Seit der Antike beschäftigt Philosophen und Theologen die Frage, wie sich das Leiden Unschuldiger mit der Vorstellung eines liebenden Gottes in Einklang bringen lässt.

Gläubige Menschen weisen in diesem Zusammenhang auf das hin, was wir im Leben an Gutem von Gott erfahren und argumentieren, dass wir in der „besten aller möglichen Welten“ (Leibniz) leben. Umgekehrt blenden Atheisten das Gute aus und machen gleichzeitig Gott für alles Übel dieser Welt verantwortlich als angeblicher Beweis dafür, dass es mit seiner Güte und Allmacht nicht weit her sein kann. Beides greift zu kurz. Wer Gott nur im Guten sehen will, macht es sich zu einfach. Nach christlicher Überzeugung begegnet uns Gott mit dem Schicksal Jesu von Nazareth auch und gerade inmitten von Leiden und Tod. Schon in der Antike hat Menschen diese Vorstellung entzweit in solche, die das als stärkenden Zuspruch erlebt haben, und solche, die darin nur eine Torheit erblicken konnten.

Wer andererseits alles Leiden ausschließlich Gott anlastet, übersieht, dass für einen guten Teil des Übels in dieser Welt der Mensch die Verantwortung trägt. Anstatt zu fragen, wo Gott ist, ließe sich mit gleichem Recht fragen: Wo ist der Mensch? Warum geschieht im Namen der Vernunft so viel Unvernünftiges? Warum können wissenschaftliche Höchstleistungen so leicht in den Dienst finsterer Mächte treten? Warum sind die geistigen Fähigkeiten des Menschen derart gespalten, dass sie regelmäßig in einen mörderischen Widerspruch mit sich selbst geraten? Bereits das Buch Hiob im Alten Testament zeigt, dass sich das Problem des Leidens Unschuldiger nicht mit Argumenten lösen lässt. Die wochenlangen Gespräche zwischen Hiob und seinen drei Freunden führen am Ende zu nichts. Für mich gibt das Buch indes einen anderen wichtigen Hinweis: Als seine Freunde von Hiobs Schicksal hören, kommen sie ihn besuchen, setzen sich zu ihm auf die Erde und schweigen gemeinsam mit ihm sieben Tage und sieben Nächte lang. Wir werden dem Leid dieser Welt nicht gerecht, wenn wir von der Zuschauerbank aus darüber räsonieren. Es kommt vielmehr darauf an, Menschen in ihrem Leiden nicht allein zu lassen, sondern ihnen nahe zu sein und ihnen wo immer möglich zu helfen.