Braunschweig. Kunden sind irritiert. Es ist die zweite Erhöhung innerhalb kürzester Zeit. Der Braunschweiger Energieversorger erläutert die Gründe dafür.

Die Lage auf den weltweiten Energiemärkten hat sich weiter zugespitzt. Der Energieversorger BS Energy kündigt daher ab April eine Preiserhöhung für Strom und Gas an – und das, obwohl das Unternehmen den Gaspreis in der Grundversorgung erst zum 1. Februar schon um fast 24 Prozent angezogen hatte.

Erste Briefe an Kunden mit Ankündigung der erneuten Erhöhung sind bereits verschickt, und verärgerte Reaktionen bleiben nicht aus. Ein Kunde empört sich in einem Leserbrief an unsere Redaktion: „Von einem Stadtwerke-Anbieter hätte ich das nicht erwartet.“

Der Vorstandsvorsitzende Jens-Uwe Freitag hat Verständnis für die Irritation. Zugleich bittet er um Verständnis für die schwierige Lage: „Wir können leider nicht anders handeln“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Innerhalb der letzten zwölf Monate hat sich der Großhandelspreis von Erdgas etwa versechsfacht, der Strompreis verfünffacht.“

Gaspreis erhöht sich um 39 Prozent

Zunächst die Fakten: Der Arbeitspreis Strom in der Grundversorgung steigt zum 1. April um 10,05 Cent pro Kilowattstunde. Ein Beispiel: In der Grundversorgung mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 2000 Kilowattstunden sind das laut BS Energy monatlich 16,75 Euro mehr. Das entspreche einer Erhöhung von rund 29 Prozent gegenüber den seit Februar vergangenen Jahres geltenden Preisen.

Der Arbeitspreis Gas in der Grundversorgung wird um 4,0 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 11.700 Kilowattstunden steigen die Kosten in der Grundversorgung damit um 39 Euro im Monat. Das entspreche einer Erhöhung von rund 39 Prozent gegenüber den Preisen, die seit 1. Februar dieses Jahres gelten. Laufende Verträge mit einer Preisgarantie werden nicht angepasst.

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Aber was sind die Gründe für die erneute heftige Preiserhöhung innerhalb so kurzer Zeit? Jens-Uwe Freitag und sein Vorstandskollege Volker Lang betonen, dass die meisten Experten im Herbst vergangenen Jahres noch auf eine Entspannung der Lage gehofft hätten. Man dachte, die hohen Energiepreise würden sich nach dem Winter wieder etwas normalisieren. Doch jetzt habe sich die Einschätzung geändert. So seien auch die langfristigen Preise an den Energiebörsen weiter gestiegen – und ein Ende sei nicht in Sicht. Sie nennen mehrere Ursachen für die schwierige Lage.

1. Ukraine-Krise

Eine entscheidende Rolle mit Blick auf den Gaspreis spielen Lang zufolge die politischen Unsicherheiten rund um Russland und die Ukraine. Angedrohte Sanktionen verunsichern den Markt, Auswirkungen auf die Lieferung von Gas, Kohle und Öl werden befürchtet. „Inzwischen ist allen auch klar, dass die Gaspipeline Nordstream II nicht mehr in diesem Winter ans Netz geht“, sagt er.

2. Gasspeicher

Gleichzeitig sind die Gasspeicher in Deutschland auf einem historischen Tiefstand. Deutschland habe in diesem Winter von Russland weniger Gaslieferungen als üblich erhalten, erläutert Lang. Die Hoffnung, dass die Speicher kurzfristig gefüllt würden, habe sich zerschlagen. Alternativ müsse daher zum Teil teures Flüssiggas aus den USA beschafft werden. Ein weiteres Problem: Die Gasförderung in Europa, vor allem in den Niederlanden, geht weiter zurück.

Volker Lang, Vorstandsmitglied bei BS Energy, kritisiert: „Deutschland nimmt gesicherte Stromerzeugungsleistung vom Netz, baut aber bisher nicht schnell genug Kapazitäten dazu.“
Volker Lang, Vorstandsmitglied bei BS Energy, kritisiert: „Deutschland nimmt gesicherte Stromerzeugungsleistung vom Netz, baut aber bisher nicht schnell genug Kapazitäten dazu.“ © BS Energy

3. Wirtschaftsboom

Der weltweite Wirtschaftsaufschwung nach den Lockdowns lässt die Nachfrage nach Rohstoffen, Industrieprodukten und Energie jedoch immer weiter steigen. Hohe Preise sind die zwangsläufige Folge.

