Wolfenbüttel. Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink droht mit einer Ausgangssperre. Es gibt einen vierten bestätigten Coronafall.

1370 Schüler der IGS Wallstraße und der Wilhelm-Raabe-Grundschule stehen unter häuslicher Quarantäne. Auch das Personal und die Lehrkräfte sind betroffen. Dasselbe gilt für die Kindertagesstätte „Wilhelm Raabe“ in Wolfenbüttel. Das hat der Landkreis Wolfenbüttel angeordnet. Der Grund ist die Corona-Pandemie.

Diese weitreichenden Maßnahmen seien notwendig, da eine Lehrkraft von einer der Schulen an einem großen Chorevent am 6. und 7. März mit 600 Teilnehmern in Braunschweig teilgenommen hatte, so Andree Wilhelm, Pressesprecher des Landkreises Wolfenbüttel.

Zwei weitere Mitsänger seien mittlerweile positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Familiäre Beziehungen dieser Lehrkraft reichten zu einer weiteren Lehrkraft an der IGS Wallstraße. Beide Lehrkräfte hätten typische, aber leichte, Erkrankungserscheinungen gezeigt. Eine direkte Verwandte einer dieser Lehrkräfte sei mittlerweile erkrankt und eine Testung auf das Corona-Virus sei am Freitag als bisher vierter Fall im Landkreis positiv bestätigt worden.

Für Eltern, Geschwister sowie weitere Personen im Haushalt werde eine häusliche Quarantäne empfohlen. Die Quarantäne gelte bis einschließlich 25. März. Die Einrichtungen würden geschlossen, eine bisherige Notfallbetreuung finde dort nicht mehr statt.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung beschloss der Landkreis Wolfenbüttel weitere Sofortmaßnahmen, um die Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen und um mögliche Infektionsketten zu unterbrechen. Diese werden mit einer Allgemeinverfügung angeordnet.

Versammlungen von Menschen im Landkreis Wolfenbüttel an öffentlichen Orten werden weiter eingeschränkt. Bisher konnten zehn Personen an öffentlichen Orten im Freien zusammenkommen. Ab jetzt dürfen nur Personen, die in einem Haushalt zusammenleben, sich zusammen im Freien bewegen. Außerhalb des Haushaltsverbunds dürfen sich Alleinstehende mit einer weiteren Person für einen Aufenthalt im öffentlichen Raum verabreden oder alleine rausgehen. Private Veranstaltungen werden zukünftig auf zehn Personen beschränkt (bisher waren es 50). Mit diesen Maßnahmen sollen Kontakte vermieden und das Infektionsgeschehen verlangsamt werden.

Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink droht mit einer Ausgangssperre. Der Landkreis meldet einen vierten bestätigten Coronafall. Und: Inzwischen befinden sich 135 Menschen in häuslicher Quarantäne. Nähere Angaben machte der Landkreis dazu bisher nicht.

Neu am Abend gemeldet wurde, dass die Wochenmärkte am Samstag, 21. März, und am Mittwoch, 25. März, abgesagt worden sind. Das teilt der Pressesprecher der Stadt, Thorsten Raedlein, mit. Es werde versucht, ab 28. März wieder einen Wochenmarkt anbieten zu können, der die aktuellen Sicherheitsanforderungen erfüllen kann.

Mit einer drohenden Ausgangssperre reagiert Pink auf das häufig immer noch unvernünftige Verhalten von Bürgern in der Stadt. „Schluss mit der Freiwilligkeit“, fordert heute (Freitag, 20. März 2020) Bürgermeister Thomas Pink, „wenn die Appelle, soziale Kontakte zu beschränken, sich nicht in Gruppen zu tummeln oder nicht dicht an dicht in Lokalen zu sitzen nicht fruchten, dann muss eine Ausgangssperre durch den Staat verhängt werden.“

„Die Lage ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend in ihrer Fernsehansprache betont. Pink habe nun die Geduld verloren, nachdem er in den vergangenen Tagen das Treiben in der Stadt verfolgt habe.

„Die getroffenen Maßnahmen werden einfach ignoriert. Egal ob junge Bürgerinnen und Bürger oder auch Ältere, die je eigentlich von uns mit den Aktionen geschützt werden sollen, die Leute begreifen es einfach nicht,“, sagt er kopfschüttelnd. Der unverantwortliche und sorglose Umgang mancher Wolfenbütteler stoße nicht nur ihm übel auf. Mögliche Konsequenz: Eine von der Stadt Wolfenbüttel verhängte Ausgangssperre.

