Braunschweig. In Braunschweig geht das Derby weitgehend gesittet über die Bühne. Wieder zu Hause, machen enttäuschte Hannover-Fans dafür ihrem Unmut Luft.

In Braunschweig sind sie nach dem knappen Derby-Sieg gegen Hannover 96 alle zufrieden: Die Eintracht-Fans, die Polizeidirektion Braunschweig, natürlich der Verein selbst und auch die Bundespolizei. Doch dem geht ein massiver Einsatz der Polizei voraus.

Bereits am Morgen sichern etwa 400 Bundespolizisten den Braunschweiger Hauptbahnhof. Als gegen 10.50 Uhr der erste von zwei Sonderzügen aus Hannover im Bahnhof einfährt, kreist ein Polizei-Hubschrauber über dem Gelände. Die Türen gehen auf, mehr als 1200 Fans von Hannover 96 strömen aus dem Zug, tragen rote Jacken und singen: „Tod und Hass dem BTSV.“

Hannover-96-Fans kommen am Braunschweiger Hauptbahnhof an

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    Die Bundespolizisten haben aber leichtes Spiel. Außer den Schmähgesängen passiert nichts. Die 96-Fans laufen durch den Hinterausgang zum Parkplatz. Dort stehen die ersten Shuttle-Busse, die sie zum Eintracht-Stadion fahren sollen, schon bereit.

    Braunschweigs Anthony Ujah wirft eine brennende Pyrotechnik vom Spielfeld.
    Braunschweigs Anthony Ujah wirft eine brennende Pyrotechnik vom Spielfeld. © Dpa | Swen Pförnter

    Taktisches Einsatzkonzept ging voll auf

    Kurze Zeit später fährt der zweite Zug mit noch einmal 800 Hannover-Fans in den Bahnhof ein. Wieder dasselbe Spiel: Gesänge, aber sonst nichts. Klar, die Fans wollen das Spiel auf jeden Fall sehen, halten deshalb den Ball flach.

    Kevin Müller von der Bundespolizei, die den Bahnhof sichert, gibt da schon mal ein kleines Zwischenfazit ab. Der Sprecher sagt: „Das Niedersachsen-Derby hat immer eine gewisse Brisanz.“ Das taktische Einsatzkonzept mit der strikten Trennung der Fanlager sei aber voll aufgegangen.

    Kevin Müller von der Bundespolizei zieht erstes Derby-Einsatzfazit

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      Deutlich mehr Fans als erwartet kommen per Zug nach Braunschweig. Auf dem Ikea-Parkplatz werden die 96-Fans erwartet, die per Auto nach Braunschweig fahren. Mehr als drei Gelenkbusse mit 96-Fans sind es nicht, die per Shuttle zum Stadion gefahren werden. Es sind fast mehr Polizisten als 96-Fans auf dem Parkplatz.

      Überhaupt fährt die Polizei einen massiven Einsatz. Sie will zeigen: Sie hat die Lage im Griff. Mehr als 1600 Polizisten aus ganz Niedersachsen und den benachbarten Bundesländern, dazu 400 Bundespolizisten mischen mit. Wasserwerfer, berittene Polizei, Hunde, Drohnen, dazu der erwähnte Hubschrauber über dem Hauptbahnhof.

      Polizeisprecher Frank Oppermann mit erster Bilanz kurz nach Spielanpfiff

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        Hier wird es kurz brenzlig

        Die einzige brenzlige Situation erleben die Polizisten vor dem Gästeblock. Mehr als eine Stunde müssen die 96-Fans warten, bis die meisten von ihnen ins Stadion dürfen. Das liegt vor allem aber an den Hannoveranern selbst. Einige 96-Fans sind stinksauer auf die Polizei, sagen unserer Zeitung, dass diese alles andere als deeskalierend wirke. Tatsächlich rennen einige Trupps mit Polizisten ein paar Mal in die Gästeschar. Das liegt aber daran, dass 96-Fans zwischendurch versuchen, den Gästeblock zu stürmen, um Pyros reinzubringen.

        Das misslingt. Daraufhin blockiert ein Teil einer 96-Ultra-Fangruppe den Zugang zum Gästeblock. 70, 80 Fans machen alles dicht, weil der Rest der Truppe die Pyros, Trommeln und vor allem ein riesiges Banner nicht mit ins Stadion bringen darf. Aus Trotz also lassen die Fans keinen mehr rein, keinen mehr raus.

