Braunschweig. Willi Mein möchte im „Siebenschläfer“ in Braunschweigs Innenstadt das „Dinner im Dunkeln“ wiederbeleben und in Waggum Sportler verköstigen.

Während der Corona-Lockdowns suchten sich viele Gastronomen ihre Projekte. Manche strichen die Wände neu, andere schmissen alte Küchengeräte raus und ersetzten sie durch neue. Willi Mein musste nicht lange überlegen, wo er ranklotzen sollte. Als gelernter Tischler nahm er sich Bänke und Stühle seines Außenbereichs vor. 110 Plätze hat er vor seiner Cocktailbar „Siebenschläfer“ in der Braunschweiger Innenstadt jetzt zu bieten – größtenteils handgemacht.

Genau genommen ist seine Tischler-Vergangenheit sogar der Grund dafür, dass Willi Mein in der Gastronomie gelandet ist. Die Ausbildung absolvierte er zwar erfolgreich, aber mit einer Festanstellung klappte es nicht. Stattdessen verdiente er sein Geld als Servicekraft im früheren Café Zeit und bei „Tiziano“. „Auch als Flaschensammler im ,Velvet’ habe ich schon gearbeitet“, erzählt er von seinem früheren Disko-Job.

Vom Bandarbeiter zum Self-Made-Koch

Im Innenbereich mit Bar genießen die Gäste ihre Cocktails. Für seine Burgerkreationen ist das Lokal bekannt.
Im Innenbereich mit Bar genießen die Gäste ihre Cocktails. Für seine Burgerkreationen ist das Lokal bekannt. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Der Gedanke an ein festes Standbein in der Gastro-Szene brauchte allerdings noch einige Zeit zum Reifen. Sechs Jahre malochte Mein als Bandarbeiter bei VW. Dass dort nicht schlecht bezahlt wird, ist bekannt. Auch das Schichtsystem brachte den Schlafrhythmus des Braunschweigers nicht gänzlich durcheinander. „Aber es ist auf die Dauer nicht fordernd genug. Auf dem Parkplatz ankommen, Hirn ausschalten, acht Stunden arbeiten und dann das Hirn wieder anschalten – das war irgendwann nicht mehr mein Ding“, sagt er. Eigene Ideen entwickeln und sich selbst verwirklichen sollte das Ziel sein. Und das ging in der Gastronomie.

2016 bot sich für Willi Mein die erste Chance dazu. Für den Inhaber des „Soldekk“ übernahm der heute 39-Jährige die Küche. Erfahrung hatte er in diesem Bereich zwar nicht. „Als leidenschaftlicher Hobbykoch habe ich mir die Aufgabe aber zugetraut“, berichtet Mein. Privat hatte er schon häufig Freunde und Bekannte kulinarisch verwöhnt. Und das nicht nur im kleinen Kreis. 20 bis 30 Personen lud Mein eine Zeit lang einmal im Monat zu sich ein. Er kredenzte dabei verschiedene Mottobuffets. Mal italienisch, mal französisch, ein anderes Mal asiatisch. Und natürlich amerikanisch. Denn das ist seine große Leidenschaft.

Freund der Lockerheit in Los Angeles

Früher reiste Mein regelmäßig in die Staaten. Freunde hat er dort, ebenso Verwandtschaft. „Ich war oft in der Gegend um Los Angeles. Ich mag die Menschen dort, diese Lockerheit und Gelassenheit“, erklärt er. Allerdings: Seit 2018 sei er nicht mehr dort gewesen. Nicht wegen Trump, auch nicht in erster Linie wegen der Pandemie. Das „Siebenschläfer“ ist der Grund.

Schon vor dieser Zeit hieß die Cocktailbar exakt so. Eigentlich sah dort auch alles fast so aus wie heute. Nur die Küche spielte damals eine eher untergeordnete Rolle. Mein änderte das, nachdem er den Laden übernommen hatte. Heute gilt das „Siebenschläfer“ unter Burger-Fans als eine der besten Adressen in Braunschweig. Bei einer Aktion unserer Zeitung im Februar wählten Leserinnen und Leser das Lokal in die Top 5 der besten Burger-Restaurants der Stadt.

