Hannover. Viele Lehrer haben Angst um ihre Gesundheit. Das Gesundheitsministerium bringt nun eine neue Impf-Priorisierung ins Spiel. Kritik wird lauter.

Das niedersächsische Gesundheitsministerium will Lehrern und Erziehern eine frühere Corona-Impfung ermöglichen. „Alle Öffnungsszenarien sehen völlig zurecht eine hohe Priorität für den Bildungsbereich vor. Da ist es nur folgerichtig, auch die Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher mit einer höheren Priorität als bisher zu impfen“, sagte Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstag).

Zusammen mit anderen Ländern will sich Niedersachsen beim Bund für eine Änderung der Impfverordnung einsetzen. Auch niedergelassene Ärzte und anderes medizinisches Personal mit Patientenkontakt sollen demnach früher an der Reihe sein, auch wenn die Betroffenen jünger als 65 Jahre sind und somit zur zweiten Priorisierungsgruppe gehören.

Bei der Impfreihenfolge in Deutschland wurden drei große Gruppen festgelegt. Erzieher und Lehrer stehen nach der aktuellen Impfverordnung in Gruppe drei und wären damit voraussichtlich erst im Sommer an der Reihe.

Kritik vom Schulleitungsverband in Niedersachsen

Der Schulleitungsverband in Niedersachsen hat kritisiert, dass Schulen weiterhin nicht ausreichend vor dem Coronavirus geschützt würden. „Es fehlt der große Wurf“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes, Rene Mounajed, über die Politik des Kultusministeriums. „Wir haben immer nur Tippelschritte.“ Es brauche dringend eine schnellere Impfmöglichkeit für Lehrkräfte, denn das Infektionsrisiko sei da. „Das kann man nicht kleinreden.“ Zunächst sollte das Personal an Grund- und Förderschulen geimpft werden, dann alle anderen, so Mounajed, der Schulleiter einer Gesamtschule ist.

Die Abiturprüfungen und Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I, die trotz der Ausbreitung des Virus geplant werden sollen, sieht der Verband als Gefahr und fordert eine Absage. „Die Hygienekonzepte sind nicht ausreichend, um eine sichere Prüfung zu gewährleisten. Es sind Massen, die ins Haus kommen müssen. Wir täten gut daran, diese Dinge zu überprüfen.“ Wer die Pandemie ernst nehme, müsse auf alle nicht notwendigen Veranstaltungen verzichten. „Die Mutanten verschärfen das Problem.“ Aus Sicht des Verbandes wäre es kein Problem, Durchschnittsnoten zu bilden und freiwillige Prüfungsersatzleistungen anzubieten. „Das System Schule braucht eine Konzentration auf das Wesentliche“, so Mounajed.

Psychische Probleme nehmen zu

Die Lehrerinnen und Lehrer sind demnach durch Präsenz- und Online-Unterricht, Notbetreuung und zahlreiche organisatorische Aufgaben sehr belastet. „Psychologische Probleme bei Lehrkräften und Schülern haben definitiv zugenommen.“ Die Ausbreitung der Mutanten sorge für weitere Verunsicherung. „Wir sind unzufrieden mit der Politik“, sagte Mounajed. Viele Maßnahmen, die nun angekündigt würden, seien richtig. Aber: „Das muss alles viel schneller gehen, das ist alles Frickelwerk.“

Ähnlich äußerte sich die Bildungsgewerkschaft GEW in Niedersachsen. „Die fatalen Folgen von Personalmangel, Raumnot und mangelhafter Ausstattung sind nach einem Jahr Pandemie vielerorts noch immer ungelöst“, so GEW-Sprecher Christian Hoffmann. „Wenn politisch Verantwortliche jetzt nicht endlich massiv in die Bildung investieren, nehmen sie Gesundheitsgefährdungen billigend in Kauf.“

Von den 20 Millionen Euro, die das Kultusministerium für die Schutzausstattung in niedersächsischen Schulen in der Corona-Pandemie bereitgestellt hat, ist inzwischen die Hälfte abgerufen worden. Wie das Ministerium in Hannover mitteilte, seien von den Schulen bisher Anträge im Gesamtvolumen von 10,2 Millionen Euro eingegangen. Das Ministerium hatte das Fördergeld zur Verfügung gestellt, um den Schutz von Lehrkräften und Schülern vor Corona-Infektionen an den Schulen zu verbessern. Dabei geht es etwa um Plexiglasschutzwände, Masken für Schüler und Lehrkräfte - und im Ausnahmefall auch um Luftfilteranlagen.

Kommunen als Schulträger zuständig

Mit den 20 Millionen Euro stehen im Landesschnitt pro Schülerin und Schüler rund 20 Euro zur Verfügung. Zuständig für die Verteilung sind die Kommunen als Schulträger.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte kürzlich eine Verzehnfachung der Mittel für die Schutzausstattung gefordert. Nur so könne der Gesundheitsschutz an den Schulen spürbar verbessert werden, hatte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth gefordert. Neben personeller Entlastung bräuchten zahlreiche Schulen FFP2-Masken, Luftreinigungsgeräte und technische Ausstattung. Vielerorts seien die Schulen in Vorleistung getreten, die das Land nun rasch ausgleichen müsse, sagte Pooth.