4. Energiewende

Wie Lang erläutert, gehen die hohen Strompreise einerseits auf die hohen Gaspreise zurück, weil Gas auch für die Stromerzeugung eingesetzt wird. „Andererseits gibt es inzwischen aber andere fundamentale Faktoren neben den Gaspreisen, die den Strompreis in die Höhe treiben“, sagt er. Ein wichtiger Punkt sei der steigende CO2-Preis, der pro Tonne Kohlendioxid gezahlt werden muss. Außerdem gehe der Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu langsam voran, während der Ausstieg aus Kernenergie und Kohle sehr schnell durchgezogen werde.

„Deutschland nimmt gesicherte Stromerzeugungsleistung vom Netz, baut aber bisher nicht schnell genug Kapazitäten dazu“, so Lang. „Wir verknappen also unsere Leistung. Es wächst die Sorge, was die Kapazitäten angeht. Und wir werden zunehmend Importland von Grundlast-Strom aus Frankreich – dort sind zuletzt aber mehrere Kernkraftwerke wegen einer Revision ausgefallen, was hier sofort zu Preissprüngen geführt hat.“

5. Billiganbieter

Zum Jahresende ist nun noch ein weiteres Problem kurzfristig hinzugekommen: Angesichts des massiven Preisanstiegs haben in den vergangenen Wochen mehrere Billiganbieter von Strom und Gas Insolvenz angemeldet oder die Belieferung ihrer Kunden einfach eingestellt.

Grundversorger wie BS Energy sind gesetzlich verpflichtet, diese Kunden aufzunehmen und die Ersatzversorgung zu übernehmen. Es handelt sich Lang zufolge um mehrere tausend Strom- und Gaskunden allein bei BS Energy. Das Problem dabei: „Für diese Kunden gelten die selben Grundversorgungstarife wie für unsere Bestandskunden“, sagt er. „Dadurch machen wir massiv Verlust.“

Lang erläutert es so: BS Energy kauft – wie praktisch alle anderen Grundversorger – Strom und Gas für seine Privatkunden immer langfristig ein, um Preisschwankungen auffangen zu können. Die Energie, die jetzt verbraucht wird, wurde überwiegend 2020/21 beschafft, als die Preise an den Energiebörsen noch niedriger waren. Deswegen schlagen die aktuell hohen Preise im Moment noch gar nicht voll bei den Bestandskunden durch.

Für die Kunden der Billiganbieter, die jetzt bei BS Energy landen, muss das Unternehmen nun aber kurzfristig zu den aktuell sehr hohen Preisen zusätzliche Energie einkaufen, da sie vorher gar nicht eingeplant waren.

Jens-Uwe Freitag ist seit vergangenem Jahr Vorstandsvorsitzender von BS Energy.
Jens-Uwe Freitag ist seit vergangenem Jahr Vorstandsvorsitzender von BS Energy. © Nils Hendrik Mueller

Kosten für die teure Nachbeschaffung müssen auf alle Kunden umgelegt werden

Es gibt Energieanbieter in Deutschland, die als Reaktion einen zweiten Grundversorgungstarif eingeführt haben – dieser ist deutlich höher als der normale Grundtarif und würde für alle neuen Kunden gelten. BS Energy hat dies auch geprüft, hält es aber rechtlich für zweifelhaft. Außerdem würde dieser Tarif auch alle Zuzügler nach Braunschweig treffen. Die Folge ist nun: Die Kosten für die teure Nachbeschaffung müssen auf alle Kunden umgelegt werden. Die Gemeinschaft fange also diejenigen auf, die beim Billiganbieter ein paar Euros im Jahr gespart haben, sagt Lang. „Das können wir im Moment leider nicht ändern.“

Es gebe bereits Klagen gegen Discount-Anbieter wie Stromio und Gas.de. „Wir prüfen das auch, weil wir uns ebenfalls geschädigt sehen“, so Lang. Einige Billiganbieter hätten kurzfristig und knapp Energie eingekauft, auf sinkende Preise spekuliert und Geld abgeschöpft – das sei jetzt schiefgegangen. Nun müssten sie dafür aber auch haften, fordert er. „Hier muss die Bundesnetzagentur Sicherheiten einfordern und Haftungsregeln einführen.“

„Wir müssen Anstieg weitergeben“

Jens-Uwe Freitag betont: „Wir wollen nicht mehr Marge machen, sondern die Anpassungen resultieren aus den gestiegenen Bezugskosten. Von dieser Gesamtentwicklung können wir uns nicht abkoppeln. Es ist einfach für ein Unternehmen wie BS Energy unmöglich, den Anstieg nicht weiterzugeben. Natürlich ist uns bewusst, dass das für viele unserer Kunden massive finanzielle Auswirkungen hat.“

