Braunschweig. Dritan Kokaj von der Braunschweiger Pizzeria Tano’s hat dank Pilgerreisen und Extremsport 37 Kilogramm Gewicht verloren und schwört auf Dinkelmehl.

Im Alter von 17 Jahren machte sich Dritan „Tano“ Kokaj auf den Weg in ein neues Leben. Auf einem kleinen Fischerboot schipperte er zusammen mit 20 anderen Flüchtlingen über das Adriatische Meer Richtung Italien. Er wollte nur eines: Fort aus seiner Heimat Albanien, raus aus dem kommunistischen System.

In Rom wagte er einen Neuanfang. Alleine. Ohne Eltern, ohne Geschwister. Dass er heute im Pano’s im Westlichen Ringgebiet Braunschweigs eine Pizza nach der anderen zubereitet, geht allerdings nicht auf das abenteuerliche Italien-Kapitel zurück. Erlernt hat er sein Handwerk erst hier.

„Meine Mutter dachte, ich sei längst tot“

Die rund vier Jahre in Italien sind Dritan Kokaj in besonderer Erinnerung geblieben. Für einen Stoffhändler verkaufte er auf Märkten nahe der italienischen Hauptstadt Waren. Als Castelli Romani bezeichnet man die Gegend rund um Rom. Zahlreiche Burgen und historische Villen gibt es hier. Eine angenehmere Möglichkeit, das Leben in einem neuen Land kennenzulernen, konnte sich der damalige Jugendliche nicht ausmalen.

Nur die Nächte waren nicht selten kalt. Bisweilen fuhr er mit seinem Roller zu Weingütern und schlief am Rande der Rebflächen. „Am frühen Morgen wurde es richtig eisig. Da musste ich selbst meine drei Wolldecken noch falten und doppellagig nutzen“, erzählt Kokaj.

Vor lauter aufregenden Erlebnissen fiel dem Abenteurer damals erst spät ein, dass er sich schon ewig nicht bei seiner Familie gemeldet hatte. Mal eben eine Nachricht über Handy absetzen? Das sei damals eben nicht möglich gewesen, erklärt der heute 47-Jährige. Und so trat er die Reise zurück nach Albanien an.

Die Freude sei groß gewesen. „Meine Mutter dachte, ich sei längst tot“, berichtet er. Gut drei Jahre ließ ihn sein schlechtes Gewissen bei seiner Familie wohnen, dann stand der nächste Aufbruch bevor: Deutschland.

Der handgeknetete Teig muss über Nacht ruhen, bis er am nächsten Tag als Pizza in den Steinofen geschoben wird.
Der handgeknetete Teig muss über Nacht ruhen, bis er am nächsten Tag als Pizza in den Steinofen geschoben wird. © Henning Thobaben

Die Liebe in der Disko entdeckt

Zunächst war es nur eine kurze Stippvisite zum Ende des Jahres 2000, ein Besuch bei seiner in Braunschweig lebenden Cousine. Doch der Mann aus Albanien vergnügte sich auch im Nachtleben und lernte schließlich im damaligen Jolly Joker eine hübsche Frau kennen. Nach seiner Rückkehr Richtung Albanien besuchte ihn seine neue Liebe dort. Dann beschloss das Paar, in Braunschweig ein gemeinsames Leben zu beginnen. Kokaj erlernte in einer Pizzeria in der Celler Straße die Kunst des Pizzabackens.

Statt auf Weizenmehl setzt er heute nur noch auf Dinkelmehl

2010 schließlich eröffnete er mit dem „Tano’s“ seinen eigenen Laden. Es war kein einfacher Schritt. An dem Standort am Cyriaksring hatten andere Gastronomen in den Jahren zuvor vergeblich ihr Glück versucht. Und auch Dritan Kokaj musste kämpfen. Aber: Er hielt durch und wurde belohnt – auch, weil er hart an sich und seinen Künsten arbeitete. „Mein Motto lautet: Höre nie auf, dich weiterzuentwickeln“, sagt er. Heute ist der selbstbewusste Slogan „Die beste Pizza in Braunschweig“ Teil seines Internetauftritts.