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Nahrhafte Nudel-Käse-Patties für vegetarische Burger

Die Wände des „Siebenschläfer“ dienen Künstlern als Ausstellungsfläche. Alle Werke sind käuflich.
Die Wände des „Siebenschläfer“ dienen Künstlern als Ausstellungsfläche. Alle Werke sind käuflich. © Henning Thobaben | Henning Thobaben

Ein Renner: der US-Burger mit Bacon und Apfel-Zwiebel-Relish. Ebenfalls hoch im Kurs stehen bei Gästen die „Mac & Cheese“-Burger, bei denen die Patties aus Nudeln und Käse hergestellt werden. „Wer davon mehr als einen isst, verdient meinen Respekt“, sagt Mein lachend. Drei Monate, nachdem er die Kreation auf die Karte genommen hatte, hätte eine große Burger-Kette nachgezogen, berichtet der Gastronom, der auch Vegetarier zufrieden stellen möchte.

Die aus Erbsenprotein hergestellten Patties kommen Fleisch sehr nahe. Hätten sich früher noch 90 Prozent der Gäste für einen Fleisch-Burger entschieden, sei der Anteil der Veggie-Burger mittlerweile auf 30 Prozent angestiegen, berichtet Mein, der die Soßen selbst herstellt und die Brötchen vom Bäcker liefern lässt.

Themensonntage zu US-Spezialitäten wie Spare Ribs hat der Gastronom aufgrund der stark gestiegenen Einkaufspreise aufgeschoben. Ebenfalls erst wieder im nächsten Jahr aufleben lassen möchte er einen Klassiker: das Dinner im Dunkeln. Dabei werden im „Siebenschläfer“ die Vorhänge zugezogen, die Gäste ziehen sich zusätzlich eine Schlafmaske über die Augen. Beim anschließenden Drei-Gänge-Menü sind ausschließlich die Geschmacksnerven gefragt, das Auge isst nicht mit.

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Im Dunkeln nur dem Geschmackssinn vertrauen

„Es ist interessant zu hören, was die Gäste meinen, gegessen zu haben“, berichtet Mein. Hähnchen werde zu Pute und umgekehrt. Selbst bei Schwein und Rind komme manch einer ins Straucheln. Im Gemüsebereich seien Zucchini und Aubergine bei einem bestimmten Garpunkt zum Verwechseln ähnlich. Normale Kartoffeln von Süßkartoffeln zu unterscheiden gelänge dann aber schon den meisten, sagt Mein.

Einmal, so erzählt er, habe ein Gastkoch Schweinemedaillons so zubereitet, dass diese Hähnchenfleisch nahe gekommen seien. Ein Fleischermeister sei als Gast dabei gewesen, und selbst der habe falsch gelegen. Nach der Auflösung habe er – am meisten von sich selbst enttäuscht – das Lokal verlassen.

Neuer Betreiber der Vereinskantine des SV Waggum

Da Willi Mein im Braunschweiger Stadtteil Waggum aufgewachsen ist, hat er sich jetzt in ein weiteres Abenteuer gestürzt. Das Vereinsheim des dortigen SV war nach dem Tod des bisherigen Pächters lange geschlossen. Jetzt wird Mein das Haus als Vereinskantine zu Trainings- und Spielzeiten weiterbetreiben. Allerdings nicht mit Burgern, sondern nur mit einfachen Sportplatz-Klassikern wie Frikadellen, Bockwurst oder Pommes.

Es ist eher eine Aufgabe, die er aus Verbundenheit zu seinem Heimatstadtteil übernimmt, als um damit zu verdienen. Vielleicht laufe er dem einen oder anderen Kumpel von früher über den Weg, hofft er. Als Fußballer war er einst selbst im Verein aktiv, spielte in seiner Jugend dann für EintrachtBraunschweig. „Am gleichen Tag, an dem ich erstmals gescoutet wurde, habe ich mir das Kreuzband gerissen“, erzählt der frühere Kicker. Das sei es dann gewesen mit dem Traum von der Karriere.

Hündin wacht vom Balkon aus

Kein Profisportler, kein Tischler – und jetzt also gut in der Gastro-Branche etabliert. Mein mag seinen Job, arbeitet nach eigener Einschätzung 70 bis 80 Stunden in der Woche. Tagesausflüge an die Ostsee sind bestenfalls an seinem einzigen freien Tag pro Woche drin. Ansonsten kümmert sich der Single um Labrador-Hündin Mely, die während der Arbeitszeit ihres Herrchens vom Balkon der Wohnung auf das Treiben vor dem „Siebenschläfer“ herabschauen kann. Dort ist im Sommer jede Menge los. Auch dank der Möbelbau-Aktion während des Lockdowns, bei der Freunde geholfen hatten und sogar Nachbarn spontan eingestiegen waren.