Braunschweig. Er soll eine Frau beleidigt und Widerstand gegen Polizisten geleistet haben. Im Internet kursiert ein Video. Jetzt äußert er sich auch selbst.

Ein Vorfall in der Braunschweiger Innenstadt wird zurzeit von sehr vielen Menschen auf der Onlineplattform Tiktok und auf Twitter diskutiert. Dabei richtet sich viel Kritik gegen die Braunschweiger Polizei. Die Hintergründe:

Wie die Polizei in einer Pressemitteilung erläutert, wurden Beamte am Freitagvormittag in der Fußgängerzone von einer Frau angesprochen. Die 28-Jährige habe angegeben, von einem Mann beleidigt worden zu sein. „Als die Polizei den 27-jährigen Mann angesprochen hat, um ihn mit dem Sachverhalt zu konfrontieren und die Personalien festzustellen, kam es zu Widerstandshandlungen“, heißt es in der Pressemitteilung.

Braunschweiger Polizei: Strafanzeige wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Bei den Widerstandshandlungen sei niemand verletzt worden. „Diese Situation wurde durch das Handy des Mannes gefilmt, wovon nun Aufnahmen in Sozialen Medien zu finden sind“, so die Polizei weiter. „Der 27-Jährige wurde zur abschließenden Personalienfeststellung zur Polizeidienststelle gebracht. Nachdem diese abgeschlossen war, konnte er die Dienststelle wieder verlassen. Gegen den Beschuldigten wurde eine Strafanzeige wegen Beleidigung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gefertigt.“

Influencer Dabo hat einen Livestream in der Braunschweiger Innenstadt gedreht

Nur kurze Zeit nach dem Vorfall wurde der Vorfall bereits bei Tiktok kommentiert. Auf der Plattform werden unzählige Kurzvideos geteilt. Auch Livestreams sind dort zu sehen. Bei dem Beschuldigten soll es sich um einen Mann handeln, der bei Tiktok gewisse Bekanntheit hat und unter dem Namen @dfaguimba viele Videos von sich präsentiert. Meistens sieht man ihn tanzen. Die Videos zeigen ihn in verschiedenen deutschen und europäischen Großstädten, oft auch in Braunschweig, manchmal in Salzgitter.

Am Freitagvormittag hat er zusammen mit dem Musiker Bovann einen Livestream gesendet. Nach dem Vorfall berichtete Bovann auf Tiktok von seiner Aktion gemeinsam mit @dfaguimba. Mehr als 2000 Menschen sollen ihm zufolge den Livestream aus Braunschweig gesehen haben – und damit auch den Moment, als die Polizei hinzukam. Ausschnitte des Livestreams sind noch bei Tiktok zu sehen. Und sie sind es, die in kürzester Zeit Empörung ausgelöst haben.

Polizisten stoppen die Videoaufnahme

Man sieht @dfaguimba in der Fußgängerzone tanzen – im Bereich zwischen New Yorker und Karstadt. Außerdem ist zu erkennen, dass ein Polizist und eine Polizistin mit ihm reden. Der genaue Ablauf ist anhand dieser Videoaufnahme nicht klar zu rekonstruieren, nicht alle Wortwechsel sind zu verstehen. Man weiß außerdem nicht, was sich vorher zugetragen hat und was nebenher noch geschieht. Der gefilmte Bereich ist sehr schmal. Die Stimmung wirkt sehr gereizt. Die beiden Polizeibeamten sprechen laut.

@dfaguimba sagt mehrfach: „Ich habe gar nichts gemacht.“ Wenig später ist zu sehen, dass die Polizeibeamten ihn auf den Boden drücken. Ein weiterer Mann, vermutlich ein Begleiter des Tiktokers, dreht das Handy, mit dem der Livestream aufgenommen wird, so, dass diese Szene zu sehen ist. Die Polizistin herrscht ihn an: „Dreh das Handy jetzt weg!“ Kurz danach kommen weitere Polizisten hinzu und beenden die Videoaufnahme.

Der Musiker Bovann kritisiert auf seinem Tiktok-Kanal das Auftreten der Polizei. @dfaguimba sei mit viel Gewalt festgenommen worden, sagt er. Und das nur, weil eine Frau behauptet habe, sie sei belästigt worden, so Bovann, „ohne Beweise“. Er fragt auch: „Darf man nicht filmen, wenn man festgenommen wird?“

Kritik an Polizisten: Von einem rassistischen Vorgehen ist die Rede

In den sozialen Medien entlädt sich nun aufgrund des Videos viel Kritik gegenüber den Polizeibeamten. Von Rassismus aufgrund der Hautfarbe des Tiktokers ist dort zum Beispiel die Rede. In dem anderthalbstündigen Livestream sei zu keinem Moment zu sehen gewesen, dass er eine Frau beleidigt hätte, heißt es.