Der Gastronom bezeichnet sich selbst als anspruchsvollen Menschen. Billig zu kaufen, sei nicht sein Ding. Dann lieber weniger und dafür gut. Die Philosophie macht sich auch im Angebot in der kleinen Pizzeria mit nur drei Tischen bemerkbar. Nur die besten Zutaten kaufe er ein, sagt Kokaj. Statt auf Weizenmehl setzt er heute nur noch auf Dinkelmehl. Und natürlich muss der handgeknetete Teig über Nacht ruhen, bis er am nächsten Tag als Pizza in den Steinofen geschoben wird. Käse? „Nur Mozzarella“, betont der Pizza-Profi. Eher melde er Insolvenz an, als an den Zutaten zu sparen, beteuert er.

An sieben Tagen in der Woche läuft der Ofen.
An sieben Tagen in der Woche läuft der Ofen. © Henning Thobaben

Die schwierige Corona-Zeit hat er gut überstanden

Aber davon ist Kokaj derzeit offenbar weit entfernt. Die Geschäfte würden gut laufen, berichtet er. Sogar die für so viele Lokale schwierige Corona-Zeit hat er gut überstanden. Schließlich habe er fast durchgehend öffnen können, der Außer-Haus-Verkauf via Pizzakarton sei sehr gut gelaufen – auch wenn die Steinofen-Spezialität frisch und direkt vom Teller natürlich noch ein bisschen besser schmeckt.

Privat jedoch war die Zeit kurz vor Beginn der Pandemie eine krisenhafte. Seine Ehe ging nach 20 Jahren zu Bruch, und Dritan Kokaj musste zunächst wieder zu sich selbst finden. Er machte sich auf nach Spanien und beschritt zum ersten Mal in seinem Leben den Jakobsweg. Seinen emotionalen Panzer verlor er unterwegs. „Ich habe in den ersten zwei Wochen nur geweint“, gibt er offen zu. Inzwischen lebt glücklich in einer neuen Partnerschaft.

100 Klimmzüge, 200 Liegestütze und 300 Kniebeugen

Zwei weitere Pilgerreisen auf dem Jakobsweg waren allerdings nicht der alleinige Grund, warum Kokaj seitdem von einstmals 117 Kilogramm Körpergewicht auf aktuell 80 abspeckte. Der Hobbysportler zwang sich zu körperlichen Höchstleistungen. Zwei Stunden Training am Morgen sind für ihn mittlerweile selbstverständlich geworden.

Einfach nur ein bisschen joggen? Nein. Nach der üblichen Waldrunde legt der zweifache Vater regelmäßig 100 Klimmzüge, 200 Liegestütze und 300 Kniebeugen hin, bevor er ein weiteres Mal läuft. Murph heißt das harte Crossfit-Programm, dem er sich verschrieben hat. Zu seiner Ausrüstung gehört auch eine 10-Kilo-Weste, die er sich noch zusätzlich überstreift. „Ich sehe dann aus wie ein Elitesoldat“, sagt der austrainierte Braunschweiger amüsiert.

Über seine eigenen Grenzen zu gehen, ist für Kokaj mittlerweile zur wichtigen Lebensaufgabe geworden. Bei einem Mammutmarsch im vergangenen Jahr legte er 42 Kilometer zurück – mit einem umgeschnallten 32-Kilo-Gewicht. Dieses oder nächstes Jahr plant er zudem, bei einem 50-Stunden-Event in den USA an den Start zu gehen. Eine in einem Coaching-Seminar verinnerlichte Lebensphilosophie habe ihm zudem neue mentale Stärke verliehen, sagt er.

Was er ebenfalls gelernt hat: Vertrauen in andere Menschen zu haben. Im „Tano’s“ hat er schon vor längerem einen Pizzabäcker angelernt. Weil dort mittlerweile wieder an sieben Tagen pro Woche der Ofen läuft, muss Kokaj an seinem freien Tag auch mal loslassen und die Verantwortung abgeben. Für ihn ist das kein Problem mehr. „Er ist gut, vielleicht sogar besser als ich“, lobt er seinen Mitarbeiter.

Es ist eine Einstellung die für die Zukunft nützlich sein könnte. Seinen Betrieb hat Dritan Kokaj mittlerweile in die GmbH-Form überführt – spätere Expansion mit weiteren Filialen nicht ausgeschlossen.

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