Hannover. Wäldern in Niedersachsen geht es nach zwei besonders trockenen Sommern schlecht. Uralte Rotbuchen seien laut Bund deutscher Forstleute abgestorben.

Bäume in Niedersachsen vertrocknen und sterben, Schädlinge breiten sich aus. Über 20.000 Hektar Wald sind landesweit betroffen. Für das Wiederaufforsten nach den schweren Schäden durch Trockenheit und Borkenkäferbefall wollen Bund und Land über 116 Millionen Euro ausgeben. Dirk Schäfer, Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), forderte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur ein Umdenken jedes Einzelnen. BDF und IG Bau wollen mit dem „Forum Wald und Klima“ am Mittwoch auf den Zustand der Wälder aufmerksam machen.

Dort sprechen auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Forstministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) über das Thema. Forstexperte Schäfer mutmaßte: „Der Wald der Zukunft wird anders aussehen als der, den wir kennen.“

Wie geht es dem Wald in Niedersachsen?

Die lange Trockenheit der beiden vergangenen Sommer war für viele Bäume eine echte Zäsur. Auch die tiefen Bodenschichten sind ausgetrocknet, die Bäume bekommen nicht ausreichend Wasser. Das macht sie auch anfällig für Borkenkäfer, die in der Rinde ihre Eier ablegen. Mit Harztropfen wehren sich die Bäume normalerweise, sie verkleben die Kauwerkzeuge der Borkenkäfer. Doch ohne Wasser können die Bäume nicht genug Harz produzieren. Die Schädlinge können sich ungehindert vermehren.

Ist der Klimawandel verantwortlich dafür?

Eindeutig. Der Klimawandel ist vor unserer Haustür angekommen. Er macht sich in unseren Wäldern stärker bemerkbar als Prognosen vermutet haben.

Was können wir tun?

Dem Waldsterben in den 80er Jahren, das durch Industriegifte ausgelöst war, konnten wir mit Filteranlagen bekämpfen. Heute können wir nur schwer etwas an den Ursachen ändern. Jeder einzelne muss letztlich seinen Lebensstil grundlegend umstellen. Wir Förster müssen nun die Schadflächen wieder aufforsten – aber dafür fehlen Geld und Arbeitskraft. In den vergangenen Jahren wurde die Hälfte des Forstpersonals eingespart. Das rächt sich jetzt.

In welchen Regionen Niedersachsens leiden die Bäume am meisten?

Vor allem im Harz und im südlichen Bergland sowie im Osten Niedersachsens sind Bäume betroffen. Dem Westen geht es etwas besser, aber auch dort sind die Wälder in keiner guten Verfassung.

Welche Bäume haben die größten Probleme mit der Trockenheit?

Vor allem Fichten und Lerchen. Nachdenklich machen mich aber besonders die Rotbuchen, die unser Bild vom hiesigen Wald prägen. Sie haben die Trockenheit überhaupt nicht gut vertragen. Ich habe 170, 180 Jahre alte Exemplare absterben sehen.

Was bedeutet das langfristig für unsere Wälder?

Der Wald der Zukunft wird anders aussehen als der, den wir kennen. Baumarten wie Kiefern und Eichen, die weniger leiden, werden sich stärker verbreiten. Außerdem werden sich Baumarten aus dem Süden, wie beispielsweise die Esskastanie, bei uns ansiedeln.

Wie wirkt sich der schlechte Zustand der Wälder auf die Tiere aus?

Es werden bei uns keine Arten aussterben, aber die Populationen werden sich verändern. Fledermäuse zum Beispiel verstecken sich im Holz und werden ihre Quartiere woanders finden müssen. Auch Spechte sind betroffen. Sie bauen ihre Höhlen in dicken Bäumen. Das wird schwerer, wenn die alten Bäume absterben.

Aktuell regnet es viel. Hilft das den Wäldern?

Jeder Regen ist gut für die Bäume. Es braucht aber viel Niederschlag, damit auch die tiefen Bodenschichten wieder befeuchtet und die Wasserspeicher aufgefüllt werden. Schäden zeigen sich erst zeitversetzt, deshalb können wir erst später abschätzen, ob es den Bäumen besser geht.

Zur Person: Dirk Schäfer (51) ist Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute und Stadtförster in Wolfsburg.