Braunschweig.

Leser Dr. Manfred Wolfrum, Stadtrats- und Kreistagsmitglied in Wolfenbüttel für die AfD, schreibt zum Leserbrief „AfD verharmlost die Gefahren der Asse“ im Wolfenbütteler Lokalteil vom 27. Dezember 2017:

Mit fetter Überschrift wird dem Leser suggeriert, dass tatsächlich die AfD die Gefahren der Asse in Gänze verharmlose. Dies alleine ist bereits eine suggestive Beeinflussung der Leser zum Nachteil der Alternative für Deutschland, gegen die sich der Kreisverband der AfD Wolfenbüttel aufs Schärfste verwahrt! Dass dann noch dem Leserbriefschreiber ein Forum geboten wird, ehrverletzend und eventuell auch strafrechtlich relevant mir als Nuklearmediziner zu unterstellen, dass ich mit meiner Veröffentlichung zur Asse-Begleitgruppe dafür sorgte, dass meine „Kollegen Ärzte weiterhin Arbeit haben“ – ich also bewusst ein Strahlenrisiko minimieren soll, um Krankheitsfälle zu produzieren, damit meine „Kollegen-Ärzte“ beschäftigt werden – ist ebenso ehrverletzend wie auch beleidigend im Sinne
§ 185 STGB. Aufgrund meiner Fachkompetenz in punkto Strahlung bin ich an einer sachlichen Einschätzung der Strahlenrisiken interessiert. Weder ich noch die AfD Wolfenbüttel haben diese verharmlost.

Die verantwortliche Redakteurin Maria Böhme schreibt:

Ich habe dem Abdruck des Leserbriefes zugestimmt – und leider zwei Sätze übersehen, in denen der AfD-Abgeordnete Dr. Manfred Wolfrum diffamiert wird. Das ist mir durchgerutscht, der Leserbrief hätte in der vorliegenden Form nicht veröffentlicht werden dürfen. Ich habe mich für den Fehler persönlich bei Dr. Wolfrum entschuldigt.

Die Ombudsräte Joachim Hempel und David Mache schreiben:

Die Stellungnahme Maria Böhmes spricht für die Kritikfähigkeit der Redaktion. Entscheidend zur Beurteilung des Leserbriefes ist der Satz: „Manfred Wolfrum als Vertreter der AfD im Rat der Stadt Wolfenbüttel verharmlost die Gefahren, die von der Asse ausgehen und sorgt dafür, dass seine Kollegen Ärzte weiterhin Arbeit haben.“ Darin stecken zwei Behauptungen: Dr. Wolfrum spiele etwaige Gefahren durch den radioaktiven Abfall in der Asse herunter. So arbeite er seinen Standeskollegen zu – denn rund um die Asse gebe es durch austretende Strahlung mehr Patienten.

Beide Behauptungen sind für die Redaktion nur schwer zu überprüfen. Schon die Frage, inwieweit von der Asse ein Gesundheitsrisiko für Arbeiter oder Anwohner ausgeht, beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrzehnten. Der pauschale Vorwurf, Dr. Wolfrum verharmlose eventuelle Risiken, wäre etwa in einer Stadtratsdebatte von Angesicht zu Angesicht juristisch unproblematisch, der Angegriffene könnte etwas entgegnen. In einem Zeitungsbeitrag hingegen überschreitet diese Behauptung die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung, weil sie isoliert als Fakt im Raum steht.

Noch problematischer wird die Behauptung durch die anschließende abwegige Begründung, die tatsächlich ehrverletzenden Charakter hat: Sie unterstellt, dass Dr. Wolfrum gegen das ärztliche Berufsethos verstößt.

Presserechtlich gesehen gilt bei falschen Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen neben der Haftung des Urhebers die Verbreiterhaftung der Redaktion. Außerdem ist die Redaktion dem Pressekodex verpflichtet. Unter Ziffer 2 – Sorgfalt – heißt es: „Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.“ In Ziffer 9 – Schutz der Ehre – heißt es weiter: „Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.“ Diese ethischen Leitsätze gelten explizit auch für Leserbriefe. Die von Dr. Wolfrum kritisierte Zuschrift durfte daher in der vorliegenden Form nicht veröffentlicht werden.