bier in der Hand durch die Straßen laufen – denn am Muttertag gehört das zum guten Ton.

Wollen wir Koma-Saufen zum Kulturgut verklären?

Bevor hier jetzt zehn Leute „Spießer“ schreiben: Jeder war mal jung und hat seine Grenzen ausgetestet. Doch wie ungesund muss ein Land mit Alkohol umgehen, wenn Koma-Saufen, teils durch Jugendliche von unter 16 Jahren zum Kulturgut verklärt wird? Oder sind wir – gerade in Braunschweig – schlicht eine Stadt von Alkoholikern? Zum Glück sind nicht alle so, aber leider viele. Gesund ist das auf keinen Fall, erst recht nicht, wenn dadurch Unfälle passieren oder Menschen im Krankenhaus landen.

Es gibt einen Unterschied zwischen „gediegen ein Bierchen zischen“ und „Kampfsaufen“ in der Öffentlichkeit. Letzteres endet im besten Fall oft peinlich. Und – die Frage müssen sich die Vatertags-Saufkumpanen gefallen lassen: Wer von euch hat sich gestern eigentlich bei seinem Papa gemeldet?

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