Wolfsburg. Stadtförster Dirk Schäfer erklärt, warum sich das Waldbild in der Stadt durch die Wetterbedingungen ändert.

Gefühlt erlebt der Wald den dritten schlimmen Dürre-Sommer in Folge. Warum das so nicht stimmt, mit welchen Problemen die Stadtforst aktuell kämpft und warum ihm derzeit manchmal die Lust an seiner Arbeit vergeht, darüber sprach unsere Zeitung mit Wolfsburgs Stadtförster Dirk Schäfer.

Herr Schäfer, wie schlimm ist es diesen Sommer bisher mit der Trockenheit und den daraus resultierenden Schäden? Wir hatten ja schon ein relativ trockenes Frühjahr...

Dieses Jahr fühlte sich ja, mal abgesehen von den letzten zwei Wochen, eher relativ normal an. Wir hatten nicht so ganz heiße Tage, wir hatten immer mal wieder Niederschläge, auch durchaus ergiebigere. Im Kontrast zu 2019 und noch extremer 2018 ist es also nach meinem Eindruck ein moderateres Jahr.

Der August ist jetzt richtig brüllend heiß, das ist nicht gut. Der Wald lebt ja mit seinem Wurzelwerk tief im Boden, und die Bodenfeuchtigkeitskarten zeigen nach wie vor, dass der Boden über die Niederschläge des letzten Winters nicht wirklich durchfeuchtet wurde. Das heißt also, wir haben hier im Osten Niedersachsens in den tieferen Bodenschichten unverändert eine Dürre-Situation.

Die Regenfälle haben im Oberboden zu mehr Feuchtigkeit geführt. Das kann man übrigens jetzt auch daran erkennen, dass man im Wald in den Fahrspuren immer noch Wasserpfützen findet. Der Regen des späten Frühjahrs, des Sommers, hat auch den Kulturpflanzen sehr geholfen – also den vielen jungen Bäumchen, die wir im letzten Winter gepflanzt haben.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wald sich unverändert in einer großen Stresssituation befindet – geschwächt durch die Jahre 2018 und 2019, durch eine hohe Borkenkäfer-Population, die wir in den Fichtenwäldern haben, der wir kaum oder gar nicht Herr werden. Und Bäume, die in ihrer Gesundheit geschwächt sind, erholen sich auch nicht „mir nichts dir nichts“ nur mit ein paar Niederschlägen. Das braucht lange, und so lange sind sie geschwächt gegenüber anderen Organismen, beispielsweise Pilzen wie dem Hallimasch, die bei geschwächten Bäumen schlicht und einfach zu deren Absterben führen können.

Welche Baumarten sind betroffen?

Wir haben nach wie vor sehr viele Fichten und Lärchen, die absterben durch den Borkenkäfer. Wir haben in der Kiefer in der Nordstadt eine auffällige Absterbe-Erscheinung; das hat mit dem Diplodia-Pilz zu tun, auch befördert durch die Trockenheit. Wir haben letztes Jahr unsere Rotbuchen im Wald fast vollflächig kartiert – geschädigte oder abgestorbene Buchen wurden mit Farbe markiert und teilweise gefällt. Wir können jetzt sehr deutlich erkennen, dass im letzten Jahr geschädigte Buchen in diesem Jahr endgültig absterben und ein Teil von Rotbuchen, die vorher gesund waren, dazukommt. Allerdings ist das eine deutliche gemilderte Entwicklung, da geht es glücklicherweise nicht so rasant weiter, wie wir es im letzten Jahr beobachtet haben.

Das sind also Folgeschäden, die sich in diesem Jahr zeigen, aber im Vorjahr schon absehbar waren?

Im Wald geht ja alles sehr viel langfristiger vor sich, als wir das üblicherweise kennen, und vieles, was wir im Wald beobachten, hat mit dem zu tun, was in den Vorjahren passiert ist.

Der Wald hat natürlich auch profitiert. Bis Juli war der Sommer nicht so heiß; kühlere Temperaturen führen zu weniger Hitzestress. Bäume leiden auch unter Hitze – bis hin dazu, dass sie Sonnenbrand kriegen können. Das ist ein Phänomen, das wir jetzt erleben. Das führt im Übrigen dazu, dass wir jetzt unter Eichen grüne junge Eicheln liegen sehen. Ein typischer Abwehrmechanismus: Bäume lassen ihre Früchte vorzeitig fallen, wenn sie in eine Stresssituation kommen. So spart ein Baum sich die Energie zum Fruchtaufbau und kann besser überleben.

