Braunschweig. Grundsatzbeschluss zur Planung einer Konzerthalle mit Musikschule an Viewegs Garten ist da – lesen Sie Analyse und Kommentar von Henning Noske.

Die Abstimmung ist gelaufen – und nun? Grundsatzbeschluss zur Planung einer Konzerthalle mit Musikschule an Viewegs Garten mit rot-grüner Mehrheit getroffen. Das Ringen um die Deutungshoheit, was das nun bedeutet, wird nicht nachlassen:

Version 1 (Stadtverwaltung und SPD): Wir haben jetzt grünes Licht für die Planung. Es beginnt mit einem Architektenwettbewerb. Da erhoffen wir uns exzellente Entwürfe für ein Haus als Leuchtturm in der Sichtachse vom Hauptbahnhof. Über Kosten haben wir bislang nicht geredet. Jede Summe, die jetzt genannt wird, ist falsch. Jetzt wollen wir sie erst ermitteln. Eine Zahl allerdings kennen wir schon: Der heutige Beschluss bedeutet, dass 500.000 Euro an Haushaltsmitteln für Planung und Prüfung bereitstehen. Auf der Basis all dieser Ergebnisse kann der Rat der Stadt dann 2025 den endgültigen Startschuss geben. Gerät der städtische Haushalt in Schieflage, hat sich die Sache allerdings erledigt.

Version 2 (Grüne): Wir bleiben bei der Stange in dieser Sache, obwohl in unserer Fraktion lange, kontrovers und auch mit Gegenmeinungen diskutiert wurde. Dabei geht es darum, dass auch die Prüfung eines Standortes in der Innenstadt mit der Priorität des Umbauens im leerstehenden Bestand grünen Positionen entspricht. Am Ende haben wir uns dennoch für ein geschlossenes Votum dafür entschieden, ein Zentrum für Musik an Viewegs Garten prüfen zu lassen. Für uns ist das noch keine Vorentscheidung für diesen Standort. Es wird ja erst geprüft. Wir werden ausdrücklich nur dann endgültig zustimmen, wenn die Kosten nicht andere wichtige Projekte in der Stadt verhindern, zum Beispiel Nachbarschaftszentren. Eine reine Konzerthalle ohne Musikschule hätten wir übrigens abgelehnt.

Version 3 (CDU): Wir sind nicht grundsätzlich gegen ein Haus der Musik mit Konzerthalle und Städtischer Musikschule. Es muss nur finanzierbar sein, und da sind wir skeptisch angesichts der prekären Haushaltslage und weiterer Brocken, die jeweils immer dreistellige Millionensummen verschlingen, zum Beispiel für die Stadthalle, für das Klinikum, für die Klimawende. Nun also Konzerthalle. Hier reden wir bestimmt von Kosten in Höhe von 150 Millionen Euro. Obwohl das nicht ausdrücklich gesagt wird, ist heute bereits eine Vorentscheidung gefallen, auch für den Standort Viewegs Garten.

Leuchtturm, Katalysator – und die überfällige Lösung für die Musikschule

Drei Versionen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), die eine mehrstündige Diskussion gestern im Rat der Stadt zusammenfassen können. SPD und Grüne, Oberbürgermeister Thorsten Kornblum und Kulturdezernentin Anja Hesse, haben mithin die erste Hürde für ein ambitioniertes Projekt genommen, das für sie vor allem drei Funktionen hat:

ein Leuchtturm für Kultur und Stadt mit herausragenden architektonischen Qualitäten und nationaler Ausstrahlung,

ein Katalysator für die Entwicklung des neuen bahnhofsnahen Quartiers,

die Lösung, endlich, für die Städtische Musikschule.

Beweggründe, die Zustimmung zu verweigern *

Doch im Kern spiegelt die gestrige Diskussion im Rat auch wider, warum neben CDU und FDP auch BIBS, AfD, Die Fraktion und Direkte Demokraten aus einer Summe unterschiedlicher Beweggründe nicht zustimmen konnten:

Es gibt Unbehagen und Unverständnis, warum angesichts der Not der City mit großen Leerständen nicht doch auch ein Standort dort in die Prüfung einbezogen wird.