Eine Ausgangssperre verhängen könne eine Gebietskörperschaft – also Gemeinde, Stadt, Landkreis, Land oder Bund – , wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Diese Ausgangssperre könne im Rahmen der Seuchenbekämpfung verhängt werden. Verboten wären dann das Verlassen der eigenen Wohnung (abgesehen von wenigen Ausnahmen) und damit auch das Aufhalten auf öffentlichen Straßen, Plätzen oder Parks. Ein Verstoß dagegen wäre eine Straftat und könne mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. „Wollen die Leute das?“, fragt sich der Bürgermeister.

Corona im Landkreis Wolfenbüttel- Die Fakten auf einen Blick

Er werde die nächsten Tage gemeinsam mit dem Städtischen Ordnungsdienst das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger genau verfolgen und sich auch nicht davor scheuen, diese auf ihr Fehlverhalten anzusprechen. Und spätestens am Montag eine Entscheidung treffen.

Unterdessen teilt die Polizei mit, dass sie im gesamten Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion in 37 Fällen habe einschreiten und die angetroffenen Personen auf ihr Fehlverhalten habe hinweisen müssen. Das sei akzeptiert worden. Die Beamten hätten die Kontrollen in den Abendstunden gemacht. Seit Donnerstag bereits hatten Polizei und Städtischer Ordnungsdienst in der Stadt Wolfenbüttel bereits verstärkt Präsens gezeigt. Von den Einsatzkräften der zentralen Polizeidirektion (ZPD) aus Braunschweig habe die Polizeiinspektion personelle Unterstützung erhalten..

Bei erkennbaren Verstößen in Geschäften, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lebensmitteln stünden, könnten diese im Zusammenwirken mit der Kommune geschlossen werden. Nach dem Infektionsschutzgesetz könnten zudem Verfahren eingeleitet werden.

Die Polizei bringt es deutlich auf den Punkt: „Halten Sie sich an die bestehenden Allgemeinverfügungen der Kommunen und halten Sie sich nicht in größeren Gruppen auf. Sie gefährden dadurch nicht nur sich, sondern auch andere. Reduzieren Sie Ihre sozialen Kontakte auf ein absolutes Minimum. Wir appellieren an ihre Vernunft und Verantwortung.“

Unterdessen hat das Land Niedersachsen seine Vorgaben zum Gaststättenbetrieb konkretisiert: Für Imbisse, die ausschließlich außer Haus verkaufen, das betrifft also auch Bringdienste, gebe es keine Einschränkungen. So sei es möglich, dass Restaurants und Imbisse ab 18 Uhr die Tische sperren und ihren Betrieb ausschließlich auf Lieferdienste umstellen.

Seit nunmehr Seit 14 Tagen befinden sich das mobile Beprobungsteam und die stationäre Beprobungsstelle des DRK in Bereitschaft. Im Auftrag der Kreisverwaltung habe der DRK-Kreisverband diese Einrichtung auf die Beine gestellt. „Unsere Corona-Beprobungsstelle wäre im Regelbetrieb mit zwei Personen besetzt“, erklärt Horst Kiehne, der Vorsitzende des DRK-Präsidiums. Die Rotkreuzler könnten unter normalen Umständen zwölf Proben pro Stunde nehmen. „Das ließe sich aber natürlich je nach Bedarf hochfahren“, versichert Kiehne.

Der Vorteil dieser Drive-In-Lösung: Die zu testenden Personen können im Auto anreisen und müssen ihr Fahrzeug nicht verlassen. Das Auto fährt neben einen gezimmerten Raum, in dem Drucker stehen und die Proben gekennzeichnet werden. Vor der Halle gibt es ein Zelt für den Schutzkleidungswechsel der Helfer. Spontanbesuche sind ausgeschlossen. Vielmehr ist das Procedere der Beprobung klar mit dem Gesundheitsamt geregelt.