Wie schlimm ist es denn um die Eiche in Wolfsburg bestellt nach den beiden dürren Sommern?

Die Eiche sieht tatsächlich in diesem Jahr so gut aus, wie ich sie hier selten erlebt habe. Die Kronen haben einen relativ hohen Laubanteil. Das sah schon deutlich schlechter aus. Nachdenklich macht mich, dass immer mal wieder einzelne Eichen dazwischen stehen, die schlicht im Frühjahr nicht grün geworden sind, beispielsweise am neuen Radweg in Detmerode, hinter dem Bärenwinkel. Die Eiche hatte eine riesige Krone mit allem Feinreisig dran, das heißt, die war im letzten Jahr noch gesund. Die hätten wir nie gefällt, aber sie ist einfach nicht wieder grün geworden. Das ist ein Phänomen, das auch in anderen Förstereien beobachtet wird. Und das können wir noch nicht gänzlich erklären.

Das heißt, das lässt sich nicht mit der Trockenheit der vergangenen Jahre erklären?

Die Vermutung ist schon, dass es damit zusammenhängt. Aber wie der Mechanismus genau funktioniert bei diesen einzelnen Bäumen, können wir nicht sagen. Wir sehen nur: Diese Bäume sterben ab, ohne dass wir eine Erklärung haben.

Kann es bei anhaltender Trockenheit also irgendwann auch für die Eiche kritisch werden, die ja sehr tief reichende Wurzeln hat?

Danach sieht es im Moment nicht aus. Die Eiche ist, zusammen mit der Kiefer und anderen Baumarten wie Douglasie, Hainbuche und Winterlinde eine der Baumarten, die mit den Klimaextremen am besten zurechtkommt. Das hat natürlich Grenzen. Wenn man sich die Klimaszenarien anschaut, dann ist es so, dass bei den ungünstigsten Szenarien Entwicklungen zu befürchten sind, bei denen tatsächlich auch unsere Eichen verloren gehen.

Dabei rede ich allerdings über Zeiträume von 100 bis 200 Jahren. Das ist keine Prognose, die wir für die nächsten Jahrzehnte erwarten können. Aber natürlich wissen wir alle nicht, was die Zukunft bringt.

Es ist ja erstaunlich, dass wir das überhaupt so erleben: Wir merken am Wald, dass sich die Grundfesten verändern, dass sich die Eckpunkte unseres waldbaulichen Verständnisses so verändern, dass wir unsere Zukunftsprojektionen an diese veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen. Der Klimawandel findet eben nicht nur an den Gletschern oder Polkappen statt – er ist jetzt hier vor unserer Haustür schmerzlich merkbar!

Wie groß ist denn das Ausmaß der Schäden durch den Borkenkäfer aktuell im Vergleich zu den beiden Vorjahren?

Es ist genauso schlimm, tendenziell sogar noch schlimmer. Wir haben einen sehr intensiven Borkenkäferflug gehabt schon ab der ersten April-Hälfte, normalerweise geht das erst Ende April los. Der hat bis jetzt durchgehalten.

Wir haben hier in der Försterei – im Stadt- und im Landeswald – gesagt, wir kämpfen nicht um jeden Bestand, sondern um die aus unserer Sicht wichtigeren Bestände. Das waren drei; und die ganzen kleineren Flächen, zum Beispiel an der Oldtimer-Handschwengel-Pumpe, wo gerade der Harvester gearbeitet hat, haben wir im Grunde schon 2018 aufgegeben, weil wir gar keine Handhabe hatten, da effektiv gegen vorzugehen.

Aber in den Beständen, wo es uns sehr wichtig war, beispielsweise in der Nordstadt am Alten Teich, in einem älteren Fichtenbestand an den Steimker Wiesen und einem großer Fichtenkomplex nahe Barnstorf, haben wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, das zu tun, was wir können. Und haben dabei auch Erfolge erzielt. Aber die kleineren Bestände werden weitgehend verloren gehen.