        Zwischendurch fliegen auch Flaschen, die Polizei zieht einen der Werfer aus dem Verkehr, nimmt ihn fest. Ansonsten lässt die Polizei die 96-Ultras, die den Zugang blockieren, einfach gewähren, denn sie schaden damit vor allem den anderen Hannover-Fans, die nicht ins Stadion können. Zwei, drei Minuten vor Spielbeginn gehen die Ultras dann doch ins Stadion, geben den Zugang frei – und der Rest der Fans strömt nach.

        So sieht es die Ministerin Daniela Behrens

        Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) lässt sich das Spiel nicht entgehen. Sie sitzt zeitweise im Kontrollraum im Innenbereich des Stadions, hat von hier aus einen guten Überblick. Sie sieht, dass immer wieder Pyros gezündet werden – in beiden Kurven. Die 96-Fans aber werfen Pyros in Richtung Eintracht-Fans, reißen etwa 100 Sitzschalen heraus.

        Behrens steht in der Halbzeitpause für ein kurzes Interview zur Verfügung. Sie sagt: „Braunschweig – Hannover ist ein emotionales Spiel. Es ist das Spiel mit dem höchsten Sicherheitsrisiko in Niedersachsen. Was hier von einem Teil der Ultra-Szene gepflegt wird, hat mit Fußball aber nichts mehr zu tun, sondern mit Gewalt.“ Die Polizei sei aber auf alles vorbereitet. Sie sagt: „Die große Mehrheit will das Spiel sehen, uns beschäftigen diejenigen, die Trouble machen wollen. Dieser große Einsatz bindet uns. Das heißt, dass wir anderswo Kräfte abziehen müssen. Das ist aber wichtig, um hier Sicherheit zu gewährleisten.“

        So sieht es die Eintracht

        Auch Wolfram Benz, Geschäftsführer der Eintracht, zieht insgesamt ein positives Fazit: „Nicht nur sportlich war das Derby ein voller Erfolg, sondern auch unser Sicherheitskonzept in Bezug auf den Ausschank von Alkohol. Unsere Maßnahme, bis 30 Minuten vor Anpfiff auf dem Stadiongelände Alkohol auszuschenken, ist zu 100 Prozent aufgegangen“, sagt er laut Mitteilung. Die Eintracht-Fans hätten alle frühzeitig die Einlasskontrollen passiert, Drucksituationen und Gedränge an den Eingängen sei vermieden worden. Benz sagt: „Getrübt wurde der Gesamteindruck allerdings durch den unverantwortlichen Einsatz von Pyrotechnik von Anhängern beider Vereine.“

        So sieht es die Polizei

        Auch der Einsatzleiter, Polizeivizepräsident Roger Fladung, ist weitgehend zufrieden: „Durch eine umfangreiche Vorbereitung und das engagierte Vorgehen der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten haben wir einen nahezu störungsfreien Spieltag ermöglicht. Im Mittelpunkt unserer Vorbereitungen für diesen Einsatz standen (…) die konsequente Trennung bzw. Verhinderung des Aufeinandertreffens rivalisierender, gewaltbereiter Personengruppen“, heißt es in einer Mitteilung nach Spielschluss.

        Aber, so Fladung: „Heute kam es auch zu Szenen, in denen Pyrotechnik in gefährlicher Art und Weise eingesetzt wurde. Dies geht über das Maß einer gelebten Fankultur hinaus.“ Er kündigt an: „Im Nachgang zu unserem Einsatz werden wir Videomaterial, insbesondere zum Einsatz von Pyrotechnik, aber auch von Sachbeschädigungen auswerten und gegebenenfalls weitere Strafverfahren einleiten.“

        Stress in Hannover

        Die 96-Fans verlassen nach Spielschluss und der Niederlage zwar enttäuscht, aber ohne Murren das Stadion. Wieder zu Hause, lassen sie ihrem Unmut vor dem eigenen Stadion freien Lauf, stellen ihre Mannschaft zur Rede. Laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung schmeißen Dutzende 96-Fans Pyros, rufen den Spielern zu: „Ihr seid Derby-Versager! Wir haben die Schnauze voll!“ Beleidigungen fallen. Die Polizei ist mit 100 Beamten dort, ein Wasserwerfer auch. Dann hat die Polizei die Lage laut der Zeitung aber wieder unter Kontrolle.