Göttingen. Oft bleiben Drohungen gegen Politiker oder antisemitische Parolen ohne Folgen. Niedersachsens Justiz will das nicht hinnehmen – und rüstet auf.

Hetze gegen Minderheiten, Bedrohungen engagierter Bürger und Aufrufe zur Ermordung von Politikern: In Internet-Foren und sozialen Medien lassen viele Menschen ihrem Hass freien Lauf: Damit diese Täter nicht ungestraft davonkommen, geht in Niedersachsen am 1. Juli eine neue Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet an den Start. Sie ist bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angesiedelt.

Zur Hasskriminalität zählen politisch motivierte Straftaten, die auf Vorurteilen des Täters beruhen, zum Beispiel antisemitische oder islamfeindliche Bedrohungen und Beleidigungen.

„Wir dürfen es nicht kleinreden: Wir haben ein Problem mit Hass, Bedrohungen und Gewalt im Internet“, sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) am Freitag in Göttingen. Sprache präge Gedanken. „Und aus hasserfüllten Worten können Taten werden, das haben uns die vergangenen Monate auf abscheulichste Weise gezeigt.“

Besonders im Blick der niedersächsischen Zentralstelle: Politiker

Diejenigen, die sich für unsere Demokratie und unser Miteinander einsetzten, dürften nicht zu einer Zielscheibe werden. Die Zentralstelle hat nach eigenen Angaben unter anderem besonders die Verfahren im Blick, in denen Amts- und Mandatsträger von Hasskriminalität betroffen sind.

Die Göttinger Staatsanwaltschaft erwartet einen deutlichen Anstieg von Ermittlungsverfahren mit Bezug zu Hasskriminalität. Hintergrund sei das kürzlich in Berlin beschlossene Gesetz gegen Hass und Hetze im Internet, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Buick.

Nach dem Gesetz müssen soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter künftig bestimmte Posts nicht nur löschen, sondern sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Um die Täter schnell zu identifizieren, müssen sie auch IP-Adressen weitergeben.

Niedersachsen wird laut Buick etwa zehn Prozent dieser Verfahren vom BKA weitergeleitet bekommen. Es bleibe abzuwarten, ob die zwei zusätzlich eingestellten Staatsanwälte diese Fälle bewältigen könnten, sagte er.

Ermittlungen im Fall Lübcke

Schon vor ihrem offiziellen Start hatte die Göttinger Zentralstelle Ermittlungen gegen vier Beschuldigte übernommen. Hintergrund waren Hasskommentare gegen den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) in sozialen Netzwerken. Bundesweit wurden deshalb Anfang Juni Wohnungen durchsucht.

In Niedersachsen richtete sich die Aktion gegen vier Männer im Alter von 38, 59, 64 und 70 Jahren aus dem Orten Wurster Nordseeküste (Kreis Cuxhaven), Wietze (Kreis Celle), Diepholz und Hannover. Es wurden Datenträger und Computer sichergestellt und in einem Fall auch Waffen entdeckt.

Die Strafverfolger in Göttingen sind Ansprechpartner für eine entsprechende Zentralstelle beim Landeskriminalamt Niedersachsen. Nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Stefan Studenroth geht es auch um den Schutz der Meinungsfreiheit. „Es muss allen und insbesondere gesellschaftlich engagierten Menschen möglich sein, öffentlich bestimmte Ansichten zu vertreten, ohne im Anschluss mit menschenverachtenden Kommentaren und einschüchternden Drohungen überzogen zu werden“, sagte er.