Hannover. Lehrer gehören ins Klassenzimmer, sagen die Prüfer. Das Ministerium wehrt sich.

Niedersachsens Lehrer stehen nach Auffassung des Landesrechnungshofs zu selten im Klassenzimmer - weil sie zu oft für andere Tätigkeiten abgestellt sind. „Die beste und wirtschaftlichste Verwendung von Lehrern ist die Verwendung im Unterricht“, sagte Rechnungshof-Senatsmitglied Hermann Palm beim Vorstellen des jüngsten Jahresberichts der unabhängigen Landesprüfer.

„Abordnung von Lehrern für außerschulische Zwecke“ heißt der Punkt 23 im Jahresbericht. Angesichts des fortwährenden Lehrkräftemangels habe der Rechnungshof bereits 2012 die Abordnungspraxis untersucht, so die Prüfer. Gemeint sind nicht die zuletzt viel diskutierten Abordnungen von Schule zu Schule, wie schon der Titel klarmacht. Es geht um Abordnungen von Lehrern etwa in Ministerium und Landesschulbehörde oder zur Lehrerfortbildung an Universitäten.

Zuviele Anrechnungsstunden

„In Niedersachsen erhöhte sich die Anzahl der Lehrkräfte, die nicht vor der Klasse stehen, innerhalb eines Zehnjahreszeitraums von 9,05 Prozent auf 15,5 Prozent“, heißt es im Bericht. Dies entspricht laut Rechnungshof rund 10 000 Vollzeit-Einheiten. Auf diese hohe Zahl kommt man allerdings nicht durch im Schnitt 53 „Vollzeit-Einheiten“, die laut Bericht im Schnitt von 2014 bis 2017 an Ministerium oder Landesschulbehörde abgeordnet waren, statt weiter zu unterrichten. Der Rechnungshof legt vielmehr den Anteil der „nicht für den Unterricht genutzten Regelstunden“ zugrunde - also das „System der Anrechnungsstunden“, wie Palm am Mittwoch sagte. Diese gibt es unter anderem für besondere Funktionen und Aufgaben.

Vor diesem Hintergrund sieht der Rechnungshof offenbar jede Abordnung für außerschulische Zwecke kritisch. Nach Angaben des Rechnungshofs erfolgten sie oft auch dann, wenn die betroffene Schule oder Region Lehrermangel zu beklagen hatten. „Dass es Anrechnungsstunden geben muss, ist völlig unstrittig“, stellte Palm klar. Der Rechnungshof hält aber den Einsatz von Verwaltungspersonal an vielen Stellen für sinnvoller. „Ein Schulrektor muss keine Reisekosten berechnen“, sagte Palm.

Ministerium: Nicht nachvollziehbar

Ein Sprecher des Kultusministeriums sagte: „Die Kritik des Landesrechnungshofs nehmen wir zur Kenntnis. An Optimierungen wird ständig gearbeitet.“ Allerdings teile man insbesondere zwei Kritikpunkte ausdrücklich nicht. Das Abordnungsvolumen von rund 50 Vollzeiteinheiten an die Schulbehörden sei bei einem Personalkörper von rund 70.000 Lehrkräften nicht überborden. „Es ist wichtig, dass die Schulpraxis in die Arbeit des Kultusministeriums und der Landesschulbehörde einfließen - genau das wird über diese Abordnungen erreicht.“ Als Skandal eigne sich das nicht.

„Zugespitzte Darstellung“

„Nicht nachvollziehbar“ sei die plakative Darstellung des Rechnungshofs, 10.000 Lehrkräfte würden bezahlt, erteilten aber keinen Unterricht. Die nackte Entwicklung der Anrechnungsstunden sei wenig aussagekräftig, denn darin seien auch die sozialen Tatbestände wie Altersermäßigung oder Schwerbehinderung und die Umsetzung von Rechtsansprüchen wie Mutterschutz oder Personalratsarbeit enthalten. Zudem seien alle Anrechnungsstunden für die Schulleitungstätigkeiten enthalten – diese seien zwar kein Unterricht, aber doch ohne Zweifel sehr Schulrelevant. „Die zugespitzte Darstellung, das Land würde hierfür fast eine Milliarde Euro verschwenden ist undifferenziert und unsachgemäß“, so der Sprecher. „Monetär entspricht die Kluft zwischen der „Brutto-Lehrerausstattung“ und der „Netto-Unterrichtserteilung“ 965 Mio. Euro“, hatte es in einer Pressemitteilung des Rechnungshofs geheißen.

Kritik auch an Stellenentwicklung beim Land

Heftige Kritik gab es auch an unterschiedlichen Verfahren zur Arbeitszeit- und Überstundenerfassung bei der Polizei. Angaben seien teilweise viel zu hoch. „Ein Projektauftrag zur Einführung eines einheitlichen Zeiterfassungssystems für die niedersächsische Polizei wurde bereits an die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen und den Landesbetrieb IT.Niedersachsen vergeben“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage.

Auch die Stellenentwicklung beim Land steht weiter in der Kritik. Im Vergleich mit einer „Zielkonzeption“ von 2013 seien in den Ministerien und der Staatskanzlei 46 Referate und 7 Abteilungen mehr eingerichtet. Dies erzeuge erhebliche Mehrkosten in der Ministerialbürokratie durch kleinteilige Einheiten und zusätzliche hochwertige Führungspositionen. Auch wurde ein neues Europaministerium eingerichtet. Besondere Kritik übt der Rechnungshof an dem Referat „Politische Abstimmung“ im Wirtschaftsministerium von Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann (CDU). Es gilt der Abstimmung der CDU-geführten Ministerien. „Die politische Koordinierung obliegt grundsätzlich der Staatskanzlei“, so der Rechnungshof. Rechnungshofpräsidentin Sandra von Klaeden sagte: „Die Covid-19-Pandemie zeigt mehr denn je: Das Land muss sich auch für künftige Krisensituationen wappnen – mit einer nachhaltigen Finanzpoliti

Der Landesrechnungshof hat die Landesregierung in der Corona-Krise zu einem energischen Sparkurs aufgerufen, von dem Bereiche wie Bildung, Polizei und Justiz nicht ausgenommen werden dürften.

Seit Jahre sollen Referate zusammengelegt werden – stattdessen werden sie mehr

Nicht nur kurzfristig beim Aufstellen des kommenden Haushalts sondern auch strukturell müsse das Land den Gürtel enger schnallen, forderte Rechnungshofpräsidentin Sandra von Klaeden am Mittwoch in Hannover. „Die Covid-19-Pandemie zeigt mehr denn je: Das Land muss sich auch für künftige Krisensituationen wappnen – mit einer nachhaltigen Finanzpolitik.“

Bei der Vorlage des Jahresberichts fordert von Klaeden von der Regierung eine Straffung von Staatskanzlei und Ministerien. Statt die Zahl der Abteilungen und Referate wie seit Jahren geplant zu reduzieren, habe deren Anzahl weiter zugenommen. Der Landesapparat müsse mit weniger Personal auskommen, betonte die Rechnungshofchefin.

Frühere Tabus müssen beim Sparen überdacht werden

Auch in der Landesverwaltung insgesamt müsse der Personaleinsatz nachhaltig begrenzt werden. Der Abbau von Planstellen müsse beziffert und die Schaffung neuer Stellen kritisch geprüft werden.

Dabei dürften gerade politische Schwerpunktbereiche wie Bildung, Polizei, Justiz und Steuerverwaltung nicht dauerhaft ausgenommen werden. Diese böten aufgrund der Personalmenge regelmäßig größere Einsparpotenziale.

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