Braunschweig. Niedersachsen ist ein Schwerpunkt der Kriminellen. Die Landesregierung will Banken in die Pflicht nehmen, um Automatensprengungen einzudämmen.

Laut Landeskriminalamt (LKA) sind in Niedersachsen dieses Jahr bereits jetzt so viele Geldautomaten gesprengt worden wie noch nie in einem Jahr zuvor. Bis zum Dienstagmorgen seien bereits 60 Taten gezählt worden, berichtet die dpa. Im gesamten Vorjahr waren es 55 vollendete und nicht vollendete Fälle. Rund ein Drittel dieser Fälle entfällt auf unsere Region. „Damit sind wir überproportional betroffen“, erklärte die Zentrale Kriminalinspektion (ZKI) Braunschweig auf Anfrage unserer Zeitung. Die ZKI bearbeitet die Automatensprengungen im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Braunschweig.

Die Politik will Banken nun in die Pflicht nehmen, die Geldautomaten besser vor Sprengungen zu schützen. Vom heutigen Mittwoch an befassen sich die Innenminister der Länder mit dem Thema. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) streben eine Bundesratsinitiative an, um die Taten einzudämmen. Zu derem Inhalt wollte sich das Innenministerium am Dienstag noch nicht äußern. Man werde sich mit dem Justizministerium „zu gegebener Zeit abstimmen“.

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Pistorius erklärte aber gegenüber unserer Zeitung, dass ihm die von den Banken getroffenen Schutzmaßnahmen nicht genügen. „Ich habe mich bereits im Juni mit Vertreterinnen und Vertretern der Niedersächsischen Banken und Sparkassen getroffen, damit sie kurzfristig etwas für eine deutlich bessere Sicherung der Geldautomaten tun“, sagte er. „Dazu waren die Geldhäuser aber bisher nicht im erforderlichen Umfang bereit oder in der Lage, trotz deutlich angestiegener Taten in diesem Jahr. Das ist sehr ärgerlich!“ Aus Sicht des Ministers bietet die Untätigkeit der Banken weiterhin Tatanreize für Kriminelle, nach Niedersachsen zu kommen und Automaten zu sprengen.

Die Bankenwirtschaft reagiert überrascht auf den Vorwurf der Untätigkeit. Erst am 8. November habe man auf Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an einem runden Tisch mit Strafverfolgungsbehörden von Bund und Ländern teilgenommen und sich auf „eine Reihe von Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor Geldautomatensprengungen verständigt“, so eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft gegenüber unserer Zeitung. Die Bankenbranche wendet sich bisher gegen verpflichtende Mindeststandards beim Schutz vor Automatensprengungen, da es „keine pauschal wirksamen Präventionsmaßnahmen“ gebe.

Tun die Banken genug, um sich vor Geldautomatensprengern zu schützen?

Pistorius und Wahlmann wollen die Banken verpflichten, stärkere Schutzmaßnahmen zu treffen und bereiten zu diesem Zweck eine Gesetzesinitiative im Bundesrat vor. Pistorius erklärte unserer Zeitung: „Durch die inzwischen fast ausschließlich genutzten Festsprengstoffe werden Menschenleben akut gefährdet – bei der unmittelbaren Tat und bei der anschließenden Flucht vor der Polizei. Das können wir nicht weiter hinnehmen.“ Deswegen müsse den Tätern der Anreiz genommen werden. Durch technische Vorkehrungen könnten Taten „kurzfristig eingedämmt und langfristig fast komplett verhindert werden“, so Pistorius. „In den Niederlanden etwa wird bei einer Sprengung das Geld zerstört oder verklebt.“ In dem Nachbarland gebe es daher heute kaum noch Taten.

Auch in der in unserer Region zuständigen Zentralen Kriminalinspektion Braunschweig ist man von der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen überzeugt. Der Anteil der gescheiterten Raubversuche, bei denen die Täter ohne Beute abziehen mussten, sei gestiegen. Diese erfolglosen Versuche seien in der Statistik enthalten.

Kein Patentrezept gegen Automatensprenger?

Vertreter der Bankenbranche versichern gegenüber unserer Zeitung, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Allerdings sagen sie auch, es gebe kein Patentrezept. Was im Einzelfall sinnvoll sei, hänge vom Standort ab. Eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft erklärte: „Die Präventionsmaßnahmen können – als Ergebnis der jeweiligen Risikoanalyse – einzeln oder in Kombination eingesetzt werden.“ Zu den Maßnahmen zählten Alarmanlagen, Nebel- und Einfärbesysteme, Videoüberwachung und „mechanische Systeme“.

Rund ein Drittel der 60 Geldautomaten, die Täter in Niedersachsen 2022 bereits in die Luft gejagt haben, stand in unserer Region. Zu den Ursachen der Ballung heißt es aus der ZKI, dass Täter oft dort zur Tat schritten, wo sie schon zuvor erfolgreich waren. Dabei spezialisierten sie sich etwa auf einzelne Typen von Geldautomaten und infolgedessen auch auf bestimmte Bankenketten, die diese Fabrikate nutzten.