Goslar. Margaret Birungi verstärkt das Team in Goslar: Zuvor musste die Hebamme aus Uganda trotz Fachkräftemangel zahlreiche Absagen verkraften.

Neuanfang mit 31: Margaret Birungi verstärkt seit vergangenem Jahr fest das Hebammen-Team der Asklepios Harzkliniken in Goslar. Nach einem 17-monatigen Anerkennungslehrgang kann die Hebamme aus Uganda jetzt wieder in ihrem erwählten Traumberuf arbeiten.

Der Weg dorthin war allerdings steinig – nicht nur wegen bürokratischer Hürden, sondern auch wegen der ablehnenden Haltung potenzieller Arbeitgeber. Und das in Zeiten des universellen Fachkräftemangels, der auch und im Besonderen die Hebammen betrifft. Wie passt das zusammen?

In Uganda steht die Geburtshilfe vor vielen Problemen

Drei Jahre lang war Birungi in ihrer Heimatstadt Kampala, der Hauptstadt Ugandas, schon als Hebamme tätig, als sie im Jahr 2019 den Entschluss fasste, nach Deutschland auszuwandern. Zwar ist die Lage der Geburtshilfe in dem ostafrikanischen Staat desaströs, den Ausschlag zur Emigration gab aber ein anderer Aspekt.

„Meine Mutter ist schon vor vielen Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland gekommen“, sagt Birungi. Von ihr habe sie erfahren, dass es Hebammen in Deutschland besser gehe, dass der Beruf besser wertgeschätzt werde.

Uganda: Wer kein Geld hat, ist auf eine Geburtshelferin ohne Ausbildung angewiesen

In dem Krankenhaus in Kampala, in dem Birungi beschäftigt war, habe es ihr eigentlich gut gefallen, sagt die Hebamme. „Wenn man in dem System aufwächst, fällt einem vielleicht weniger auf, was schief läuft“, sagt sie heute. Im Rückblick seien die Unterschiede zwischen den Systemen für sie aber immens. „In Uganda gibt es viel Korruption, wer Geld hat, kann sich eine ganz andere Entbindung leisten, als jemand ohne Geld.“

Die meisten Frauen seien auf eine Geburtsbegleiterin ohne Ausbildung angewiesen; und auch in den Krankenhäusern sei die Situation schwierig. „Da kümmert sich eine Hebamme um 15 Schwangere. Und weil die Hebammen so schlecht bezahlt werden, haben sie keine Motivation, ihre Sache gut zu machen.“

Zur Rückkehr zum Traumberuf Hebamme gab es keine Alternative

In Deutschland angekommen, arbeitete Birungi zunächst bei einer Familie als Au-Pair, um besser Deutsch sprechen zu lernen. Eine Übergangslösung für die junge Frau. „Ich wollte unbedingt wieder als Hebamme arbeiten. Das war von Anfang an klar, da gab es keine Alternative.“

Laut offiziellen Statistiken besser sich die Fachkräftesituation unter den Hebammen; es werden aber auch immer mehr Kinder geboren.
Laut offiziellen Statistiken besser sich die Fachkräftesituation unter den Hebammen; es werden aber auch immer mehr Kinder geboren. © Jürgen Runo

Der Weg dorthin führt für Fachkräfte aus dem Ausland über einen Anerkennungslehrgang. In Birungis Fall gab es nur eine einzige Stelle, an die sie sich wenden konnte: Die Elise-Averdieck-Schulen in Rotenburg ist die einzige in ganz Deutschland, die einen Anerkennungslehrgang für Hebammen aus dem nicht-europäischen Ausland anbietet.

Bürokratische Anforderungen machen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt schwer

Zuerst musste aber ein Sprachnachweis her, Zeugnisse, die Übersetzungen der Zeugnisse, ein Defizitbescheid, der erklärt, in welchen Bereichen noch Nachholbedarf in der Ausbildung besteht … und und und.

Für die Krankenhäuser müssten Menschen wie Margaret Birungi eigentlich ein Glücksfall sein. Der Hebammenmangel ist überall zu spüren. Der Hebammenverband sammelt auf seiner Internetseite Meldungen von Frauen, die keine Hebammenversorgung finden können.

Hebammenmangel zeigt sich in ganz Deutschland

Auf einer „Karte der Unterversorgung“ werden diese Fälle angezeigt. Für unsere Region sieht die Lage vor allem in Wolfsburg und Braunschweig düster aus, wobei die Aufstellung natürlich nicht statistisch signifikant ist.

Signifikant ist aber sehr wohl, dass nicht wenige Kreißsäle in Deutschland aus Personalmangel schließen oder ihr Angebot einschränken mussten. Dazu gehörte in unserer Region zuletzt das St. Elisabeth Krankenhaus in Salzgitter-Bad. Viele andere Kliniken haben im Gespräch mit unserer Zeitung die Dringlichkeit des Fachkräftemangels in der Geburtshilfe betont, darunter die Kliniken Wolfsburg und Braunschweig.

