“Diese Pandemie ist hochgradig darwinistisch: Der stärkste, also der digitalaffinste überlebt. Fair ist das nicht.“

Der erst softe Lockdown im November und sein harter Nachfolger im Dezember haben den Aufschwung der Konjunktur ausgebremst – und zwar mit quietschenden Reifen. Auch noch zu Beginn des neuen Jahres bezeichnen ein Viertel aller befragten Unternehmen in Niedersachsen ihre Geschäftslage als „schlecht“.

Zwar erholte sich die Industrie leicht im vierten Quartal des vergangenen Jahres, demgegenüber stehen aber zahlreiche Einzelhändler, Gastronomen, Reiseunternehmer und Veranstalter, die gerade erleben, wie das passiert, was sie am meisten fürchteten: eine Verlängerung der Verlängerung der Verlängerung des Lockdowns.

Klar ist, dass der Kampf gegen die Pandemie einen nachhaltigen Aufschwung erst ermöglicht. Deswegen ist dieser Kampf gegen die weitere Ausbreitung des Virus alternativlos – auch wenn jede einzelne Verlängerung, jede neue Einschränkung am Nervenkostüm aller zerrt. In den sozialen Medien witzeln einige schon, dass man erst 2047 wieder auf Konzerte gehen, shoppen, essen gehen und verreisen kann. Galgenhumor hilft der eigenen Psyche, aber ein Mittel gegen den Verlust der Existenzgrundlage ist das nicht.

Und bei den Einzelhändlern erwartet man gemeinhin, dass mindestens zehn Prozent diese Krise nicht überleben werden. Das sind vor allem die, denen es vor der Corona-Pandemie schon nicht besonders gut ging, die kein Finanzpolster aufgebaut hatten. Das sind aber auch die Neustarter, die sich zufällig kurz vor Corona mit einem Geschäft (oder Restaurant, Hotel, usw.) selbständig gemacht haben, und das sind genauso diejenigen, die eben weniger digitalaffin sind. Denn eine digitale Verkaufsstrategie aufzubauen, mal eben einen Click-and-Collect-Service zu organisieren und mit Kunden nur noch via Instagram und Facebook zu kommunizieren, das können schlicht nicht alle. Ganz davon abgesehen, dass Online-Verkäufe nicht kurzfristig das große Geschäft bringen, aber immerhin den Neustart unterstützen, weil man beim Kunden im Kopf geblieben ist. Insofern ist diese Pandemie hochgradig darwinistisch: Der stärkste, also der digitalaffinste überlebt. Fair ist das nicht, weil er eben solche, die etwa qua Alter nicht die Digital-Kompetenzen von jüngeren Unternehmern mitbringen, benachteiligt. Und weil er Gründern den Geschäftsstart auf unnachahmliche Weise versaut.

Um Existenzen zu retten und für gleiche Rahmenbedingungen zu sorgen, hat die Bundesregierung ein gigantisches Hilfspaket für die Wirtschaft geschnürt und bei den Hilfen nun noch einmal nachgelegt. Das ist großartig. Großartiger wäre aber, wenn dieses Geld auch ankommt. Die Kammern in Niedersachsen sprechen von „Perspektivlosigkeit“, „Frust“ und „Verzweiflung“, die sich unter Geschäftsleuten nun mehr und mehr ausbreiteten. Denn de facto werden bei einigen Händlern allein die verzögerten Zahlungen dafür sorgen, dass sie pleitegehen. Dass noch nicht einmal die Novemberhilfen bisher alle erreicht hat, liegt nicht daran, dass die Milliarden nicht da sind. Der Grund sind Technik-Probleme mit der Software des Bundes. Deswegen lehrt uns die Pandemie vor allem eines: Deutschlands rückständige Digital-Kompetenz gefährdet im wahrsten Sinne des Wortes Lebensgrundlagen. Lieber früher als später muss die Bundesregierung dagegen anarbeiten: Das fängt bei der schulischen Bildung an und hört beim Netzausbau auf.