Ein kleiner Lichtblick könnte ihm zufolge die diskutierte Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli sein. „Wenn es dazu kommt, würden wir das natürlich schnellstmöglich eins zu eins an unsere Kunden weitergeben.“ Die EEG-Umlage beträgt derzeit knapp 4 Cent pro Kilowattstunde. Auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für Strom und Gas oder der Stromsteuer könnte helfen, so Freitag. Im Gasbereich wären aus seiner Sicht staatliche Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte das Beste, um Härten abzumildern.

BS Energy auf einen Blick.
BS Energy auf einen Blick. © Jürgen Runo

„Deutschland läuft in Sackgasse“

Und wie geht es grundsätzlich weiter? Jens-Uwe Freitag sieht viele Risiken: „Deutschland läuft im Moment in eine Sackgasse. Wir müssen uns deutlich unabhängiger von einzelnen Lieferanten machen, zum Beispiel könnte Norwegen mehr produzieren“, sagt er. Auch die stärkere Belieferung mit Flüssiggas (LNG) sei ein Thema. „Wir haben in Deutschland ja noch nicht mal ein funktionsfähiges LNG-Flüssiggasterminal.“

Wasserstoff sei zwar eine entscheidende Zukunftsperspektive. „Aber auf die nächsten zehn Jahre gesehen hilft das noch nicht in Größenordnungen“, schätzt er. „Außerdem wird es den Strompreis eher verteuern als reduzieren. Was wir kurzfristig brauchen, ist eine globale Entspannung der Krisen. Parallel dazu müssen die Explorationsorte für Gas, die europäisch nutzbar sind, wieder stärker in die Förderung investieren. Da hat man in der Vergangenheit zu wenig getan.“ Freitag empfiehlt, die weltweite Kapazität beim Flüssiggas auszubauen, sowohl was die Terminals angeht als auch die nötigen Schiffskapazitäten.

Sein Fazit: „Wir versuchen, das Beste für unsere Kunden rauszuholen, ohne spekulativ tätig zu sein. Deswegen bleiben wir bei unserer konservativen Strategie. Wir decken uns permanent mit Energie ein und nehmen dabei niedrige und leider auch höhere Preise mit, um einen guten Mischpreis zu haben und verlässlich Strom und Gas anbieten zu können.“

Was ihm auch noch wichtig ist: „Jeder kann selber etwas tun, um das Portemonnaie zumindest ein wenig zu entlasten: Energie sparen.“ Seine Beobachtung: „Die Nachfrage nach Energie ist bislang eher preisunabhängig – wir sehen nicht, dass die Menschen weniger verbrauchen.“

Tipps zum Energiesparen

BS Energy gibt einige Tipps zum Energiesparen auf seiner Internetseite. Wir zeigen hier eine Auswahl.

Ein Topf mit ebenem Boden spart im Vergleich zu einem Topf mit gewölbtem Boden 15 Prozent Energie. Und wenn der Deckel beim Kochen konsequent auf dem Topf bleibt, kann man weitere 60 Prozent Energie sparen.

Mit der Umluftheizung des Backofens wird die Wärme besser übertragen. Das ist um 25 bis 40 Prozent sparsamer.

Ein energie- und wassersparender Geschirrspüler ist besser als Handspülen: Man spart bis zu 50 Prozent Energie und Wasser.

Wer Buntwäsche bei 30 bis 40 Grad wäscht, bei weißer Wäsche auf Kochwäsche verzichtet (also 60 statt 90 Grad) und die Waschmaschine immer optimal füllt, kann im Jahr ca. 200 Kilowattstunden Strom, 5000 Liter Wasser und 16 Kilo Waschmittel sparen.

Wärme sollte dosiert werden. Pro zusätzlichem Grad Raumtemperatur ist mit rund sechs Prozent Heiz-Mehrkosten zu rechnen.

Ein ständig gekipptes Fenster kann Energiekosten von rund 200 Euro pro Jahr verursachen. Faustregel fürs Lüften: 2 bis 3 Minuten bei Frost, 5 Minuten bei 0 bis 5 Grad, 5 bis 10 Minuten bei 5 bis 10 Grad, 10 bis 15 Minuten bei 10 bis 15 Grad. Nach dem Kochen und Duschen kurz zusätzlich lüften und Thermostatventile an den Heizkörpern dabei abdrehen.