Angehende Hebamme erhielt Absage nach Absage von Krankenhäusern

Warum also ist die Anerkennung einer Fachkraft aus dem Ausland so umständlich? „Ich habe das Gefühl, dass unsere Kolleginnen, die dieses Verfahren in den 1990er Jahren und Anfang der 2000er durchlaufen haben, nicht solche Schwierigkeiten hatten wie Margaret“, sagt Susanne Teuteberg, Leiterin des Hebammenteams in Goslar. Und nicht nur die Bürokratie war für Birungi eine Geduldsprobe: Auch die Willkommenskultur an den Krankenhäusern ließ ihrer Schilderung zufolge zum Teil zu wünschen übrig.

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„Ja, ich habe auch Erfahrungen mit Rassismus gemacht“, sagt sie. Zum Anerkennungsprozess für Fachkräfte aus dem Ausland gehört integral ein Praktikum in einem Betrieb; 17 Monate Erfahrung sollten es in Birungis Fall sein. Aber sie fand und fand keinen Arbeitgeber, der sie nehmen wollte.

Goslarsche Harzklinik gab ugandischer Hebamme einen Job

In unzähligen Telefonaten wurde sie abgewimmelt. „Ich habe schon das Gefühl, dass meine Herkunft da eine Rolle spielte“, sagt sie. Eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses habe ihr an einer Stelle gesagt: „Sie werden niemals als Hebamme in Deutschland arbeiten.“ Danach habe sie stundenlang nur geweint.

Und was sagt das Krankenhaus, das ihr später eine Chance gab? Warum kassierte die junge Hebamme wohl so viele Absagen? „Dazu können wir nichts sagen“, sagt Sprecher Ralf Nehmzow. Möglicherweise sei es ja der bürokratische Aufwand, auch für den Arbeitgeber, wird in der Gesprächsrunde gemunkelt. Oder die eingeschränkten Sprachkenntnisse. Wobei: Birungi hat Sprachkurse bis zum Level B2 absolviert, und unser Interview läuft absolut problemlos.

In Goslar wurde die Hebamme mit offenen Armen empfangen

Wie dem auch sei: Für die 31-Jährige war Goslar ein Glücksfall. „Ich rief hier an, und wurde gleich mit so einer positiven Stimmung empfangen“, sagt Birungi. Sie habe sich gleich willkommen geheißen befühlt. Susanne Teuteberg lud sie nach dem Gespräch zum persönlichen Bewerbungsgespräch ab, holte sie sogar am Bahnhof ab.

Die 31-jährige Margaret Birungi verstärkt das Hebammen Team der Asklepios Harzkliniken in Goslar.
Die 31-jährige Margaret Birungi verstärkt das Hebammen Team der Asklepios Harzkliniken in Goslar. © Asklepios Harzkliniken | Ralf Nehmzow

Im Gespräch wurde Birungi dann nicht nur ein Praktikumsplatz – der ja unbezahlt gewesen wäre –, sondern gleich ein bezahlter Arbeitsplatz als Pflegehelferin angeboten. Die Pflegedienstdirektorin des Krankenhauses, Kerstin Schmidt, habe sie mit viel Einsatz in allen Belangen unterstützt, erzählt Birungi. Zum Beispiel bei der Wohnungssuche. „Es war ein Schock, wie nett auf einmal alle zu mir waren.“

Margaret Birungi: Positive Erfahrungen überwiegen

Jetzt ist die junge Hebamme glücklich, endlich da zu stehen, wo sie hinwollte. „Ja, ich habe negative Erfahrungen gemacht, aber die haben mich stärker gemacht. Ich habe mich da durchgekämpft. Und es gab immer auch Menschen, die mich unterstützt und begleitet haben. Dafür bin ich total dankbar.“

Und wie blickt eine Hebamme, die ursprünglich aus Uganda stammt, heute auf die Geburtshilfe in Deutschland? „Die Eins-zu-Eins-Betreuung finde ich super, das kannte ich vorher nicht“, sagt sie. Aber es gibt auch andere Unterschiede, nämlich, was den Stellenwert von Familien betrifft. In Uganda bekommt, Stand 2020, jede Frau im Schnitt 4,7 Kinder. In Deutschland sind es 1,5.

In Deutschland hängt die Kinderfrage auch vom Geld ab

„In Uganda wird jedes Kind als Geschenk angesehen. Egal, ob arm oder reich, alle bekommen Kinder, und viele. In Deutschland ist das anders. Hier bekommen die Leute fast gar keine Kinder – und ob sie welche bekommen, hängt viel mehr von finanziellen Fragen ab“, sagt Margaret Birungi.

Und wie sieht sie es selbst? „Ich finde es toll, eine neue Generation zu sehen. Ich mochte schon immer Babys. Und anders, als in dem Beruf der Krankenschwester, bekommt man als Hebamme nach all dem Schmerz immer glückliche Familien zu sehen. Das ist etwas Wunderbares.“