„Corona legt soziale Missstände ungeschönt frei. Pauschale 300-Euro-Zahlungen für Familien reichen nicht aus. Gezielte Hilfe ist nötig.“

Ganz zu Beginn der Corona-Pandemie, da schien es so, als ob das Virus ein großer Gleichmacher ist. Egal ob VW-Manager oder Harz-IV-Empfänger in Salzgitter-Fredenberg – das Virus wollte nur eins: sich vermehren.

Nun, da sich die erste Aufregung gelegt hat, hat sich auch der Blick geschärft. Es ist wie immer: Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, sterben im Schnitt sieben Jahre früher. Sie erleiden öfter einen Herzinfarkt, sie haben häufiger Depressionen. Und sie haben auch ein größeres Risiko, sich mit dem Corona-Virus anzustecken.

Dabei muss man übrigens gar nicht erst nach Brasilien oder Indien schauen, ein Blick in die erweiterte Region reicht schon aus: In Wohnblocks in Göttingen, Salzgitter und Magdeburg gab es Fallhäufungen, auch in Flüchtlingsunterkünften in Ehra-Lessien und nun in Braunschweig.

Ärmere Menschen leben oft mit mehreren Personen in beengten Wohnungen. Sie haben auch nicht das Privileg, im Homeoffice zu arbeiten, sondern müssen raus: im Lebensmitteleinzelhandel zum Beispiel oder in der Pflege. Auch hier sind sie einem erhöhten Infektions-Risiko ausgesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass sie öfter vorerkrankt sind. Diese Corona-Patienten landen dann auch weit häufiger in Kliniken.

Die Politik darf den Blick darauf nicht verstellen, Corona legt soziale Missstände ungeschönt frei. Pauschale 300-Euro-Zahlungen für Familien reichen nicht aus. Gezielte Hilfe ist nötig. Die Armuts-Quote blieb trotz guter konjunktureller Lage im vergangenen Jahrzehnt hoch. Sie liegt in Niedersachsen bei konstanten 15 Prozent. Einkommenseinbußen und Kurzarbeit verschärfen die Lage. SPD-Chefin Esken hat für ihren Vorschlag einer einmaligen Vermögensabgabe von Reichen in der Corona-Krise Prügel einstecken müssen. Es zeigt sich, dass die Idee so falsch nicht war. Es kann nicht sein, dass auch noch Corona vor allem Arme trifft.