Was haben Sie konkret gemacht?

Wir müssen versuchen, die Bäume zu entdecken, die vom Borkenkäfer frisch befallen sind, zu ernten und aus dem Bestand herauszuholen, bevor die jungen Käfer sich entwickelt haben und aus dem Baum ausfliegen. Das bedeutet auch, dass diese Stämme mit Pflanzenschutzmittel behandelt werden, damit die Käfer, wenn sie aus der Rinde herauskrabbeln­, über das gespritzte Holz krabbeln und absterben. Außerdem gibt es Fangsysteme, da wird das gleiche Mittel verwendet.

Muss man also grundsätzlich damit rechnen, dass gefälltes Holz behandelt wurde und man daher lieber nicht die Kinder oder den Hund darauf herumklettern lässt?

Das Mittel ist nach den Sicherheitsdatenblättern gesundheitsgefährdend, wenn es ausgebracht wird. Am Stamm ist es nicht mehr gesundheitsgefährdend. Ganz generell gilt aber: Holzpolter sollten nie betreten werden. So ein Stamm kann immer ins Rollen kommen, das kann böse Folgen haben.

Sie haben ja schon im Vorjahr versucht, die Bürger dafür zu sensibilisieren, dass sich das Waldbild an vielen Stellen verändern wird. Wird sich das fortsetzen?

Wir befinden uns gerade am Anfang einer Entwicklung, an deren Ende unser Wald anders aussehen wird, als wir ihn heute kennen. Wie der dann aussehen wird, können wir alle noch nicht ganz genau sagen. Das ist eine Metamorphose, die der Wald übrigens schon immer durchlebt hat. Der Wald hat schon immer mit dem Klimawandel gelebt und sich im Laufe der Jahrtausende angepasst. Nun ändert sich das Klima menschengemacht sehr schnell und drastisch, und der Wald zeigt dies durch massive Absterbeerscheinungen.

Wir werden hier in Wolfsburg aufgrund des hohen Eichenanteils sicher noch lange die uns vertrauten und geschätzten Wälder so sehen können. Aber unsere Gesellschaft hat nicht die Zeit, die Jahrhunderte abzuwarten, die der Wald braucht, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen.

Wir wollen ja den Wald in vielerlei Hinsicht nutzen – in Wolfsburg in erster Linie als Erholungsraum –, aber wir dürfen nicht vergessen: Der Wald für uns eine ganz große Bedeutung als Rohstofflieferant. Holz brauchen wir für Möbel, für Dachstühle von Häusern…

Die Verantwortung für uns Forstleute ist, den „neuen Wald“ so zu gestalten, dass unsere Enkel und Urenkel ihn in gleicher Weise vielfältig nutzen können. Ich hoffe, dass diese Entscheidungen möglichst frei vom Zeitgeist getroffen werden.

Welche Waldflächen an prominenten Stellen werden, möglicherweise auch erst nächstes Jahr, nicht mehr zu retten sein?

An der Oldtimer-Handschwengel-Pumpe (an der Rothehofer Trift, die Redaktion) sind wir gerade dran. Und wir haben jetzt ein Käfer-Loch am Steimker Berg, einer der Bestände, um die wir sehr gekämpft haben. Da haben wir vermutlich ein, zwei Borkenkäfer-Bäume nicht gefunden, die jungen Käfer sind ausgeflogen und haben dann gleich Dutzende andere Bäume mit um die Ecke gebracht. Jeweils Fichten. Buchen haben wir am Barnstorfer Weg gefällt, die sind in einem tollen Mischbestand zwischen den Eichen vertrocknet.

Ganz ehrlich: In diesem Jahr macht das Arbeiten als Förster nur sehr eingeschränkt Freude. Denn wir laufen hier nur noch toten Bäumen hinterher. Wir machen Verkehrssicherung an den Wegen, damit man einigermaßen getrost durch den Wald laufen kann.

Das ist keine geordnete Forstwirtschaft mehr im Sinne von planvollem Vorgehen, sondern nur noch ein Hinterherlaufen hinter dem, was uns die Natur vorgibt. Die ersten Jahre hier in Wolfsburg konnte ich den Wald systematisch durcharbeiten und gestalten. Dazu kommt man jetzt gar nicht mehr.