Es fehlt der Glaube, dass sich die Stadt Braunschweig ein solches Projekt überhaupt leisten kann.

Es wird bezweifelt, ob die Kombination mit der Konzerthalle nicht tatsächlich auch zum Nachteil für die Städtische Musikschule ist. Es dürfte dann noch einmal Jahre länger dauern – und ein Standort in der City schiede damit wohl auch aus.

Und die Stadthalle? Sie wird ja schon modernisiert, sie wird umgebaut, sie steht schon an Viewegs Garten, sie ist bereits eine Konzerthalle mit ausgewiesen exzellenter Akustik. Hallo?

*

Nicht selten treffen sich aber auch die Argumente dafür und die dagegen:

– Es gehe nicht nur um die Investitionskosten, die erheblich sein dürften, sondern auch um die Betriebskosten, dito, steigende Kosten inklusive. Das wissen alle.

– Wenn das Projekt Konzerthalle aus den vielfältigsten denkbaren Gründen noch scheitert, wird auf jeden Fall die Lösung für die Städtische Musikschule solo realisiert. Das sagen alle.

– Die Braunschweiger Innenstadt braucht Hilfe, mit einem Haus der Musik oder ohne. Gegen den Vorstoß des Oberbürgermeisters, die City zum „Bildungs- und Lernort“ zu machen, kann keiner was sagen.

Wichtige Stimmen dieser Diskussion

Kommen wir zu wichtigen Stimmen dieser Diskussion:

Kulturdezernentin Anja Hesse: „Wir haben uns für den besten Standort entschieden. Braunschweig hat jetzt die historische Chance, ein Zeichen für die Kultur zu setzen.“

Oberbürgermeister Thorsten Kornblum: „Wir brauchen heute diesen Grundsatzbeschluss – erst dann können wir Fördermittel beantragen. Auch weitere mögliche Geldgeber brauchen Planungssicherheit.“

Claas Merfort (CDU): „Wir verpassen heute die Chance, ein dringend notwendiges, starkes Signal für die Braunschweiger Innenstadt zu setzen. Es wäre machbar, wenn man es will.“

Christoph Bratmann (SPD): „Wir reden hier doch nicht über einen Standort in Dibbesdorf oder Harxbüttel, sondern über den Stadtbezirk Mitte. Und dazu gehört auch Viewegs Garten.“

*

Die Debatte wird weitergehen, aber auch die Planung samt Kostenermittlung beginnt nun. Was bleibt, sind die Sorgen der Innenstadt – und der Haushalt. Wir setzen die Berichterstattung zu diesen Themen fort.

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Einigkeit und Partner – sonst wird’s schwer

Die Zukunft gehört den Wagemutigen. Den ersten Schritt dazu ist die Ratsmehrheit gestern mit dem Grundsatzbeschluss für das Haus der Musik gegangen.

Das ist gut, endlich reden, streiten und entscheiden wir über Kultur – und bringen sie nicht notgedrungen irgendwo unter. Das wurde Zeit, hat aber auch etliche Jahre auf sich warten lassen.

Doch es bleiben Fragen auch nach dem gestrigen Beschluss, möglicherweise zu viele. Warum hat man nicht versucht, den Umbau eines Leerstandes in der Innenstadt in die Prüfung einzubeziehen? Woanders geht es doch, mit Verlaub.

Es wäre die Nagelprobe gewesen, welche Kosten und Notwendigkeiten dort tatsächlich entstehen. Man hätte sie mit denen an Viewegs Garten vergleichen können. So bleibt es bei Weichenstellungen mit verbundenen Augen.

Das könnte sich rächen, wenn die harten Zahlen für den gestrigen Beschluss auf den Tisch kommen und sich Legenden bilden.

Was zu denken gibt: Selten waren Rahmenbedingungen unkalkulierbarer als heute. Was Braunschweig fürs Haus der Musik jetzt braucht, sind Einigkeit, starke Partner und Verbündete. Sonst wird’s ganz schwer.

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