Ein User kommentiert die Pressemitteilung der Braunschweiger Polizei auf Twitter zum Beispiel so: „Durch die Aufnahmen des ,Täters’ haben über 2000 Menschen live beobachten können, wie man als Polizist versagt hat. Der ,Täter’ war nicht aggressiv und hat sogar noch versucht, normal mit den Polizisten zu reden.“

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Braunschweiger Polizei weist Rassismus-Vorwurf zurück

Polizeisprecherin Carolin Scherf betont auf Nachfrage unserer Zeitung, dass der Vorgang nichts mit Rassismus und der Hautfarbe des Beschuldigten zu tun habe. Aufgrund der Schilderung der Frau habe der Anfangsverdacht einer Straftat vorgelegen, erläutert sie. Auch wenn eine Beleidigung eine niedrigschwellige Straftat sei, müsse die Polizei dem nachgehen.

„In solch einem Fall müssen wir immer alle Erkenntnisse zusammentragen, um zu prüfen, ob eine Straftat vorliegen könnte. Alle Ermittlungen zu tätigen, ist unsere ureigenste Aufgabe – unabhängig davon, ob ein Staatsanwalt oder Richter später feststellt, dass es keine Straftat ist“, sagt Scherf.

Es gelte, alle Beteiligten zu befragen. „Dazu gehört auch, dass wir die Personalien des Beschuldigten aufnehmen und ihn mit dem Vorwurf konfrontieren.“ So weit seien die Einsatzkräfte aber gar nicht gekommen. „Der Mann hat es nicht zugelassen, dass vernünftig miteinander gesprochen wird“, so Scherf. „Parallel dazu lief der Livestream, darüber ist man dann in Streit geraten.“

Um die Situation zu beruhigen, habe man den Mann zur Personalienfeststellung mit auf die Wache in der Münzstraße genommen. Danach konnte er gehen. Es habe sich dabei nicht um eine Festnahme gehandelt.

Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen Videoaufnahmen von Polizisten zulässig beziehungsweise verboten sind, sagte Scherf, das sei sehr einzelfallabhängig. Man prüfe dies zurzeit für den konkreten Fall und werde sich dazu später weiter äußern.

Das sagt Braunschweigs Polizei-Vizepräsident

Am Montag äußerte sich Polizei-Vizepräsident Roger Fladung auf Facebook zu dem Fall. „Ich habe Verständnis dafür, dass das veröffentlichte Video zum Polizeieinsatz am Freitagvormittag in der Braunschweiger Innenstadt zu Aufregung führen kann. Kein Verständnis habe ich für beleidigende Äußerungen und Verunglimpfungen, die teilweise dazu im Netz verbreitet werden.“

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Und weiter: „An dieser Stelle möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die Sequenz nur einen Bruchteil des Einsatzes darstellt. Um den Sachverhalt aufzuklären, haben wir umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Diese werden außerhalb der Polizeiinspektion Braunschweig geführt. Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen habe ich keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen und dem Einschreiten der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.“

Tiktoker hat fast vier Millionen Abonnenten auf seinem Kanal

@dfaguimba hat auf eine Anfrage unserer Zeitung am Wochenende nicht reagiert. Allerdings äußert er sich jetzt auf Tiktok zum dem Vorfall. In einem Kurzvideo berichtet er, dass er gerade getanzt hätte, als die Frau zu ihm gekommen sei – mit den Worten: „Hier ist nicht Afrika, hier ist Deutschland. Wir gehen arbeiten.“ Er solle sich ein anderes Land suchen.

„Leute, alle wissen bei Tiktok, Dabo geht jeden Tag arbeiten“, sagt er über sich selbst. Faguimba Dabo ist sein voller Name. Seit sechs Jahren sei er in Deutschland, seit fünf Jahren gehe er arbeiten. „Ich habe Festvertrag und Vollzeit.“ Er habe der Frau geantwortet: „Ich arbeite auch.“ Und weiter: Wenn sie schlechte Laune habe, wenn sie nicht gut geschlafen habe – „hier ist meine Nummer, heute Abend ich komme vorbei und gebe Sie ein bisschen gute Laune“.

Was ihn ärgert: Die Frau habe seine Äußerung als Beleidigung aufgefasst, aber das, was sie zum ihm gesagt habe, sei offensichtlich kein Problem. Dann sei die Polizei zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, sein Handy auszumachen. Er habe geantwortet, er könne sein Handy nicht ausmachen. Er habe seine Hände hochgehoben – die Polizei habe ihn festgenommen und sein Handy mitgenommen. „Ich arbeite mit meinem Handy!“ Er betont noch: „Es gibt viele gute Polizisten.“ Und: „Ich werde jeden Tag gute Laune verteilen in Deutschland, ich werde jeden Tag tanzen.“

Im Interview vor einem Jahr sprach er über seinen Wohnort Salzgitter, seine Aktivitäten bei Tiktok, seine Videos. Zu seiner Motivation sagte er: „Ich will Leute zum Lachen bringen.“ Offensichtlich ist er damit erfolgreich – die Zahl seiner Follower, also Abonnenten, lag damals bei etwas mehr als einer halben Million. Inzwischen sind auf seinem Kanal 3,8 Millionen Follower ausgewiesen.

Der Artikel wurde aktualisiert.

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