Allerdings wird die neue Einrichtung noch nicht aktiviert, sondern bleibt im Stand-by-Modus. Beprobungen koordiniert derzeit nur die Kassenärztliche Vereinigung, und zwar zentral in Braunschweig. Auch das Klinikum, Hausärzte und das Gesundheitsamt selbst führen Beprobungen durch. Tatsächlich sei es im Grunde Aufgabe der Ärzteschaft, für die aktuelle Situation Lösungen zu finden. „Aber wir konnten mit der Errichtung einer eigenen Beprobungsstation nicht warten, bis das geschieht“, erklärte die Landrätin. „Es war wichtig, dass wir für die Gemeinschaft Lösungen schaffen.“

Ein mit Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln ausgerüstetes neutrales Fahrzeug steht für Hausbesuche im Zusammenhang mit der Erkrankungswelle zur Verfügung.

Als die neue Beprobungsstelle fertig war, sah man dem Bereitschaftsleiter Björn Försterling einmal mehr den Stolz auf seine Truppe an: „In einer beeindruckenden Leistung baute die Bereitschaft Wolfenbüttel ein gedämmtes Büro für die Probennehmer an die künftige Drive-In Beprobungsstelle“, freute er sich.

Unterdessen meldet sich Pink erneut zu Wort: „Alle Privatpersonen, alle Selbstständigen, Unternehmer und insbesondere alle Vermieter von Gewerbeimmobilien sind aufgefordert, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie einen Beitrag leisten können, um unser hervorragendes Wolfenbütteler Gemeinwesen zu sichern und zu erhalten, durch Taten und durch Geldzahlungen oder gegebenenfalls auch durch Verzicht auf einen Teil ihrer Forderungen.“

So sollte sich laut Pink ein Vermieter einer Gewerbeimmobilie gut überlegen, ob er seinen gewerblichen Mieter in die Insolvenz gehen lässt, weil er an der vollständigen Pacht festhält. Es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass an der nächsten Straßenecke schon der potenzielle Nachmieter wartet.

Auch die Stadt werde gemeinsam mit anderen kommunalen Akteuren in den nächsten Tagen darüber sprechen, was die kommunale Ebene beitragen kann, um während und insbesondere nach der Corona-Krise Hilfestellungen zu leisten. Jedoch seien die Kommunen jetzt mit ihren Einrichtungen gefordert, weiterhin das Funktionieren des Gemeinwesens in einer noch nie da gewesenen und unbekannt langen Belastungssituation zu gewährleisten.

„Wir alle tragen jetzt eine große Verantwortung in einer Lage, die für uns alle neu ist und wir alle müssen jetzt solidarisch handeln. Markige Worte wie die Forderung nach Gelddruckmaschinen helfen da wenig. In erster Linie müssen wir uns um die Kranken kümmern und denen helfen wir am besten, wenn wir die getroffenen Maßnahmen auch strikt beachten. Je schneller und gründlicher es uns gelingt, die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu verlangsamen, desto früher können die Geschäfte wieder öffnen und desto früher kann wieder Normalität in unser Leben einkehren“, appelliert der Bürgermeister an alle.

Die Solidarität müsse aber auch nach der Rücknahme der Maßnahmen weitergehen. „Es wäre ein deutliches Zeichen, wenn dann die Bürgerinnen und Bürger den lokalen Handel unterstützen sowie ihre Einkäufe und Dienstleistungen vor Ort tätigen und nicht im Internet“, so Pink. Er sei sich sicher, dass die schwierige Zeit gemeinsam überstanden werden kann.

Die KVG teilt mit, dass aufgrund der geringeren Nachfrage infolge der Coronapandemie von nächstem Dienstag an das Fahrplan-Angebot bis auf Weiteres wie folgt geändert werde: In der Stadt und dem Landkreis Wolfenbüttel gelte von montags bis freitags der Samstagsfahrplan, die Stadtbuslinien nähmen ihren Betrieb eine Stunde früher auf. Samstags und sonntags gelten die normalen Fahrpläne. An allen Tagen entfallen die Fahrten, die an den Endhaltestellen nach 22 Uhr beginnen. Die Flächen-AST Verkehre werden an allen Tagen nur bis 22 Uhr durchgeführt.

Die Mobilitätszentralen in Salzgitter und Wolfenbüttel werden am Samstag, 21. März geschlossen. Ab Montag 22. März gelten vorerst wieder die normalen Öffnungszeiten.

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Allgemeinverfügung Wolfenbüttel.pdf
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